#38 - Mom kündigt ein Familientreffen an und ich fange an, mir Sorgen zu machen

1.2K 95 32
                                    

Ich biss die Zähne aufeinander, als sämtliche Blicke mich abwartend musterten, als ob ich irgendwas sagen sollte.
"Lasst uns gleich ein großes Familientreffen einberufen", schlug ich vor, dabei schwang ein unverkennbarer Spott in meiner Stimme mit. Das brachte wenigstens Louis ein bisschen zum Lächeln. "Klar, lasst uns gleich noch Dad einladen, der denkt wir wären tot."
Tess hingegen schien das Ganze nicht ganz so gut zu verkraften. Aber wer wäre nicht geschockt, wenn deine Sandkastenfreundin, später Feindin, dann wieder Freundon, sich als deine Cousine herausstellt und dein Vater, der abgehauen ist, als du klein wirst, die ganze Zeit nur zwanzig Minuten entfernt gewohnt hat?
Ich konnte sie vollkommen verstehen. Vielleicht musste ich sie hier nach ja mit zu Cortney nehmen, dann konnte sie mir wenigstens nicht mehr vorhalten, dass ich die labile der Gruppe war.
"Rose, findest du diesen Zeitpunkt angemessen, um solche Sachen zu sagen?", fragte Mom. Eigentlich überhaupt nicht. Aber sie hatte es sich selbst zu zu schreiben, dass sie so lange, wie ich noch hier war, eine extrem bockige Rose ertragen musste.
Tess kam mir mit einer Antwort zu vor.
"Also eigentlich ist es eine gar nicht so falsche Idee. Ich glaube in dieser Familie ist verdammt viel zu klären."
Ich hob beide Augenbrauen und blickte Mom triumphierend an. "Siehst du. Außerdem wette ich, Emily weiß genau so viel, von ihrem Onkel."
Ich schielte möglichst unauffällig in die Richtung meines Onkels, der mit vor der Brust verschränkten Armen da stand.
Aber er schien uns zu zu stimmen. "Du solltest auch Shawn einladen. Ich denke, er würde schon gerne wissen, dass seine Kinder noch leben."
Dieser Satz enthielt uneinfühlsame Spuren, die ich häufiger in Tessas Sätzen vorfand.
"Shawn gehört aber nicht zur Familie", erwiderte Mom.
"Naja, er ist unser Vater und Louis und ich gehören zu deiner Familie, also gehört unser Vater, dessen Namen wir jetzt sogar wissen, doch deiner Familie an", klingte ich mich in das Gespräch ein.
"Du hast ihnen nicht mal den Namen gesagt? Ist das dein Ernst, Bel?"

Ich wusste gar nicht, dass Mom tatsächlich einen Spitznamen gehabt hatte.
"Das ist mein voller Ernst, Rob. Muss ich dich daran erinnern, dass...."
"Nein, musst du nicht. Trotzdem." Unser Onkel rollte mit den Augen, während Tess, Louis und ich gespannt das Gespräch verfolgten.
"Unsere - Tess schluckte - Eltern scheinen ja blendend miteinander auszukommen", wisperte sie, sodass weder Mom noch Robert es mitbekamen.
"Wenn sie wirklich ein Familientreffen veranstalten, sollten wir uns kugelsichere Schutzwesten zu legen", flüsterte Louis. "Unsere Grandma ist wirklich keine angenehme Person." Es klang komisch 'unsere' zu sagen. Verdammt komisch sogar. "Ich will sie trotzdem mal treffen. Immerhin ist sie ja anscheinend meine Grandma."
"Es ist so unwirklich", sagte Louis. "Als ob wir seit unserem Geburtstag in einer schlechten Reality Show gelandet wären."
Tess und ich nickten zustimmend.
"Naja, die Haarfarbe haben wir ja gemeinsam."
Lou musterte sie mit argwöhnisch, als ob er abwägte, ob Tess das jetzt ernst meinte, er wusste nämlich nicht, dass ihre Haare gefärbt waren. "Ich hab sie gefärbt", fuhr Tess fort, die offenbar das Gesicht ihres Cousins mitbekommen hatte. "Sieht man gar nicht."
"Ich hab ja auch einen Top Friseur", meinte Tess. Unsere Konversation wurde beendet, als Mom und Robert ihre offenbar zu ende geführt hatten und sich gleichzeitig zu uns drehten.
Mom sah so aus, als ob sie ihrem Bruder am liebsten den Kopf abgerissen hätte.
"Familientreffen. Am Samstag. Ihr lernt euren Vater kennen."

