Gastbeitrag ◇ Auf dem Weg zur Selbstliebe

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Vor ein paar Jahren sah ich ein Video über eine etwas korpulentere Frau, welche mit ihrem Neffen bei McDonalds saß und einen Hamburger aß. Der Junge hatte sich dies zum Geburtstag gewünscht und obwohl sich diese Frau so unwohl in ihrem Körper fühlte und wusste, dass die Menschen am Nebentisch anfangen würden über sie zu reden, wie sie denn nur Fastfood in sich "reinstopfen" könne, obwohl sie ja schon „soo dick" war, tat sie ihm den Gefallen. Als sie dann da saß und am liebsten im Boden versinken wollte, sagte sie, dass es für sie besonders schlimm sei, da sie eigentlich gerade einen ihrer Abnehmerfolge feierte, weil sie schon 20 Pfund abgenommen hatte und sich nun am liebsten den Finger in den Hals stecken wollte.

Dieses Video trug dazu bei, dass ich anfing bewusster darüber nachzudenken, wie ich Menschen beurteile.

Als kleines Kind verurteilte man andere nicht, man achtete auch nicht darauf, wie man selbst aussah, weil das Wichtigste woran man denken konnte war, wie man aus Schlamm, Sand und Gras eine Mahlzeit für das Restaurant zaubern konnte. Diese Welt in der man lebte war magisch und zauberhaft. Und dann, bei mir war es in der Grundschule, fing ein Mädchen in der Sportkabine damit an, dass es zu dick sei. Ich sah sie an und mir fiel auf, dass sie wirklich sehr dünn war, was ich ihr auch sagte.

Sie sah mich von oben nach unten an und erwiderte, dass sie zu dick sei und abnehmen müsse. Und von da an, war Nichts mehr so wirklich wie es vorher war, die magische Welt wie eine Seifenblase zerplatzt. Ich schiebe es auf das Fernsehen, denn im Nachhinein muss ich auch wirklich meinen Eltern dafür danken, dass ich so Sendungen wie GNTM und GZSZ nie schauen durfte, weil es dort wahrscheinlich für alle anderen begann. Wenn meine Mitschülerinnen darüber sprachen, dass GNTM laufe und das ja voll cool ist und die „Mädcheeen" so schön, groß und schlank seien, interessierte es mich nicht wirklich, aber in der Schule begann ich mich dann irgendwann auch zu vergleichen, was mir nicht gut getan hat.

Mein ganzes Leben lang machte ich sehr viel Sport und war eigentlich jeden Tag in einem anderen Verein unterwegs. Zudem spielte ich auch noch als einziges Mädchen in der Schulmannschaft Fußball und tanzte Zuhause den ganzen Tag durch die Gegend.

Und obwohl es als Kind ganz normal war, dass man den Bauch einfach rausstreckte und nicht die ganze Zeit mit angehaltenem Atem durch die Gegend stolzierte und darauf achtete, dass die Beine nicht aneinanderrieben, fing ich an, genau dies zu tun. In einem alten Tagebuch fand ich eine Tabelle, in der ich aufgeschrieben hatte, wie viel ich morgens und abends wiege und wie groß die Differenz zum Vortag war. Ich schrieb, dass ich Angst hatte, 50 Kilo zu erreichen, was ich natürlich irgendwann tat und dann begann ich irgendwann wieder damit aufzuhören weil ich dachte, dass die Tabelle es nicht besser machen würde und ich einfach weniger Essen zu mir nehmen musste.

Das war dann die Zeit, in welcher meine Mutter mich anfing zu fragen, ob ich magersüchtig sei und ich mir dachte, dass dies eigentlich eine schlaue Idee wäre, um ein paar Kilo abzunehmen an Stellen, an denen man eigentlich nichts mehr abnehmen konnte. Und das Wort Babyspeck wollte ich auch nicht hören. Es war mir peinlich mein Gewicht beim Arzt zu sagen und jedes Mal, wenn ich die superdünnen Mädchen aus meiner Klasse betrachtete, stellte ich mir vor, wie es wäre sie zu sein. Im Nachhinein weiß ich, dass bei einem der beiden wirklich schlanken Mädchen das sogar die Gene waren und die ganze Familie so unfassbar dünn war.

Als ich mal bei einer meiner Omas war sagte sie, dass ich doch nicht noch einen Keks essen solle, da ich ja schon dick genug sei und löste damit bei mir die Trotzreaktion, mit Absicht noch einen Keks zu nehmen. Sie war ja selbst nicht die Schlankeste. Bei einem Familienfest, einen Monat später sagte mir eine andere Verwandte, dass ich ja voll schlank geworden sei, woraufhin ich mich bedankte und sie mich nur ansah und sagte: „Das war kein Kompliment."

Nie war ich richtig. Entweder zu viel oder zu wenig. Dieses Gefühl nicht richtig zu sein, verfolgte mich lange und obwohl ich viel, sehr viel Sport machte, hatte ich das Gefühl, dass die Muskulatur, welche ich dadurch aufgebaut hatte, mich nur noch schwerer machen würde. Als ich später einmal Bilder von früher betrachtete, sah ich nur ein hübsches, kleines Mädchen in einem ganz normalen Körper, aber ich wusste, dass ich mich innerlich überhaupt nicht so fühlte. Also, so gar nicht.

Ich kämpfte mehr gegen meinen Körper, als mit ihm zusammenzuarbeiten und einfach mein Leben zu leben und als ich einen Kommentar in einem bestimmten Kapitel von @whythesterohype geschrieben hatte und gefragt wurde diesen Artikel zu verfassen, musste ich eine Zeit darüber nachdenken, da es für mich eine schwierige Zeit war, obwohl ich keine Esstörung oder Sonstiges hatte. Natürlich ist es für die meisten Kids in dem Alter normal sich meist nur über sich selbst Gedanken zu machen und die kleinsten Probleme als einen Weltuntergang zu sehen, aber meine Geschichte fiel mir trotzdem nicht besonders leicht aufzuschreiben, da ich mir nicht sicher war, ob es richtig verstanden werden könne oder sich einige auf die Füße getreten fühlen.

Als ich über Bodyshaming nachdachte, musste ich immer an eine Läuferin denken, welche einem Spaziergänger begegnet. Er weiß nicht woher diese Läuferin kommt, wie weit sie gelaufen ist und ob sie gerade erst angefangen hat zu laufen oder schon eine krasse Läuferin ist, welche mit Marathons ihr Geld verdient. Ob sie so langsam läuft, weil sie nach einer langen Verletzung oder Krankheitsgeschichte wieder beginnt in ihren alten Rhythmus zu fallen oder so schnell läuft, weil sie eine Anfängerin ist, welche nicht genau weiß, dass das Sprinten nicht bedeutet, dass man ein besserer Sportler ist.

Wenn wir einer Person begegneten, welche wir nicht kannten, wie kamen wir darauf, dass wir im Recht wären über sie zu urteilen und uns eine Meinung zu ihr zu bilden? War es einfach in uns drin oder wurden wir durch die uns eingetrichterten Sterotypen, welche durch die Gesellschaft, Medien und Familie an uns herangebracht worden waren, beeinflusst? Urteilten wir nur über andere Mitmenschen, weil wir nicht mit uns selbst zufrieden waren und konnte man das Urteilen einfach ausstellen?

Für mich persönlich hat sich herausgestellt, dass ich mehr an mir selbst arbeiten musste. Ich wollte gesund sein und in den Spiegel blicken, um mir selbst zu sagen, dass ich wunderschön und genug bin. Wahrscheinlich klingt das für manche vollkommen verrückt, aber ich merkte, dass sich die Waage, nur ein kleiner Haushaltsgegenstand, als einer meiner Feinde entpuppte. Und als ich nicht mehr auf die Waage stieg und sah, dass ich vielleicht 200 Gramm mehr wiegte, als am Morgen und nicht die ganze Zeit diese Zahl im Kopf hatte, die absolut gar nichts über mich aussagte, sondern nur darüber, ob mein BMI in Ordnung ist, ganz davon abgesehen, dass es nichts über meine Muskelmasse aussagte oder ich mich nicht so schwer fühlte, hat es sich positiv für mich ausgezahlt.

Ich hörte auf mich mit Anderen zu vergleichen und auf meinen Körper zu hören. Wenn ich nun in den Spiegel sah und zufrieden mit meinem Körper war, so wie er in dem Moment war, wusste ich, dass ich an dem Punkt angekommen war, indem ich mich genug fühlte und vielleicht sogar perfekt.

InfobuchWhere stories live. Discover now