Warum ◇ Repräsentation so wichtig ist

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Ein Erfahrungsbericht

Repräsentation. Eines der Themen, für die dieser Account steht. Wir wollen mehr PoC (People/Person of Colour) und andere Ethnien sehen, mehr Vielfalt.
Aber wieso?

Viele stellen sich die Frage, wieso sie PoC in ihren Werken mit einbringen sollten. Sind ja schließlich ihre Werke. Man hat sich die Charaktere ausgedacht und wenn jeder blond und blauäugig ist, dann ist das eben so. Kreative Freiheit und so.

Man will sich ja nicht vorschreiben lassen, wie man sowas wie Schreiben, was eine durch und durch kreative Tätigkeit ist, zu tun und zu lassen hat. Deswegen hat man sich ja dieses Hobby ausgesucht, um eben nicht nach Regeln zu handeln.

Ich gebe euch Mal einen Einblick in die andere Seite. Die Seite, die damit aufgewachsen ist, weiße Helden zu sehen, mit Love Interests, die fünf Hauttypen heller sind als man selber. Die sich nie mit einem Charakter hundertprozentig identifizieren konnte.
Und die Seite, der gesagt wurde, man sei nicht interessant. Dazu ist die Haut zu dunkel, die Nase zu breit, die Lippen zu voll und die Haare zu lockig. Sonst hätte man sie ja öfter im Fernsehen gesehen.

Ich habe dazu vor kurzem erst ein Eintrag in meinem Buch "100 Days of Burkina" gemacht, weshalb sich manche Punkte wiederholen werden, aber so ein Kapitel wollte ich auch hier rein bringen.

Früher habe ich mir nie etwas dabei gedacht, dass ich anders als meine Freunde aussehe. Ich meine, im Kindergartenalter bemerkt man sowas zwar, aber es interessiert einen nicht. Bis ich im Sandkasten Nigger genannt wurde.

Das ist das erste Mal gewesen, dass mir bewusst geworden ist, dass ich anders bin. Ich wusste nicht, was das bedeutet, aber es hat sich wie ein Schimpfwort angehört und es war eindeutig an mich gerichtet und keiner meiner Freunde wurde jemals so genannt, also musste es mit meinem Aussehen zu tun haben, das ist schließlich das Einzige gewesen, was uns unterschieden hat.

Ich wusste also, dass es eine Beleidigung gibt, die extra auf mich zugeschnitten ist. In dieser Zeit ist mir auch aufgefallen, dass meine Lieblingsserien als Kind immer Titelfiguren hatten, die ich zwar mochte, die aber anders aussahen als ich, genauso in Büchern. Ich habe Die Drei !!! und Das magische Baumhaus geliebt, aber es hat nie jemanden gegeben, wo ich mir gedacht habe: Da ist jemand, der so ist, wie ich. Bei einem Mal stört das nicht, auch nicht bei fünf oder zehn Malen, aber mir wurde es konstant gezeigt. Jahrelang. Hunderte von Büchern, Serien, Filmen.

Das hat sich übrigens auch später nicht geändert. Das erste Buch, was ich gelesen habe, wo impliziert wurde, dass der Hauptcharakter PoC ist, war neben Tribute von Panem, welchen Aspekt die Filme ja leider etwas zu nichte gemacht haben (kein Shade an Jennifer Lawrence, i love her), Legend von Marie Lu. Da war ich fünfzehn. Es ist eine Dystopie, wie viele Bücher, die ich in dem Alter gelesen habe und gerade da müsste man meinen, dass es mehr Diversität gibt, spielt ja in der Zukunft, aber Fehlanzeige. Abgesehen von Katniss fallen mir auch jetzt keine Dystopien ein, die PoC als Leadfigur haben. Aber wieder zurück zu meinem Grundschul-Ich.

Ich habe also niemanden jemals gesehen, der mir gezeigt hat, du kannst das genauso gut wie alle anderen. Wenn es mal einen schwarzen Charakter gegeben hat, dann war er dazu da, um dem weißen Protagonisten zu helfen und hat niemals begehrenswert gewirkt. Er war da und das wars.

"Eine aktuelle Studie fand etwa in nur vier Prozent der 2018 in Großbritannien veröffentlichten Kinderbücher einen Hauptcharakter of Color vor. Dabei hat der englischsprachige Buchmarkt europaweiten Vorbildcharakter, was Diversität und Repräsentation angeht" (https://www.zeit.de/kultur/literatur/2020-02/kinderbuecher-diversitaet-julian-ist-eine-meerjungfrau-jessica-love)

Vier Prozent ist ein Vorbild. Stellt euch dann mal vor, wie es in Deutschland aussieht. Ich habe öfter über Tiere (die zweitmeiste Gruppe von Hauptcharakteren, hinter Weißen) als über "mich selbst" gelesen.

Und dieses Bild habe ich verinnerlicht.
Ich wollte weiß sein. Das ist mein größter Wunsch gewesen.

Glatte Haare, helle Augen, die Person sein, die immer gezeigt wurde.
Ich habe alles dafür getan, um in ein Bild zu passen, dass von vornherein nicht für mich bestimmt gewesen ist.

Das hat mit sieben angefangen und ging bis ich fünfzehn oder sechzehn war.

Nur zum Vergleich: Ich bin neunzehn, an die ersten drei Lebensjahre erinnert man sich ja nie sonderlich, was heißt, dass mir sechzehn Jahre bleiben, die ich bewusst erlebt habe. Von diesen sechzehn Jahren habe ich neun mein Aussehen gehasst. Wirklich gehasst. Ich habe ungefähr in dem Alter angefangen zu schreiben und mein siebenjähriges Ich war der Überzeugung, der nächste Goethe zu sein und hat ein Gedicht geschrieben. Ich habe das Gedicht nicht mehr, aber ich erinnere mich an eine Zeile: Ist es, weil ich anders aussehe?

Ich wollte weiß sein. Einerseits, weil manche Leute mich als Mensch zweiter Klasse gesehen haben, andererseits aber auch, weil dieses Bild von allen Seiten zementiert wurde. Ich bin halt nicht so interessant. Mit einem Charakter wie mir kann man nicht so viel Geld machen, das guckt niemand.

Hätte mehr Repräsentation daran etwas geändert?
Ja. Denn mehr Repräsentation hätte nicht nur mir selbst gezeigt, dass ich normal bin, sondern auch allen anderen. Alle in meinem Alter sind ja auch mit den gleichen Serien aufgewachsen und haben nie jemanden wie mich gesehen. Wenn einem von klein auf also gesagt wird, dunkle Haut sei anders, verinnerlicht man das natürlich.

Deshalb habe ich mir selbst als Richtlinie gegeben, immer PoC als Lead-Charaktere zu haben, denn mein Ziel ist erreicht, wenn auch nur einer Person das erspart bleibt, was ich gedacht und gefühlt habe.

Ich erwarte nicht, dass irgendjemand sich dieser Regel anschließt, ich habe sie mir schließlich selber gegeben, und ich will auch nicht, dass jemand Mitleid hat und es deswegen macht. Es sollte kein Zwang sein, schwarze Charaktere zu schreiben; es sollte einfach gemacht werden, weil die Welt so ist.

Weil ihr, auch wenn Schreiben kreativ ist und der Kreativität keine Grenzen gesetzt sind, immer noch eure Leser beeinflusst. Ob ihr es wollt oder nicht, wenn ihr eure Werke veröffentlicht, sind sie für jeden zugänglich. Und sie sind auch für Leute wie mich vor ein paar Jahren zugänglich, die noch nicht dieses Selbstwertgefühl bekommen haben.

Wenn nach mehr Diversität gefordert wird, will niemand eure Kreativität einschränken. Wir wollen uns einfach selber sein und keine Quote sein. Wir wollen als Mentor, Love Interest, Kommissar, Arzt, Politiker, Lehrer und was es nicht alles gibt, auftreten und nicht nur, wenn überhaupt, der Sidekick sein, dessen einzige Eigenschaft es ist, schwarz zu sein.

Wir wollen behandelt werden wie weiße Charaktere, die Hautfarbe macht nämlich kein Unterschied.

- Rose Lilae

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