Ich konnte nicht verhindern, dass meine Kinnlade runter klappte. Wir würden tatsächlich, ganz in echt, unseren Vater treffen. Ich war ja mal gespannt, wie Mom ihm verklickern wollte, dass seine Zwillinge noch am Leben waren.
"Am Samstag? Da haben die anderen aber viel Zeit sich vor zu bereiten." Louis hob eine Augenbraue.
"Kate wäre ab Montag sowieso in Amerika. Zwei Tage machen keinen Unterschied und sein wir ehrlich, eurer Grandma ist es sowieso egal, ob sie jetzt in Amerika oder Frankreich meckert."
Wow, Moms Begeisterung war ja kaum in Grenzen zu halten. Kate und Emily würden also auch da sein. Na, das konnte spannend werden. Drei Eltern, die alle geschieden waren. Vier ziemlich verwirrte Kinder. Ein Vater der seine angeblich toten Kinder kennen lernen würde und eine verbitterte alte Frau, die alles und jeden hasste. Kate hatte mal erzählt, dass das erste, was sie zu Emily gesagt hatte, folgende Worte waren: "Die Kleine geht mir jetzt schon auf die Nerven."
Eine gemeinere Frau war mir noch nie untergekommen. Vielleicht hatte Tess daher ihre Boshaftigkeit, die hin und wieder durch kam. Robert klatschte in die Hände. "Wunderbar."
Ja klar, alles war wunderbar. Lasst die Regenbögen erscheinen und Einhörner aus bunten Wolken tanzen. Wenn etwas definitiv nicht wunderbar war, dann war es diese Situation. Sie war peinlich, verwirrend, irgendwie traurig, wenn man bedachte, dass die Wahrheit erst nach siebzehn Jahren ans Licht kam, aber sie war nicht wunderbar.
Ich blickte Mom in die blauen Augen, die ich von ihr geerbt hatte. "Du klärst das ab. Ich bin auf meinem Zimmer, falls etwas sein sollte."
Vielleicht handelte ich in dieser Situation nicht gerade mitfühlend oder besonders unterstützend für Tess, aber ich musste mich auch irgendwann mal um meine Gefühle kümmern.
Sobald ich meine Zimmertür abgeschlossen hatte, überkam mich ein schlechtes Gewissen, Tess und Louis einfach so da stehen zu lassen. Aber ich konnte es einfach nicht mehr. Ich konnte nicht mehr. Generell. Irgendwann kam für jeden den Zeitpunkt, bei dem alle Kraft weg war. Ich hatte diesen Punkt erreicht. Auch für mich gab es ein Ende. Am meisten könnte ich jetzt einen Freund gebrauchen. Keine Cousine, keinen Bruder. Jemand komplett Außenstehenden, der mich einfach in den Arm nahm, während ich mich bei ihm ausheulte. So jemanden wie Lily. Ich verfluchte mich selbst dafür, dass Lily mir in den Kopf kam. Sie war die Person, an die ich am aller wenigsten denken wolte. Wirklich am aller wenigsten. Ich zog mir bequeme Sachen an, um mich dann einfach in mein Bett zu legen und da für den Rest des Tages nicht mehr raus zu kommen. Es war mir völlig egal, dass ich noch nicht angeschminkt war oder dass ich mir die Zähne nicht mehr geputzt hatte. Einfach alles vergessen, wenigstens für die Stunden, in denen ich schlief. Nichts desto trotz, dass es erst kurz nach siebzehn Uhr war, dauerte es nicht lange, bis ich einschlief.

billionaire teens club Opowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz