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Tag 55 v.N.

Kane hatte sich nicht mehr blicken lassen.

Ich saß alleine in diesem Zimmer, Thor brachte mir Essen und jedesmal wenn ich ihn nach Kane fragte, meinte Thor nur, dass ich ja zu ihm gehen könne, wenn ich wolle.

Ich wollte nicht.

Es war besser, hielte ich mich von ihm fern.

Dabei war es nicht einmal der Anfall gewesen, der mich so denken ließ, sondern vielmehr die Nachricht, die ich auf meinem Nachttisch gefunden hatte.

Hilf mir, Lyon.
~ K.

K.

Kai.

Ich hatte keine Ahnung, was ich tun sollte. Keine Ahnung, was er von mir erwartete.

Ich wusste ja nicht einmal, wie Kai es geschafft hatte, die Nachricht dorthin zu bekommen.

Und das war der Grund, weshalb ich der Nachricht nicht traute.

Wie sollte dieser kleine Junge bitte hierhin gekommen sein?

Wie sollte das funktionieren?

Es war unvorstellbar und genau deshalb schwieg ich.

Ich wollte Kane nicht in Gefahr bringen, falls ich in Gefahr war.

Niemals.

Auch wenn ich nicht genau wusste, woher dieser überwältigende Drang kam, ihn zu beschützen.

War vermutlich nur wieder die Verbindung zwischen Dark und Light.

Und trotz dessen. Trotz, dass ich genau wusste, woran es lag, konnte ich es nicht lassen.

Kane durfte nicht in Gefahr sein. Und das bedeutete auch, dass er nicht schwach erscheinen durfte.

Er musste perfekt sein, um sich zu schützen, das verstand ich jetzt.

Und ich musste es ebenfalls. Sonst brächte ich ihn in Gefahr.

Aus irgendeinem Grund fühlte es sich an, als sei ich von Kane abhängig.

Als würde sein Leid mich umbringen. Als würde seine Existens der Grund sein, warum ich glücklich war ... ja, weshalb ich überhaupt lebte.

All das brachte meinen Kopf beinahe zum Platzen. Es machte mir Angst. Es machte mich wahnsinnig.

Rasch sprang ich auf und tigerte im Zimmer auf und ab.

"Ach verdammt!" Wütend knallte ich meine Hände an die Tür, die daraufhin aufgerissen wurde.

Verdutzt sah ich in Kanes dunkle Augen.

Er hatte tiefe Ringe unter ihnen, seine Haaren sahen völlig zerrupft aus. An seinen Knöcheln klebte Blut. An seiner Wange war deutlich ein blauer Fleck zu sehen.

Kane sah völlig fertig aus.

"Kane?" Schnell streckte ich eine Hand aus und strich ihm mit dem Handrücken sanft über die Wange. "Was ist los?"

Er seufzte und schmiegte sein Gesicht schweigend an meine Hand.

Einige Augenblicke lang standen wir nur so da. Sahen uns nur wortlos an.

Dann drängte Kane sich ins Zimmer und schloss die Tür.

Überrascht starrte ich ihn an. "Kane?"

"Lyon", antwortete er, schwieg dann aber wieder und nahm nur mein Gesicht in beide Hände.

Seine Daumen strichen sanft über meine Wangen.

Er trat näher.

Ich konnte seinen Atem an meinen Lippen spüren.

Unwillkürlich hielt ich die Luft an. Ich hätte schwören können, dass mein Herz einen Moment aussetzte, um dann doppelt so schnell weiterzumachen.

"Lyon." Wieder mein Name. Dieses Mal flüsterte er ihn.

Ein Schauer lief über meinen Rücken.

Langsam öffnete ich den Mund. Ich wollte ihn fragen, was das werden würde. Ich wollte ihn fragen, was er da tat. Was wir taten. Aber ich konnte nichts sagen. Ich konnte ihn nur schweigend weiter ansehen.

Beinahe ertrank ich in dem Ausdruck seiner Augen.

Diese Sanftheit. Diese Zärtlichkeit.

Dark and LightWhere stories live. Discover now