Mondschein

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Nichts konnte mich aus meiner Starre lösen. Nicht die immer höher steigende Sonne, das Sonnenlicht, welches das Wasser und die Weide dahinter gelb aufleuchten liess. Auch nicht die Schritte, die ich näher kommen hörte bis sie plötzlich anhielten.

In meinem Kopf wirbelten Dutzende Erinnerungen umher, so dass mir schwindlig wurde. Am Allerliebsten hätte ich losgelassen, einfach alles vergessen und wäre für immer verschwunden. Doch ich war auch immer noch mich, die starke Frau, die Kriegerin.

So verdrängte ich die quälenden Gedanken und stand auf. Auf meinem immer noch nassen Körper klebten lose Haare. Bestimmt zupfte ich sie hastig weg und bückte mich nach meiner Rüstung. Die zitternden Knie, welche ich vom Stehen bekommen hatte, ignorierte ich. Steif und trotz der wärmenden Sonne frierend band ich das Band an meiner Seite zusammen, welches die Vorderkörperrüstung mit der des Rückens zusammenhielt.

Ich nahm mir Zeit. Bei jeder Bewegung meldete sich meine Wunde und schickte krampfhafte Stösse durch meinen labilen Körper. Bald wurde das Wasser auf meiner Stirn durch Schweiss ersetzt. Als ich das eiserne Gewand wieder komplett trug, war meine Kraft aufgebraucht.

Umso mehr war jetzt mein starker Wille von Nöten. Ich würde nicht klein beigeben, meine Schwächen nicht zeigen.

Als ich so auf das schimmernde Gras hinter dem Fluss blickte, versuchte ich meine Lage einzuordnen. Was war ich nun? Und wer? Waren die Krieger nun meine Feinde? Wenn ja musste ich mich vor ihnen schützen, meine Schwäche unbedingt verbergen.

Und wie würde Patroclos dazu stehen, mich zu verteidigen? Wie konnte ich auf seine Hilfe hoffen wenn er doch mit seinen Kumpanen schon so viel mehr erlebt hatte als mit mir.

Es war aussichtslos und dennoch wollte ich meine Hoffnung keinesfalls aufgeben. Wollten die Krieger mich umbringen oder Entehren, hätten Sie es vermutlich schon getan.

Was ich also als Einziges tun konnte war hoffen, abwarten und die Gefahren möglichst einschränken. Und genau das war es, was Vater für mich gewollt hätte. Seine Ansicht war immer gewesen, dass sich Dinge von selbst lösten, wenn man auf sein Urteil vertraute. Dies würde ich tun.

„Danke, Vater", murmelte ich und lächelte wehmütig.

Sogleich drehte ich mich um und schaute in den Wald, wo zu meinem Erstaunen Patroclos an einen Baum angelehnt stand. Fast schien es so, als hätte ich ihn beim Beobachten erwischt. War ich es, den er studiert hatte?

Für einen kurzen Moment war ich wie eingefroren, bevor ich ihm schliesslich zögerlich lächelnd zunickte. Während dem er sich zu mir begab, bückte ich mich vorsichtig nach meinem Messer. Noch ein letztes Mal fiel mein Blick auf die abgeschnittenen Haare. Ich schloss die Augen und sah als nächstes in Patroclos' wunderschönes Gesicht.

Er stützte mich und wo seine Hand meine Haut oder überhaupt nur meine Rüstung berührte, fing diese an, sich sanft zu erwärmen.

Meine Beine wurden durch seine Anwesenheit nur noch zittriger und dennoch gab sie mir unendlich viel Kraft. Langsam und vorsichtig setzte ich einen Fuss vor den anderen und viel zu schnell waren wir wieder im Lager angekommen.

Mittlerweilen waren sämtliche Krieger am Aufräumen. Ein Paar Blicke hefteten sich kurz an mich und Orféfs' verweilte sogar kurz auf Patroclos' Hand, die immer noch an meiner Seite lag. Auch mein Begleiter bemerkte dies und löste sich sofort von mir.

Enttäuschung machte sich in mir breit, als er von mir weg lief. Ich war naiv, dies war mir bewusst. Dennoch wäre es der schönste Moment gewesen, wenn Patroclos dem Blicke des jungen Krieger hätte standhalten können.

Ich hatte zu viel Fantasie, unrealistische Hoffnungen und Träume.

So schnell wie es mein Zustand zuliess, packte ich meine Paar Sachen zusammen und steckte mein Messer zurück in die Satteltasche. Dies war noch die einfachste Aufgabe. Danach musste ich mir – obwohl ich schon wieder zu schwächeln anfing – mein Schwert umschnallen. Heute schien es fünfzig Mal sein übliches Gewicht zu haben. Meine Oberarme zitterten als ich die Last um meine Lende schnallte.

Die letzte KriegerinWhere stories live. Discover now