neun

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MÜCKE

Sollte es sich in einem drin, beim Ansehen eines anderen Menschen, so anfühlen, wie wenn man in einen Scherbenhaufen langt?

Denn genau so fühlte ich mich in dem Moment, als Birnes und meine Blicke sich auf dem Gang kreuzten. Es half auch nicht, dass Birne sich so schnell duckte und tat, als existierte ich nicht. Dadurch fühlte es sich so an, als ob sich die Scherben in meine Haut bohrten.

Eine Weile starrte ich die Tür an, durch die Birne mit Kilian und Becca gegangen war. Zu lernen, dass Kilian nicht Birnes Freund, sondern der von Becca war, hatte sich gut angefühlt. Als Birne anfing mir wirre Komplimente zu machen, war das alles sehr irritierend. Ihn aber mit Gustav knutschend vorzufinden war überraschenderweise schmerzhaft.

Als ich Wassertropfen in meinem Gesicht spürte, zuckte ich zusammen. Marla hielt in der einen Hand einen Zerstäuber, während sie die andere in die Hüfte gestemmt hatte. «Erde an Mücke», erneut betätigte sie den Zerstäuber, worauf noch mehr Wassertropfen in meinem Gesicht landeten, «Hilfst du mir jetzt beim Aufräumen oder willst du weiter Luftlöcher starren?»

Der Felsen war mittlerweile praktisch leergefegt. Kurz nach Birne hatten Gustavs Mitbewohnerinnen ihn ebenfalls nach Hause verfrachtet. Marla und ich waren noch hier und hatten die Verantwortung fürs Aufräumen übernommen, während Addie und Finn sich zum Abschminken und Umziehen in den Estrich verschanzt hatten.

Auch wenn Finn und Addie meistens mit dem Auto da waren, bevorzugte Finn es dennoch, sich auf dem Felsen umzuziehen, wenn er in Drag auftrat. Ihr diesjähriges Halloween Kostüm war fantastisch. Auch wenn beide eher für Jinkx Monsoon und BenDeLaCreme schwärmten, hatte Finn ihnen ikonische Outfits der beiden Drag Queens Katya und Trixie Mattel nachgeschneidert.

Mein eigenes Kostüm, das eh nur aus einem Haarreif mit einem Sims Plumbob bestand, lag zusammen mit meiner Jacke und dem Jutebeutel auf dem Tresen unserer Felsenküche. Ich stiess mich vom Besen ab, dessen Stiel ich vorhin wie benebelt umklammert hatte.

Marla, welche den Zerstäuber mittlerweile neben meine Sachen gestellt hatte, musterte mich in ihrem Jughead Kostüm akribisch. «Der Boden hat dir nichts getan», kommentierte Marla, «Aber wenn du so weiter machst, fürchte ich mich, dass wir gleich keinen mehr haben.»

Schultern zuckend ignorierte ich Marlas Kommentar. Stattdessen wischte ich weiter die Kürbisreste zusammen, die ihren Weg statt in den Mülleimer auf dem Holzboden gefunden hatten.

Ein lautes Ausatmen war zu hören. «Mensch Mücke», seufzte Marla. Sie kam zu mir hinüber und nahm mir den Besen aus der Hand. Marla lehnte ihn gegen den Tresen, ehe sie nach meinem Arm griff und mich in die Küche zerrte.

«Du kannst wählen zwischen Bergamotte und Elfen», sagte Marla als sie unseren Sirupschrank öffnete. «Der Rest wurde heute Abend mehr oder weniger ausgetrunken.»

Ich erinnerte mich daran, dass eine der beiden Zutaten für Bergamotte Birnensaft war. Ich konnte jetzt echt nicht etwas gebrauchen, was schmeckte wie jemand hiess. «Elfen», antwortete ich hastig.

Marla machte uns zwei Sirupgläser an, ehe sie sich auf den Boden hockte. Sie klopfte neben sich auf das Holz. So lange, bis ich mich endlich neben sie hinsetzte. «Was. Ist. Los?», Marla betonte jedes einzelne Wort ihres kurzen Satzes.

Seufzend liess ich meinen Kopf gegen die Einbauschränke der Küche fallen. «Nichts», presste ich angespannt hervor. So wie jemand, der definitiv nichts hatte.

Marla war schliesslich nicht blind. Natürlich bemerkte sie, dass da nicht nichts war. «Ja natürlich und der Papst ist katholisch.»

Ich spielte mit meinem Lippenpiercing herum, statt irgendwas Brauchbares zu sagen. «Komm schon», sagte Marla und stupste mit ihrem Finger gegen mein Knie, «Ist es wegen den beiden Saufbrüdern?»

in case I fall for youWhere stories live. Discover now