Epilog

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„Aber das ist wahrlich furchtbar", wendet die junge Griechin ein, die mit zusammengefalteten Händen vor mir sitzt, „wie können die Götter solch ein Leben verantworten?"

Ich zucke mit den Achseln und lächle sie schief an. Sie ist jetzt gerade in dem Alter, in dem ich Patroclos kennengelernt habe. So jung und so voller Abenteuer in ihrem Herzen und Kraft in ihren Beinen.

„Das war es wohl, ja", entgegne ich und schlage die Augen zu Boden, der gerade von der untergehenden Sonne mit hellvioletten Strahlen beglückt wird. Am Horizont leuchtet der Himmel in einem wunderschönen Orange, welches die Ebene vor uns erhellt. Das übrige Sonnenlicht blendet in meinen Augen, so dass ich sie zusammenkneife. Narida's dunkelbraune Augen glänzen in dem abendlichen Licht.

„Und dennoch hast du ihnen verziehen, nicht? Wie konntest du das bei all dem, das dir genommen wurde?", fragt sie und schaut mich traurig an. Ihr verfilztes Haar ist mit silbernen Perlen geschmückt, welche das Licht reflektieren und wie kleine Sterne glühen. Obwohl mein Herz von der Erzählung genauso sehr brennt wie meine Lippen, fühle ich mich nicht verloren oder allein. Nicht mehr. Nicht so wie sie.

„Gewiss habe ich eine Weile gebraucht, um meinen Frieden zu finden. Ein grosser Teil der Reise dahin waren die Menschen, die mir trotz allem geblieben sind. Obwohl ich mir noch nie so verraten vorgekommen bin, liess ich die Götter am Ende wieder zu meinem Herzen. Und das war gut so. Narida, die Götter sind nicht etwas, dass du einfach aus deinem Leben ausschliessen kannst. Sie sind ein Teil von uns, dazu ein sehr wichtiger. Daran solltest du niemals zweifeln."

„Und doch schätzen sie diese Verbindung kaum, benutzen uns nach Lieb und Lust."

„Wir sind ihre Diener", antworte ich nachdenklich. Ihre Augen funkeln so wild, dass meine Worte einen versteckten Weg zu ihr finden müssen. „Wir sind ihre Kinder, und sie lieben uns. Dennoch sind wir genauso sterblich wie die Tiere, die wir zuerst bändigen und zahm machen müssen."

Die junge Griechin schaut schweigend zu Boden. Die Vorstellung des Menschen als Sklaven der Götter tut ihr weh. Sie versteht nicht, kann es noch nicht verstehen. Ich selber habe ein ganzes Leben gebraucht, um unsere Natur zu begreifen.

„Das bedeutet nicht, dass du dein Leben nach dem Ideal leben musst, das die Götter dir zugeteilt haben", füge ich schnell hinzu. „Bei Athene, ich selber bin wohl der lebende Beweis, dass wir unsere Leben nach unseren eigenen Prinzipien leben sollten. Nach unseren eigenen Regeln, die für unser Herz stimmen, und nicht zwanghaft für alle anderen auch."

„Du bist so stark", murmelt Narida bedrückt, „vielleicht kannst du dies deshalb. Was, wenn ich diese Kraft nicht habe? Was, wenn mich die Götter gänzlich lenken können?"

„Unsinn", gebe ich mit einem aufmunternden Lächeln zurück, „ich weiss ganz genau, wie stark dein Herz ist. Du musst dein Leben in deine eigenen Hände nehmen, dann wirst du keinen Moment bereuen."

Sie schaut mich mit ehrlichen Augen an und deutet ein Lächeln an. Vielleicht fängt sie wirklich an, das Leben zu verstehen.

„Keine von uns muss ein Sklave der Götter sein", sage ich abschliessend.

„Bestimmt", antwortet die braungebrannte Wilde.

Ich stehe auf und recke ihr meine Hand hin. Sie ergreift sie und erhebt sich ebenso. Ihre Haut ist von der täglich brennenden Sonne noch immer erwärmt. Während ich eine lose Strähne meines langen Haares zurück in das Perlenkettchen um meinen Kopf stecke, drehe ich mich zur Siedlung um.

Die Hütten haben sich seit meiner Zeit vor dem Krieg kaum verändert, lediglich drei neue sind zu der Ansammlung dazugekommen, eine davon mein eigenes Heim. Die Ebene, auf der unsere Siedlung liegt, ist zwar vertrocknet, doch einer der jungen Männer hat mir geholfen, doch ein wenig Grün um die Wände meiner Hütte zu zaubern, welches man schon von hier entdecken kann. Ein Dutzend Tontöpfe in allen Grössen säumen den Eingang und die östliche Hauswand. Darin wachsen nicht nur Ranken von dornigen Blumen und Blätterstauden, sondern auch kostbare Fruchtpflanzen.

Die letzte KriegerinWhere stories live. Discover now