Aufnahmeprüfung

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Noch nie in meinem jungen Leben hatte ich solch eine Pracht gesehen. Alle diese wunderschönen Dinge, die ich an diesem Tage schon gesehen hatte, waren kein Vergleich zu dem, was mir bevorstand.

Die Tore der Schule waren hoch und gerundet und die Mauer aus schönstem Stein exakt aufgebaut. Bestimmt drei oder vier Männer hoch war die eindrückliche Wand. Das Holztor, welches nebst einem massiven eisernen Griff auch geschwungene Schnitzereien besass, stand offen, und ich konnte geradewegs in den Hof hineinschauen, in welchem dicht gedrängt junge Männer mit Holzschwertern und Bogen am Kämpfen waren. Die Grösse des Innenhofes liess mich erneut staunen. Ein so grosses Gebäude hatte ich bisweilen überhaupt nur in meinen Träumen gesehen. Der Hof war bestimmt vier Mal so gross wie unserer.

Ich schwang mich vom Pferd und führte Christus unter dem Tor hindurch. Im gleichen Augenblick hielten beinahe sämtliche Krieger inne, und ich wurde mit verwunderten bis amüsanten Blicken durchbohrt. Obwohl ich am liebsten im Boden versunken wäre, hielt ich den Blicken stand und versuchte, nicht rot anzulaufen. Ich war doch sonst auch nie so schnell peinlich berührt. Wieso starrten sie mich auch so an? Es musste doch immer wieder neue Ankömmlinge geben, da war ich ja wohl nicht die Einzige. Oder eben doch? Ich war ja nicht der Einzige, sondern die Einzige. In all meinen Gedanken hatte ich ganz vergessen, nicht zu sehr auf die Krieger zu starren, und so sah ich mir die Schule nun auch einmal von Innen etwas genauer an.

Sie war wunderschön aufgebaut. Rund um den Hof waren Vorhänge aufgespannt , die wohl in die Schlafgemächer führten, und rechts hatte es zwei grosse schwere Holztüren. Eine der beiden musste wohl in den Stall führen und die andere zu Péristeris' Gemach. Alle Gebäude waren hier nur aus dicken Holzbalken aufgebaut, nur die Mauer wird wohl zur Sicherheit aus Stein erbaut worden sein.

Plötzlich schrie ein stämmiger, kräftiger Mann über den Hof: „Weiterkämpfen, Krieger! Was gibt es da zu gaffen?!"

Und gleich darauf kam mir ein etwas kleinerer, aber doch sehr kräftiger Mann in seiner Kampfausrüstung entgegen. Ich versuchte ihn nicht allzu offensichtlich zu beobachten, aber eines war mir schon jetzt in diesem Augenblick klar: Dies musste also Péristeris sein. Ehe ich diesen Gedanken fertig ausgeführt hatte, stand er auch schon vor mir, ein grosser Jüngling an seiner Seite.

„Was willst du hier? Du musst dich verirrt haben, die Stadt liegt zwei Tagesritte östlich von hier", herrschte er mich etwas barsch an. Verwirrt über seine Worte musste ich mich zuerst kurz fassen. Wollte dieser Mann mich denn wieder wegschicken? War es mir nicht erlaubt, mich in dieser Schule ausbilden zu lassen? Nein - und da erinnerte ich mich erneut - ich war ja immer noch eine junge Frau. Er musste denken, ich hätte mich verlaufen. Möglichst gelassen und freundlich entgegnete ich ihm:

„Gewiss, mein Herr, Sie mögen denken, ich möchte in die nächste Stadt gehen. Aber ich bin hier, um an Ihrer Schule das Kämpfen zu erlernen."

Das leise Gelächter, das vom Hofe her zu unserer kleinen Gruppe drang, entging meinen guten Ohren nicht. Auch auf Péristeris Lippen breitete sich nun ein Grinsen aus.

„Aber dir muss doch gesagt worden sein, dass dies hier nur eine Schule für junge Krieger ist, und nicht für... nicht für Weiber wie dich."

„Gewiss, mein Herr", antwortete ich ohne zu zögern aber schon etwas ungeduldiger. Ich war mir bewusst, dass ich mit jedem Male, mit dem ich Péristeris wiedersprach, die älteste Regel der Griechen brach. Sie wurde nie ausgesprochen, aber jeder Jüngling aus Griechenland wusste, dass den Älteren zu gehorchen und auf keinen Fall zu widersprechen war. Trotzdem wollte ich noch nicht aufgeben, ich wollte nicht als amüsierendes Weib dargestellt werden. Denn das war ich nicht.

„Aber lassen Sie mich doch erst einmal kämpfen. Sie werden es nicht bereuen, mich hier aufgenommen zu haben."

Daraufhin machte er eine einladende Bewegung Richtung Innenhof, was bedeuten sollte, dass ich nun wirklich mein Können zeigen sollte.

Die letzte KriegerinWhere stories live. Discover now