Auf dem Ball jagt eine Katastrope die nächste

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"Kann schon sein." So, als hätte sie es bereits vergessen, hob und senkte Pandora beide Schultern. Wahrscheinlich war Daryan in Calentas Augen der verdammte Prinz auf seinem weißen Gaul, wohingegen er für Pandora nach dem Enten-Vorfall und der Sache mit dem Fuß ziemlich viele Sympathiepunkte eingebüßt hatte. Außerdem gehörte er zur Bonzen-Oberschicht.
Calentas Augen verengten sich. "Du tust so, als hättest du nichts für ihn übrig, ja?"
"Ich tue nicht nur so, sondern so ist es auch." Pandora stellte ihr Wasserglas etwas heftiger als nötig auf dem Stehtisch ab. "Außerdem ist Drew mein Balldate."
Als sein Name fiel, hob Drew kurz den Kopf. Wie ein Bullterrier, der sich dann aber wieder seinem Lieblingsspielzeug zuwandte. Dem Verband, an dem er herumpulte.
"Ist vielleicht auch besser so", Calenta spielte an ihren Haaren, wobei sie Pandora mit einem geringschätzigen Blick bedachte. "Daryan kann Jede haben und das weiß er auch. Er wirft geradezu mit Geld um sich, um ein Mädchen zu beeindrucken. Aber sobald sie einwilligt, mit ihm zusammen zu sein, verliert er das Interesse und lässt sie fallen wie ein abgebranntes Streichholz."
Aha. So etwas in der Art hätte sie sich selbst denken können, schließlich war Daryan im Obrey Clan aufgewachsen und sicher die ganze Zeit auf seine Rolle als zukünftiges Oberhaupt vorbereitet worden. Natürlich betrachtete er Mädchen nur als Trophäen. Mehr nicht. Aber das war auch nicht ihr Problem. Dennoch versetzten Calentas Worte Pandora einen kleinen Stich. Sie biss sich auf die Lippe. Eigentlich sollte ihr alles, was mit Daryan Sutrey in Verbindung stand, absolut egal sein. Und trotzdem ... kam ihr so vor, als hätte er sie um irgendetwas betrogen. Aber um was?

Gerade als Pandora darauf hinweisen wollte, dass es für sie langsam Zeit wurde nach Hause zu gehen, brach plötzlich ein Tumult an den Türen des Ballsaals aus. Leute schubsten sich herum und es roch nach verbrannten Haaren. Sofort liefen Drew und Calenta los. Ihre Freundinnen und Pandora folgten den beiden. Oh, oh! Und dann hörte sie das Heulen. Ein Heulen wie von einer Autoalarmanlage? Hörte sich fast so an. Ja, jetzt war sich Pandora fast sicher. Als sie an der teilweise verglasten Außenwand ankam, konnte sie auch die Rauchwolke sehen, die offenbar von einem ausgebrannten Wagen ausging.
Plötzlich war Aspyn an ihrer Seite. "Was ist da los?"
"Ich nehme an, jemand hat das Auto eines verfeindeten Clans in die Luft gejagt. Das Übliche eben ..." Eine typische Abendbeschäftigung, wenn sich zu viele Phoenixe auf einem Haufen befanden. Die Zwillinge sahen sich in der Menge um, ließen ihre Blicke über alle anwesenden Clans gleiten, winkten dabei einigen Edison Clanmigiedern, die sie bisher sträflich vernachlässigt hatten zu, um zu signalisieren, dass es ihnen gut ging. Irgendwann stieß Aspyn ihre Schwester in die Seite. "Da!"
Pandora folgte ihrem Blick. Eine Gruppe relativ junger Phonixe, alle nur wenige Jahre älter als sie selbst standen feixend am Rand des Geschehens. "Wagnox Clan", wisperte Aspysn, "wetten die waren es?" Damit lag sie vermutlich richtig. In letzter Zeit nahmen diese Vorfälle zu. Sogar heute, am Krönungstag, ließen sie es sich nicht nehmen, sich gegenseitig eins auszuwischen.
Calenta, die nach draußen gerannt war, kam zurück an Drews Seite. "Das Auto meines Dads", keuchte sie, "Dad's Jeep brennt."
Gemurmel setzte ein. Selbst die Musik verstummte.
