Pandora bleibt bei der Krönung ganz still. Aspyn nicht.

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Die Zwilling hasteten auf ihren hohen Schuhen ihrer Mutter hinterher, den steilen Anstieg in Richtung Schloss empor, vorbei an jeder Menge Zierbüschen und kleinen Springbrunnen. Zur Abkühlung hätte Pandora in diesem Moment viel lieber hier draußen gesessen und ihre Füße ins Wasser gehalten, als dieser dämlichen Zeremonie beizuwohnen. Wehmütig warf sie einen Blick über ihre Schulter, zurück auf den Springbrunnen, den sie gerade passiert hatten, in dessen Mitte vier steinerne Fische Wasserfontänen ausspien. Wie wundervoll kühl das Wasser sprudelte! Doch im nächsten Moment wurde sie schon von ihrem Großvater über die Schwelle ins Innere des Schlosses geschoben. „Komm Kleines, oder willst du einen weiteren Ausraster deiner Grandma riskieren?", raunte er ihr zu. Seine Mundwinkel hoben sich zu einem schelmischen Grinsen.

Auch wieder wahr. Im Inneren des Schlosses, das wie aus einem Hollywoodfilm entsprungen wirkte, musste Pandora erst einmal blinzeln, um überhaupt etwas erkennen zu können. Im Gegensatz zur Hitze draußen, fühlte sich die Kühle im abgedunkelten Flur so unwirklich wie in den großen Einkaufszentren im Stadtinneren von Phoenix, Arizona an. Ihr Großvater schob sie weiter an zahllosen Zierpflanzen und Kupfervasen vorbei. Generell war, ganz typisch für ihre Heimatstadt, relativ viel an der Inneneinrichtung aus Kupfer. Pandora blinzelte. Durch ein Fenster im Flur, das im Gegensatz zu fast allen anderen nicht von Fensterläden verdunkelt wurde, konnte sie einen Blick auf den Sunnyslope Mountain in der Ferne erhaschen. Das große weise S, das an seiner Spitze eingraviert war, hatte sie schon immer beruhigt. Wie der Anblick des Mondes. Man konnte den Sunnyslope Mountain im Norden von Phoenix fast von jedem Punkt der Stadt aus sehen. Wie die Sterne und den Mond, gewissermaßen.
Diese grässliche formelle Krönung würde bald vorbei sein. Ein Blick auf ihre Uhr verriet ihr, dass es zwei Minuten vor fünf Uhr war. Dennoch drehte sie ein wenig unruhig an ihrem Purity Ring, als vor ihnen die doppelflügige Tür aus dunklem Holz geöffnet wurde. Schweigend traten she ein, Aspyn und Pandora hoben dabei gleichzeitug den Blick zuerst auf die enorme mit Fresken verzierte Decke, zehn Meter über ihren Köpfen. Gigantisch. Der Krönungssaal erinnerte sie mit seinen vielen Holzbänken an eine Kirche. Eine Kirche mit bunten kleinen mexikanischen Bodenfließen. Überall standen Glaspyramiden, in denen Flammen züngelten. Typisch Phoenix Menschen. Am entgegengesetzten Ende, wo eine Art steinerner Alter aufgebaut war, hingen dunkelblaue Banner, verziert mit acht Flammenringen herab. In einer Art erweiterten Form der fünf Ringe der olympischen Spiele. Nur das die Ringe auf der Seite lagen, wodurch ein Ring ganz oben tronte, der zweite schäg darunter angeordnet war, der dritte wiederum schräg unter dem zweiten und so weiter. Das Symbol der acht Phoenix Clans. Vereint und doch durch eine Rangordnung in feste Kasten gezwängt. Pandora ließ ihren Blick über die Menge schweifen. Es mussten um die tausend Phoenixe anwesend sein. Fast alle Plätze auf den Bänken waren besetzt. Relativ nah am Eingang erspähten sie glücklicherweise in zwei zusammenhängenden Reihen noch ein paar freie Plätze. Sie würden hintereinander sitzen müssen, aber das machte nichts. Vor ihr bemerkte sie, wie ihre Großmutter den Rücken durchdrückte. Stolz sah sie in die Runde, so als wolle sie der ganzen Phoenixgemeinde ihre Enkelinnen auf einem Silbertablett präsentieren. Das Geplapper der nächststehenden Phönixmenschen verstummte tatsächlich, als die gesamte Pearcinson Familie aus dem Edison Clan an ihnen vorbeiliefen, was Pandora allerdings mehr Aspyns ungewöhnlicher Aufmachung zuschrieb. Gerade quetschte sie sich mit ihrer Grandma an einem Ehepaar vorbei, um an ihre Sitzplätze zu gelangen. Pandora, Lina und Arthur ließen sich auf der Bankreihe dahinter nieder. Um ein Haar hätte sich Pandora mit ihrem Kleid an dem Blumenschmuck, der jede Bankreihe schmückte, verheddert. Nur durch ein paar rüttelnde Handbewegungen konnte sie sich davon befreien. Fast hätte man glauben können, hier fände eine Hochzeit statt. Oder die Krönung des nächsten britischen Thronfolgers.

Und da ging es auch schon los. Musik ertönte, das Security Personal am Eingang stand stramm, die Leute im Saal sahen sich nach allen Seiten um.
„Wer wird hier heute nochmal zum Oberheini gekrönt?", hörte Pandora ihre Schwester fragen.
„Psst", zischte ihre Grandma. „Daryan Sutrey natürlich."
Sutrey ... also wieder einer aus der Obrey Familie, wen wunderte es auch. Sie standen auf Platz eins der Rangordnung. Wie der Pearcinson Clan mit den Suelos fochten die Obreys seit Jahren einen erbitterten Streit mit dem Allingtor-Clan aus, die auf Platz zwei in der Hierarchie standen und forderten, dass wie in früheren Zeiten abwechselnd ein Mitglied der Obrey und der Allingtor Familie regierte. Bisher fand dieser Vorschlag auf wenig Gehör.
Pandora schloss die Augen. Sicher so ein alter Mann, wie das letzte Oberhaupt, das vor kurzem einem Herzinfarkt erlegen war. Aber Orbitron Worrey war kinderlos geblieben, deshalb musste jetzt sein Bruder oder eines dessen Kinder an die Reihe kommen. Doch Pandora kannte sich mit der Phoenix Politik zu wenig aus, um zu wissen, wer wer war und nun an die Reihe kommen musste. Im Grunde genommen war ihr auch egal, wer von nun an über die Belange der Phoenix-Menschen entschied. Das Oberhaupt verließ sich so oder so auf die immer gleichen Berater. Im Geiste ging sie lieber ihre Rede durch, die sie für das kommende Treffen ihres Keuschheitsclub vorbereitet hatte. So war diese Zeit hier im Schloss wenigstens nicht ganz verschwendet.

Games of Flames [Leseprobe]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt