❦legende 1; 10

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Jungkook

Meine eigenen Schritte hallten laut und erschreckend an den hohen, bemalten, Wänden wider, während ich meinen Blick nicht von den bewundernswerten Fenstern und bodenlangen Vorhängen nehmen konnte.
Kühles Mondlicht brach sich durch das wandhohe Fenster und erhellte so den dunklen Parkettboden, dessen sonst so warmes dunkelbraun in ein düsteres Schwarz getaucht wurde.
Mein eigenes Ein- und Ausatmen klang in der hallenden Atmosphäre wie der gruselige Atem eines Monsters, welches jeden Moment dessen dunkle Krallen nach mir ausstrecken würde.

Das gesamte Gebäude kam mir auf seltsame Art und Weise unglaublich fremd und dennoch bekannt vor.

Es erinnerte mich an unser Anwesen, in dem Landeskreis der Moalen - mit dem entscheidenden Unterschied, dass die Königsfamilie Kim einen größeren Wert darauf zu legen schien, ihre Flure und Räume nicht verkümmern und stets mit deren Repertoire erneuern und erweitern zu lassen.
Während mein Vater es stetig darauf ansetzte meinen Bruder für den späteren Thron vorzubereiten, schien König Taecheol einen wesentlich erweiterten Blick auf das Schloss, seinen Sohn UND die Arbeitenden am Hof zu haben.
Zumindest kam es einem so vor, wenn man das strahlende Lächeln und die überflutende Höflichkeit der Diener beachtete, welche mir zu Beginn meinen Rappen abnahmen und in die Ställe brachten - sowie mir den Weg zu meinem Schlafgemach und dem Esssaal zeigten.

Hätten sie dies nicht getan, wäre ich mit Sicherheit bereits in zehn falsche Flure abgebogen, hätte falsche Türen geöffnet und wäre womöglich noch in den Kerkern gelandet, so viele verflochtene Wege gab es alleine im Nordflügel, in welchem wir untergebracht worden waren.
(Es war allein schon ein Wunder gewesen, dass ich es ohne jegliche Hilfe geschafft hatte, zu dem Anwesen der Kims zu gelangen..)
Ich atmete ein weiteres Mal aus und rief mir erneut in Gedanken, wie mir der Weg zum Esssaal beschrieben wurde.
'Den großen Flur entlang, dann rechts abbiegen. Sobald du das Gemälde einer älteren Dame im blauen Brokatgewand siehst, dessen Malerei mit einem goldenen Rahmen geziert wird, weißt du, dass du nur noch wenige Schritte zu gehen hast und die zweite Flügeltür zu deiner Rechten die des Esssaals ist.'

Gemälde gab es hier tatsächlich viele. Hätte mir der Gehilfe nicht das Detail mit dem blauen Brokatgewand gegeben, wäre ich womöglich vollends aufgeschmissen gewesen. Es gab diverse Malereien von ehemaligen Herrschern; Landschaften; dem Anwesen vor vielen Jahren; aber auch einige von der aktuellen Königsfamilie. Die Frau in blau war bislang noch nicht aufgetaucht, aber wenn dies der Fall sein sollte, wüsste ich mit Sicherheit, dass ich an endlich an dem richtigen Raum angekommen wäre.

Ich fühlte mich ungewiss. Ungewiss und auf seltsame Art und Weise lächerlich, wenn ich so pauschal darüber nachdachte, weshalb ich überhaupt hierhergekommen war. Jede Person, der ich davon ehrlich erzählen würde, würde wahrscheinlich den Kopf schütteln und mich für verrückt abstempeln; mein Bruder würde, wenn wir noch starken Kontakt zueinander hätten, mir wahrscheinlich durch die Haare wuscheln und mit einem geschmunzelten ‚Ach Jungkook‘ appellieren, dass ich mir womöglich zu viele Flausen in den Kopf gesetzt.

So wie so oft. So wie früher.

Jungho und ich waren Zwillinge. Oder waren wir das überhaupt?
Manchmal hatte ich das Gefühl, wir waren nur zwei äußerlich gleiche, begonnene Gemälde, die sich so entwickelten, dass sie von zwei Artisten fertiggestellt werden sollten. Und während der eine Künstler sich sofort an die Aufgabe setzte und sein vorgesetztes Werk in seinem Stil veränderte, beschönte und durchaus verbesserte, lag das andere immer noch auf dem staubigen Boden und wurde nicht angerührt, gar vergessen, da das andere ja so viel mehr Priorität besaß.

Ich schüttelte kurz, aber heftig den Kopf, um dem drückenden Knoten in meiner Brust loszuwerden.

Ich hasste es, wenn mich solche Gedanken einholten. Sie waren düster, dunkel und taten weh. Ein Leid das ich mir selbst zufügte. Ein Leid, dass niemand bemerkte.

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