<<Wenigstens hat es dieses Mal die Richtigen getroffen>>, meinte Aspyn. Nein, sie war kein Fan von Calenta Applebrin und deren Familie. So schnell wie sie gekommen war, verschwand Calenta wieder, flankiert von ihren Freundinnen. Pandora fragte sich, wie Calenta es geschafft hatte, die Cliquenchefin zu geben, schließlich konnte man deutlich sehen, dass ihre Freundinnen Obreys oder zumindest Allingtors sein mussten. Warum gaben die beiden sich mit ihr ab?
Inzwischen legte sich das Gewusel im Saal ein wenig. Alle Phoenixe schienen zu ihren Clans zu finden. Etwas, was Pandora und Aspyn noch nie verstehen konnten. Und auch jetzt fühlte Pandora nicht die geringste Lust weitere Mitglieder ihres Clans zu suchen, die sich zweifelsfrei in irgendeiner Ecke wie Pinguine zusammengerottet hatten.
Irgendjemand musste das Feuer in den Griff bekommen haben, denn die Rauchsäule erstarb langsam.
Merkwürdige Geräusche ließen die Schwestern innehalten. Als sie sich zwischen den Gästen umsahen, bemerkten sie, wie sich mehrere Handgemenge ausbreiteten. Ganz offensichtlich trugen der Lubrin und der Wagnox Clan ihre aktuellen Streitigkeiten gerade von Faust zu Faust aus. Mehr und mehr Phoenixe sprangen ihren Clanmitgliedern bei, bis eine Massenschlägerei entstand.
Pandora schlug sich die Hand vor den Mund. Als nächstes suchte sie unauffällig die Menge nach Daryan Sutrey ab, konnte ihn aber nirgendwo erkennen. Nach einer Weile gab sie es auf und tröstete sich mit dem Gedanken, dass das Oberhaupt wahrscheinlich von seinen Bodyguards in Sicherheit gebracht worden war. Eine Flamme zischte über die Streithähne hinweg, sammelte sich dann über ihren Köpfen in einer ungewöhnlichen Form Pandora runzelte die Stirn. Aus Feuer geformt schwebte jetzt ein riesiger zweidimensionaler Berg mit zwei Wolken über der Menge. Ganz ähnlich dem Sunnyslope Mountain. Umrandet wurde der Berg von einem Feuerring. Es war das Wappen des Wagnox Clans.
Aspyn stöhnte. "Immer diese Kindereien. Bis einer heult."
Da hatte sie Recht. Phoenixe waren für ihre beinahe kindische Streitlust bekannt. Vielleicht fehlte ihnen die Ernsthaftigkeit der unentflammten Menschen, die nicht an Magie glaubten. Denn Phoenixe waren an ihre Gaben und magische Flammen gewöhnt. Trotzdem nervten Pandora die ewigen Fehden zwischen den Clans. Streitlust hin oder her.
"Wird denen das denn nie langweilig?", seufzte Matt.
Als hätte er ihn damit persönlich beleidigt fauchte Drew ihn an: "Das sagst du so leicht! Ihr Orwinds haltet euch ja aus allem raus!" Und damit rauschte er davon, warf sich mitten ins Gedränge. Das Letzte, was Pandora an diesem Abend von ihrem Date sah, war wie er einen Rothaarigen Jungen im Nacken packte und zurückriss.
Gleichzeitig stürmten ihre Großeltern auf sie zu. "Da seid ihr ja, Mädchen", keuchte der Hulk, "habt ihr eure Mutter gesehen?"
Aspyn zuckte mit den Schultern. "Nein, aber vermutlich ist sie bei ihrem Brennan-Tierpfleger."
Darüber schien ihr Großvater gar nicht glücklich zu sein. "Lina hat ein Date mit einem Mann aus dem Brennan Clan?" Seine Stimme klang ungläubig.
"Darum kümmern wir uns später." Der Hulk zog die Mädchen ein Stück vom Gedränge weg. "Mister Eastlind, ich muss meine Enkelinnen kurz entführen, bringe sie Ihnen aber gleich wieder zurück!"
Matt hob eine Hand und lächelte. Eigentlich war er zu nett für Aspyn, fand Pandora.
"Und wie waren eure Dates?", wollte der Hulk jetzt im Flüsterton wissen.
"Naja ...", machten die Zwillinge gleichzeitig, "geht so." Sie kicherten.
