Wie ◇ man Geschlechterstereotype einfach umgehen kann

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Da wir alle mit Geschlechterstereotypen aufgewachsen sind und es echt schwer sein kann, sie abzulegen, habe ich mir einen kleinen Schreibtrick ausgedacht. Es ist eher eine Übung, aber vielleicht hilft sie ja dem ein oder anderen. 

Die Idee ist, dass man, nachdem man eine Szene geschrieben hat, die Pronomen der Figuren einfach austauscht. Also: Aus Er wird Sie. Aus der besorgten Mutter wird der besorgte Vater. Aus dem schüchternen Mädchen wird der schüchterne Junge. Aus dem Kerl, der voll auf Autos abfährt, wird die Frau, die voll auf Autos abfährt. 

Ich habe hier mal einen (sorry, sehr klischeehaften!) Beispieltext geschrieben:

Dort stand er: Groß und gutaussehend, die Haare und Augenbrauen dunkel, die Gesichtszüge kantig. Er betrat den Raum, als würde er hier Zuhause sein, ging zielstrebig auf die Bar zu und bestellte sich ein Bier. Sie beobachtete ihn und spürte ihren Herzschlag schneller werden. Nervös strich sie sich die Haare hinters Ohr. Hitze schoss ihr ins Gesicht, als sich ihre Blicke trafen. 

Wenn man die Pronomen ganz einfach austauscht, wird daraus ein völlig anderer Text: 

Dort stand sie: Groß und gutaussehend, die Haare und Augenbrauen dunkel, die Gesichtszüge kantig. Sie betrat den Raum, als würde sie hier Zuhause sein, ging zielstrebig auf die Bar zu und bestellte sich ein Bier. Er beobachtete sie und spürte seinen Herzschlag schneller werden. Nervös strich er sich die Haare hinters Ohr. Hitze schoss ihm ins Gesicht, als sich ihre Blicke trafen. 

Merkt ihr den Unterschied? Es ist nur eine kurze Szene und trotzdem macht es meiner Meinung nach viel aus. 

Das praktische an diesem Trick ist, dass man sich nicht im Vorfeld darüber den Kopf zerbrechen muss, wie man Stereotype umgeht. Trotzdem hat man hinterher beim Lesen diesen "Aha-Effekt", weil man sieht, an welchen Stellen man ganz automatisch Stereotype benutzt hat. 

Bei meinem Beispiel wären das: 

- Mädchen sind schüchtern, Jungs selbstbewusst und cool

- Jungs sind immer groß, gutaussehend, haben markante Gesichtszüge

- Mädchen sind nervös, werden schnell rot

Fallen euch noch mehr auf? 

Ich finde es total spannend, so mit den Pronomen herumzuspielen. Kommentiert gerne, falls ihr es ausprobiert habt und noch andere solcher Ideen habt! 

Übrigens lässt sich diese Methode natürlich auch auf andere Menschengruppen anwenden. Man könnte zum Beispiel eine schwarze und eine weiße Figur einer Geschichte im Nachhinein einfach austauschen und schauen, was passiert. 

- onflowers

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