Pandoras Albtraum wird wahr

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Unfähig selbst den Blick abzuwenden, schluckte Pandora. Nach zwei Herzschlägen räusperte sich ein Berater. „Im Garten werden Ihnen nun ein paar Erfrischungen gereicht. Um sieben Uhr finden Sie sich bitte alle im großen Ballsaal ein." Eine weitere Fanfare ertönte, worauf sich alle Gäste erneut erhoben. Der Obrey König, auf dessen Gesicht sich nun ein zufriedenes Lächeln abzeichnete, begann den Gang hinab zu schreiten, in Richtung Ausgang. Andächtig neigten die meisten Leute an denen er vorbei ging den Kopf. Mit Ausnahme einiger störrischer Allingtors verstand sich.

Als Daryan Sutrey am Ende an Pandora vorbei ging, wandte er urplötzlich den Kopf in ihre Richtung. Seine eisblauen Augen schienen sie und nur sie anzustrahlen. Sein Lächeln, als er sie sah, wurde breiter. Flirtete das neue Oberhaupt der Phoenixe etwa mit ihr? Mit ihr, Pandora Pearcinson aus dem Edison Clan, der auf Rang 6 von 8 also quasi ziemlich weit unten rangierte. Nur mit sehr viel Mühe gelang es Pandora ihre Gesichtszüge nicht entgleiten zu lassen, sondern eine relativ gelassene Miene beizubehalten. Aber so schnell wie es passierte, war ihr Blickkontakt auch schon wieder vorüber und Daryan Sutrey verschwand in Richtung Garten. Oh großer Gott, sie würde ihn gleich bei diesem Umtrunk  wiedersehen! Und später auch auf dem Ball! Auf irgendeine Weise machte ihr diese Vorstellung richtiggehend Angst. Mit Schweißperlen auf der Stirn begann sie wie wild an ihrem Purity Ring zu drehen.

<<Sag mal, wirst du gerade rot?>>, fragte Aspyn über das Zwillingsband, „stehst du etwa auf diesen Schnösel? Geht's noch? Kann ich mich eigentlich von dir entzwillingen? Vielleicht wenn ich meinen Namen ändere und mich einer Schönheits-OP ...>>

<<Klappe!>> Mit aller Macht brach Pandora die Verbindung zu ihrer Schwester ab. In ihrem Inneren brodelte es. Beim Hinausgehen ließ sie sich betont viel Zeit, verlor dadurch sogar den Anschluss an ihre Familie. Aber das machte ihr nichts. Ihrem Clan würde sie so oder so nicht entkommen können. Hin und wieder wurde sie von anderen Phoenix Menschen zur Seite geschubst, was Pandora jedoch kaum wahrnahm. Komischerweise sah sie immer noch dieses perfekte Gesicht mit den weichen Zügen und dem sanften Lächeln, das nur ihr galt, vor sich.

Aber hey, er war das neue Phoenix Oberhaupt und sie hatte sowieso kein Interesse an Männern und alldem was dazugehörte, bis sie ihren Collegeabschluss hatte und damit im heiratsfähigen Alter war. Zumindest sah das ihr Lebensplan so vor.

Zögerlich stolperte sie irgendwann doch noch nach draußen. Aber halt, sie musste  sich der feinen Gesellschaft eigentlich nicht anschließen. Dieser Umtrunk war im Gegensatz zur Krönung und zum Ball keine Pflichtveranstaltung. Zumindest sah Pandora das so. Sie richtete ihren Blick nach Westen, wo langsam die Sonne hinter dem Sunnyslope Mountain unterging. Ein wunderschöner Anblick, von dem sie nie genug würde bekommen können. Genau deshalb hatte ihre Mom auch eine Wohnung hier in der Nähe, im Nordosten der Stadt gemietet. Damit sie den Sunnyslope Sonnenuntergang bewundern konnten. Ihr Herzrhythmus beruhigte sich dadurch ein wenig. Da fiel ihr plötzlich wieder ein, dass sie vorhin nach einem kühlen Fußbad gelechzt hatte. Immer noch waren die Temperaturen etwas zu heiß, um sich nicht im Schatten aufzuhalten, aber das würde sich bald ändern, wenn die Nacht herein brach. Unauffällig sah Pandora sich um. Ihre Füße hatten sie wie von allein zu einer einsamen Ecke des Parks, nahe des Eingangstors getragen, wohingegen sich die Gäste wohl im hinteren Teil am Teich aufhielten.

Weit und breit war niemand zu sehen, noch nicht mal ein Security Mitarbeiter. Also zog sich Pandora ohne weiter nachzudenken ihre hochhackigen Schuhe aus. Der nächste Springbrunnen war weniger als zwanzig Meter entfernt. Sehr großzügig angelegt, erstreckte sich der kreisrunde Brunnen über mehr als zehn Meter. Dankbar über die Abkühlung glitt Pandora auf die weiße Steinumrandung und ließ ihre Füße im Wasser baumeln. Endlich Ruhe und Entspannung. Keine Familie, keine nervige Schwester, die sie über das mentale Band zu kontaktieren versuchte ... Herrlich. Doch kaum hatte sie die Augen geschlossen, ertönte ein Geräusch, das ihr sofort das Adrenalin ins Gehirn schießen ließ. Ein Geräusch, das für Pandora eins der allerschrecklichsten auf der Welt bedeutete. Eine Ente quakte. Als sie die Augen öffnete, bemerkte sie die Entenfamilie sofort, die auf sie zuwatschelte. Zwei erwachsene Tiere und drei halbwüchsige, nicht mehr ganz so kleine Jungtiere. Vor Schreck wäre Pandora beinahe kopfüber in den Brunnen gekippt. Gerade noch rechtzeitig krallte sie ihre Fingernägel in den Stein. <<Was ist los?>>, wollte Aspyn über das Zwillingsband wissen. <<Alles in Ordnung?>> Sie musste Pandoras Angst gespürt haben.