"Aha. Und was hast du die ganze Zeit mit Daryan Sutrey zu schaffen gehabt, Pandora? Hat er dich zufällig auf ein Date eingeladen oder so?" Ihre Großmutter versuchte betont beiläufig zu klingen, doch Pandora wusste, wie sehr sie auf ihre Antwort brannte. "Nunja, wir haben nur geredet und getanzt. Ehrlich gesagt, hat er sich ziemlich oft über mich lustig gemacht, also ... bin ich wohl eher sowas wie sein Hofnarr für ihn."
Aspyn kicherte. "Ich möchte auch, dass du mein Hofnarr wirst."
"Halt die Klappe, Aspyn!"
"Aha ..." Ihre Großmutter starrte ins Leere. Wahrscheinlich war sie enttäuscht, dass Pandora es an diesem Abend unter all den anwesenden Jungen nicht geschafft hatte, den Phoenix fürs Leben zu finden. Unauffällig verdrehte Pandora die Augen.
Eine Weile schwiegen sie, bis auf einmal Drew mit zwei Männern, die wie eine ältere Version von ihm aussahen, kamen. Zu Dritt wirkten sie wie missgelaunte Mafia Mitglieder und alle drei wiesen sie diese merkwürdigen spitzen Knicke am oberen Ende ihrer Ohren auf. "Ah, die Familie Acewrin", nickte Arthur Pearcinson. Die Männer nickten zurück. Dann handelte es sich hierbei wirklich um Drews Vater und Onkel. Der Onkel, Hector Acewrin verzog das Gesicht, was ihm den Ausdruck eines Pitbulls mit Zahnschmerzen verlieh. "Mein Auto ist komplett ausgebrannt. Verdammte Wagnox Bastarde! Ich muss mit Daryan Sutrey sprechen. Wisst ihr Mädchen, wo er steckt?" Ein wenig verwirrt sah er zwischen Aspyn und Pandora hin und her, die er offensichtlich nicht auseinander halten konnte. "Mit welcher hattest du das Date?", raunte er dann seinem Neffen Drew zu. Der nickte in Richtung Pandora. Offenbar hatte er sich sowohl die Farbe ihres Kleides, als auch die Tatsache, dass sie an diesem Abend viel mit Daryan zu tun gehabt hatte, gemerkt. Danach musste er seinem Onkel erzählt haben, dass sie womöglich wusste, wo der neue Phoenix Anführer zu finden war. Das nahm sie zumindest ihren Überlegungen nach an. Innerlich schnaubte Pandora. Hätte sie doch heute Abend bloß eine Magen-Darm-Grippe vorgetäuscht und wäre im Bett geblieben!
Alle drei Acewrin Männer hoben fragend die Augenbrauen.
"Tut mir leid, ich weiß wirklich nicht, wo unser neues Oberhaupt gerade steckt. Wir sind keine Freunde oder so."
Einen Moment lang sah es so aus, als wolle Aspyn sich einmischen, wahrscheinlich um anzumerken, dass Pandora lediglich Daryans Hofnarr war, doch dann trat Matt von hinten an Aspyn heran. Er legte einen Arm um ihre Taille, was sie verstummen ließ. Dieser Orwind Junge wurde Pandora langsam sympathisch!
Aspyn räusperte sich. "Ähm Matt, würdest du uns noch etwas zu trinken holen?"
Matt nickte und ging gefolgt von Arthur Pearcinson los, um den Frauen Cocktails von der Bar zu besorgen.
Während die Acewrin Männer noch zögerten, sich dann aber widerstrebend von Pandora, Aspyn und ihrer Großmutter verabschiedeten, kam hinter Beth ein Knäul aus mehreren sich prügelnden Phoenixen herangerauscht. Zwei hochgewachsene Teenager fingen an, sich zu schubsen, was darin endete, dass einer den anderen gegen den Rücken von Beth stieß. "Au!" Pandoras und Aspyns Großmutter hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht eine Hand an den Rücken, stolperte dabei gegen Pandora. "Granny, alles okay?"
Ihre Großmutter riss die Augen auf, sank dann in den Armen ihrer Enkelin zu Boden. "Ich kann nicht atmen", röchelte sie. "Meine Lunge."
Vor Schreck keuchte Pandora auf, klammerte sich dabei an die Arme ihrer Grandma.
"Ich ersticke", japste die jetzt. "Ihr müsst mich heilen!"

Games of Flames [Leseprobe]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt