drei

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BIRNE

Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend lasse ich das alte, mit Graffiti verzierte Gebäude hinter mir. Ich hoffe die Aussage, dass ich den Weg schon allein rausfinde ist nicht allzu unhöflich rübergekommen.

Ich halte immer noch mein Handy in der Hand. Hinter Mückes Kontaktnamen habe ich einen Pinguin gesetzt. Der Fliegen-Emoji war mir dann doch etwas zu hässlich.

Gerade als ich meine AirPods aus ihrem Case hole und mir in die Ohren stecke, erreicht mich ein Anruf.

Beccs

«Hallo?»

«Hi du, hab mir Sorgen gemacht, weil du keine meiner Nachrichten beantwortet hast. Stör ich? Bist du noch im Felsen?», plappert sie drauf los.

Anfangs hatte ich etwas Bedenken gegenüber Rebecca. Trotz oder gerade weil sie die Freundin meines besten Freundes ist. Immerhin habe ich befürchtet, dass sie mir Kilian wegnehmen könnte und ich konnte auch nicht einschätzen, wie sie zu mir steht. Immerhin bin ich ein mindestens genauso präsenter Teil von Kilians Leben wie sie, weshalb ich nicht einfach verschwinde, wenn sie es wünscht. Kilian hat damals allerdings schnell diese Bedenken meinerseits aufgeräumt und mir meine Sorgen größtenteils genommen.

Eigentlich waren diese Bedenken unbegründet. Denn schon auf dem Konzert, auf dem wir uns kennengelernt haben, ist sie mir unfassbar sympathisch gewesen.

Ab dem Teilen der ersten Zigarette hat sich angefangen, eine Freundschaft zwischen uns zu formen. Als ich schließlich das erste Mal in ihrem Zimmer gewesen bin und ihre Philodendren und Efeututen Sammlung gesehen habe, wusste ich, dass ich mit Becca Gartencenter ausrauben will.

Vielleicht war es nicht ganz so, aber durch ihre Vorliebe für Rankenpflanzen wurde sie mir gleich viel sympathischer. Sie ist auch einige der wenigen, die mir aufmerksam zuhören, wenn ich Bilder von meinen Pflanzen zeige und von ihnen erzähle, als wären sie meine Kinder.

«Hab ihn gerade verlassen.» Auf dem Hinweg zum Felsen bin ich so unfassbar nervös gewesen, dass ich verwundert bin, dass ich es unbeschadet hinter mich gebracht habe.

«Na dann erzähl schon. Wie wars?» Sie ist etwas lauter geworden. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie sich jetzt kerzengerade hingesetzt hat und vor Neugier brennt.

«Ganz nett.»

«Ganz nett?» Nun klingt sie skeptisch. «Nett ist die kleine Schwester von scheiße

Meine Gedanken schweifen zu den Organisatoren und bleiben an Mückes Tattoos hängen. Sie sind eher untypisch für eine sich als maskulin identifizierende Person. Durch das T-Shirt, das er getragen hat, konnte ich auch einige betrachten. Mir ist das Schwert, das durch eine Rose geht und von einer Schlange umworben wird, besonders aufgefallen. Ich glaube, am meisten mag ich die Motte in seiner Armbeuge. Meine erste Frage war, ob das ein Schmetterling sei, doch er hat mich schnell berichtigt.

«Die Organisatoren sind ganz cool, der eine ist noch kleiner als ich, das Mädchen würde meiner Schwester gefallen und der dritte wird ernsthaft Mücke genannt.»

Ich höre Becca am anderen Ende der Leitung kichern. «Wow, die Birne und die Mücke.»

«Hüte deine Zunge, falls du dazu etwas sagen willst», warne ich sie. Ich habe heute mehrere Leute kennengelernt. Einschätzen kann ich die einzelnen noch nicht wirklich. Deshalb habe ich keine Lust, dass irgendjemand etwas aufputscht, wo gar nichts ist und ich die Lust verliere, dorthin zu gehen. Denn wohl gefühlt habe ich mich alle mal.

Vor meinem inneren Auge kann ich sehen, wie sie die Augen verdreht. «Ich wollte gar nichts sagen

«Ja, ja», erwidere ich und steige in den Zug nach Hause. «Aber was dich freuen wird, ist, dass dieser Mücke mich gleich wegen meiner Größe gemobbt hat.» Das Abteil, in dem ich mich befinde, ist zum Glück nur spärlich belegt. Ich lasse mich in einem beliebigen Vierer, in Fahrtrichtung, ans Fenster fallen.

in case I fall for youWhere stories live. Discover now