<<Enten, Enten, Enten! Hilfe>>

<<Ach so, nur das Federvieh. Dann bis später, ciao!>>

Stille.

Ach, dieses Miststück. Aspyn kümmerte ihre Entenphobie mal wieder herzlich wenig. Aber dafür würde sie sich später mit einer Handvoll Käfer oder Spinnen rächen! Na toll. Auf ihre Schwester konnte man sich nie wirklich verlassen. Dann war sie also auf sich allein gestellt. Hastig sprang Pandora auf. Kleine Steinchen bohrten sich in ihre Fußsohlen. Doch das war ihr in diesem Moment egal. Sobald sie einige Schritte gemacht hatte, bemerkte sie, dass ihr das Federvieh folgte. Sie beschleunigte ihre Schritte, einmal um den Brunnen herum. Die Entenfamilie nahm die Verfolgung auf. Laut quakend watschelten sie hinter ihr her. Konnte dieser Abend noch schlimmer werden? Noch eine Runde ging das so, dann noch eine Runde um den Brunnen herum. Immerhin konnte sie sich dieses Mal ihre Schuhe schnappen. Himmel! Wie lange sollte das noch so weiter gehen? Ihr Herz schlug ihr so heftig gegen die Brust, als hätte sich seine Größe in den letzten Minuten verdoppelt. Nur durch permanentes in Bewegung bleiben, so glaubte sie, konnte sie verhindern, dass ihr die Enten in die Füße pickten. Denn davor plagte sie die allergrößte Angst, weswegen es ihr sicherer erschien, den steinernen Brunnen zwischen ihnen zu lassen, als einfach kopflos über die Wiese zu rennen. Außerdem würde sie sich damit zum Gespött der versammelten Gäste machen. Ihr Herz hämmerte Pandora in der Brust. Warum nur hatten es Enten nur immer auf sie abgesehen? Schnaufend sprang sie über eine Wurzel.

„Was soll das denn werden? Ententanz?" Die Stimme ertönte so überraschend, dass Pandora zusammenzuckte. Sie sah sich nach allen Seiten um, stoppte dann so abrupt, dass die Enten einen Vorsprung gewannen. Daryan Sutrey, neuestes Phoenix Oberhaupt stand mit verschränkten Armen neben einem Rosenstrauch ganz in der Nähe. Inzwischen ohne Krone aber immer noch mit Obrey Umhang. „Gehört das alles zur Show heute Abend? Führt ihr gerade die Generalprobe auf?" Er lachte und konnte ganz offensichtlich gar nicht mehr damit aufhören.
Wie bitte? Dieser Idiot, hatte ja wohl den Schuss nicht gehört! Augenblicklich lief ihr Gesicht noch röter an. Wenn Pandora etwas wirklich hasste, dann war es ausgelacht zu werden! Etwas piekste sie in die Wade. Eine Ente hatte sich vorgewagt und mit dem Schnabel in ihren Fuß gekniffen.
Unter lautem Gekreische rettete sich Pandora auf die Steinumrandung des Brunnens und sprang dann ins Wasser. Glücklicherweise ging es ihr nicht mal bis zu den Knien, weswegen ihr Kleid trocken blieb als sie hindurchwatete.
Vom Rosenstrauch her ertönte Gelächter. „Bei allem Respekt, diese Enten müssten Sie mal erziehen, nichts gegen Sie, Eure Hoheit", keuchte sie dann, ohne Daryan anzusehen.
„Ach ja? Soll ich sie vielleicht in die Enten-Benimm-Schule schicken? Wirklich, du solltest Geld für diese Aufführung nehmen." Mittlerweile machte sich der Obrey-König nicht einmal mehr die Mühe sich das Lachen zu verkneifen.

Auf der anderen Seite kletterte Pandora wieder aus dem Brunnen. Ihr blondes Haar klebte ihr verschwitzt im Nacken. Nach einem Blick zurück, bemerkte sie, dass die beiden großen Enten ebenfalls nach oben auf die Steinumrandung geklettert waren. Ach verdammt! "Darüber macht man keine Witze! Ich habe eine Entenphobie!"
„Ach, ist das so?" Grinsend kam Daryan auf sie zu. „Hey Entenvolk, Abmarsch! Zack, zack!" Er klatschte mehrmals in die Hände und das so nah bei den Enten, dass auf einmal sie die Gejagten waren und hastig das Feld räumten. Tatsächlich wackelten sie schneller von dannen, als sie gekommen waren. Unfassbar, warum gelang ihr das nie? Pandora hatte immer das Gefühl, dass Enten keinerlei Respekt vor ihr zeigten, im Gegenteil: Enten schienen sie tot sehen zu wollen ...

Unfähig sich zu bewegen stand Pandora einfach weiter auf der steinernen Brunnenumrandung. Die Haare verstrubbelt, den Tüllrock durcheinander gebracht und ihre Schuhe in der Hand sah sie den Enten mit offenem Mund hinterher.
„Äham", räusperte sich Daryan Sutrey, „darf ich dir vielleicht herunter helfen?"
Verwirrt blinzelte sie ihn an. Wie war er jetzt so schnell zu ihr gekommen? Ihr Gehirn weigerte sich zu funktionieren und eine Entscheidung zu treffen, also starrte sie nur weiter auf seine Hand, die er ihr hinhielt, ohne sich zu rühren.
„Schockstarre?", Daryans Lächeln wurde breiter. Dann, vollkommen unerwartet packte er Pandora einfach mit beiden Händen an der Taille und hob sie vom Brunnenrand herunter.
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