§49 Die Rettung der Welt

320 69 70
                                    


So, Mary Sue, da Ihr nun endlich ein vollwertiger und makelloser Held seid, muss ich Euch in Eure Hauptquest einweihen. Ganz richtig, es geht um nichts Geringeres als die Rettung der gesamten Welt!

Was schaut Ihr denn so überrascht? Habt Ihr gedacht, es geht nur darum, Lord Finsterstein mit einer Taschenlampe aus seiner düsteren Burg zu jagen? Dachtet Ihr, Ihr kommt allein mit Gesetz 38, Das Ende des Antagonisten aus? Ganz daneben liegt Ihr natürlich nicht, Lord Finsterstein muss auf jeden Fall besiegt werden. Allerdings haben wir nie wirklich über die komplexen Hintergründe gesprochen.

Ach jetzt lasst doch einmal kurz Eure Keksdose beiseite! Die zu retten ist wichtig, aber nur eine Eurer zahlreichen Nebenquests! Ich wusste doch, Ihr würdet es einfach nicht verstehen!

Also, wieso muss Lord Finsterstein überhaupt aufgehalten werden? Der ist doch auch nur ein Mensch wie jeder andere auch. Eigentlich solltet Ihr ihm da als Held helfen müssen. Zugegeben, er hat eine Armee aus Untoten. Und vielleicht ist er auch gar kein Mensch, sondern ein Dämon. Und ja, er hat tatsächlich Eure Keksdose entführt. Aber nichts davon rechtfertigt, bei ihm einzuspazieren und ihm zu Gesetz 2 herauszufordern.

Die Komplexe Wahrheit ist: Lord Finsterstein ist böse. Punkt, aus, fertig.

Wieso!? Wieso sollte das „Wieso" an dieser Stelle wichtig sein!? Wen interessiert, wieso er böse ist, es reicht einfach, dass er es ist und fertig ist die Soße!

Und jetzt hört gut zu. Weil Lord Finsterstein so unendlich böse ist, muss er aufgehalten werden, da ihn seine Boshaftigkeit dazu antreibt, so gemeine Dinge zu tun, wie Keksdosen zu stehlen. Und ein Heer aus Untoten aufzustellen. Und ein Dämon zu sein. Und die gesamte Welt erobern zu wollen.

Ja, am Anfang mag es für Euch so ausgesehen haben, als ob Ihr nur nach einem Weg zum Überleben gesucht habt, nachdem dunkle Heerschaaren bei Euch im Dorf einfegallen sind und aus Euch ein Waisenkind ohne Familie machten, um den Grundstein für Euer Heldendasein zu legen. Aber letztendlich wird immer alles darauf hinauslaufen, dass Ihr die Welt retten müsst; das sagt selbst die uralte Legende oder die Prophezeihung über Euch. Denn Lord Finsterstein kann sich nicht damit zufrieden geben, einfach nur eine Keksdose zu klauen. Niemand würde ihn ernst nehmen. Deswegen muss er die Welt vernichten oder erobern wollen, denn viel größer und dramatischer geht es kaum. Wenn er nicht gerade ein Alienimperator ist und es auf das ganze Universum abgesehen hat, da kann man dann noch etwas mehr übertreiben.

Und so werdet Ihr, während Ihr all den ungeschriebenen Gesetzen folgt, letztendlich an dieses eine Ziel herangeführt. Denn seien wir ehrlich: Es wird niemand anderes tun.

Habt Ihr mich gerade ernsthaft gefragt, wieso er die Welt erobern will? Man würde ihn auch ernst nehmen, wenn er alles Keksgebäck vernichten würde. Sagt mal seid Ihr eigentlich vollkommen bescheu...

Nein, halt, ich bin da, um Euch etwas beizubringen, natürlich weiß ich die Antwort auf diese Frage. So wie Ihr danach strebt, ein vollwertiger Held zu sein, so strebt Lord Finsterstein nach dem genauem Gegenteil: Der perfekte Overlord zu werden. Und das tut er, indem er seine Boshaftigkeit kultiviert wie ihr den jugendlichen Flaum in Eurem Gesicht, den Ihr „Bart" zu nennen wagt. Im Ernst, rasiert das ab, Ihr entsprecht nicht Gesetz 35.

Lektion Nummer 1 im Böse sein lautet, anderen Leuten weh zu tun. Dabei zählt Quantität wie Qualität: Je stärker ihr andere verletzt und wie viele ihr verletzt ist gleichsam wichtig. Folglich habt ihr gewonnen, wenn ihr der gesamten Welt weh tut.

Außerdem hat das den tollen Nebeneffekt, dass es Euch noch heldenhafter macht, wenn Ihr am Ende Lord Finsterstein besiegt. Denn damit habt Ihr automatisch jedes Lebewesen dieser Erde gerettet, ohne bei jedem einzeln auftauchen zu müssen, bravo! Das nennt man Ökonomie und Effizienz. Wir sind schließlich ein wirtschaftliches Unternehmen. Heldentaten rentieren sich nicht, wenn sie nur einen alten Tattergreis betreffen, dem ihr das Leben gerettet habt, und der trotzdem an Altersschwäche gestorben ist, bevor er es irgendwo weitererzählen konnte.
Ihr seht, Lord Finsterstein arbeitet in gewisser Weise für Euch, wenn man so will.

Und wenn Ihr die Welt dann gerettet habt, dann bleibt Euch nur noch eine Sache!

________________________________________

*Staub von diesem Projekt wegwisch*

Immer wieder öffne ich Projekte auf meinem PC, nur um auf den Bildschirm zu starren und mich zu fragen, wie ich jetzt weitermachen soll und dann innerhalb einer Sekunde die Lust zu verlieren und mein Schreibprogramm wieder zu schließen. Für mich ist das so lästig, wie für die meisten der Montagmorgen. Schön, das morgen Feiertag ist :P

Ich wünsche euch vorab schon einmal einen guten Rutsch ins Jahr 2020 und dass jeder von euch, auf seine oder ihre Weise ein Held oder eine Heldin ist und die Welt im Kleinen oder auch im Großen rettet. Sei es, dass ihr jemanden zum lachen  bringt, jemanden Trost spendet, oder einfach andere unterstützt. Und genauso wünsche ich euch im Umkehrschluss, dass, wann immer euch mal die Kraft dazu fehlt, ein kleiner Held da ist, um euch einen Schubs zu geben oder euch eine Hand zu reichen.

Eine Mary Sue gibt es nur in dieser Persiflage - oder in weniger guten Fantasyepen. Aber kleine Heldentaten gibt es täglich. Und ich wünsche Sie euch von ganzem Herzen.



Die ungeschriebenen Gesetze - Oder wie ich (k)ein Held werdeWhere stories live. Discover now