Kämpferherzen

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Natürlich glaubte ich an die Existenz der olympischen Götter, hatten sie mir doch in so vielen Lebensabschnitten schon beigestanden. Dennoch hatten die Gerüchte über Halbgötter, welche unter uns Menschen lebten, bei mir nie Eindruck hinterlassen. Beim besten Willen hätte ich mir nicht vorstellen können, dass etwas Göttliches in einem Körper aus Fleisch und Blut Platz fand.

Nun, da ich vor einem dieser von der Menge als Halbgott bezeichneten Männer stand, drehte sich mein Kopf. Plötzlich schien es eine Wahrheit zu geben, welche ich vorher vehement abgestritten hatte.

Achill war kein schöner Krieger. Er war atemberaubend.

Stolz und dennoch sanft stand er vor uns und ich konnte für eine Weile nicht mehr klar denken. Da er hier Zuhause war, trug Achill keine Rüstung, sondern lediglich einen blauen Lendenschurz, welcher ihm bis zu den Knien reichte. Über dem oberen Saum stählten sich seine braungebrannten Bauchmuskeln, auch die Arme des Kriegers waren kräftig. Obwohl er nicht so stämmig war wie viele Krieger unserer Truppe, war ich mir sicher, dass er die Stärke von zwei Männern besass. Die hervortretenden Adern zeugten davon.

Seine Schlüsselbeine waren daher sehr gut zu erkennen, was Achill irgendwie bubenhafter machte. Auf einem langen Hals thronte ein wunderschönes Gesicht. Anders als die anderen trug der Krieger seinen Bart kurz gestutzt. Auch damit stachen er und Patroclos deutlich aus der Menge heraus. Lippen und Nase schienen perfekt bestimmt worden zu sein, so dass die stechend grünen Augen unter den dunklen Augenbrauen hervorstachen. Dunkle Haarsträhnen reichten bis knapp unter die Ohren und der Seitenscheitel sorgte dafür, dass Achill's Gesicht auf der linken Seite etwas verdeckt wurde.

Dieser Mann sah so einzigartig geheimnisvoll aus, dass ich von einem auf den anderen Moment plötzlich ohne Zweifel an Halbgötter glaubte. Dennoch bestätigten viele Verletzungen der zarten Haut, dass auch Achill nur ein Mensch war. Die Wunden des Helden sahen sogar erschreckend tief aus. An seiner linken Schulter fehlte ein Stück Haut, welche gerade am nachwachsen war. Zudem war sein Vorderkörper von verheilenden Scheurungen und blauen Flecken gekennzeichnet.

Der Schreck über die bösen Wunden wurde aber bald mit Ehrfurcht ersetzt. Allem Anschein nach musste Achill wirklich ein so furchtloser und gewaltiger Krieger sein, wie man es ihm nachsagte.

„Elios?", holte mich Patroclos aus meinen Überlegungen heraus. Er hatte sich zu mir umgedreht und musterte mich schmunzelnd. Peinlich berührt, dass ich Achill so lange angestarrt hatte, versuchte ich in dem bekannten Gesicht Beruhigung zu finden.

„Achill, dies ist Elios, ein junger Krieger aus Péristeris' Schule."

Zwei leuchtende Augen blieben an mir hängen.

„Auch du sei willkommen, Elios", grüsste mich die tiefe Stimme, welche seltsamer Weise überhaupt nicht zu dem eleganten Körper passte.

Obwohl sich meine Lippen öffneten und Worte formten, kam kein Ton aus meiner trockenen Kehle.

„Bei den Göttern, wie oft ich mir während unseres Rittes hatte anhören müssen, welch ein Held du seist. Gewiss wäre es sogar dir langweilig geworden, dies jeden Tag aus seinem Munde hören zu müssen", klagte Patroclos und die beiden Freunde brachen in schallendes Gelächter aus. Achill machte noch einen Schritt auf und zu und legte seine Hand auf den Nacken Patroclos'. Dann drückte er seine Stirn an die meines Gefährten und sagte: „Gut, dass du wieder da bist."

Obwohl ich etwas böse war über die eben gemachte Aussage, berührte mich die Geste des Helden. Sie zeigte, wie eng sich die beiden Männer doch waren, fast schon wie Brüder. Doch woher konnte ich wissen, dass sie dies nicht waren? Hatte ich Patroclos je danach gefragt?

„Kommt", rief Achill nachdem er Patroclos los gelassen hatte.

„Ihr müsst bestimmt hungrig sein. Erzählt mir euer Abenteuer doch während einem guten Essen." Dann fügte er schelmisch hinzu: „So muss ich auch nicht allzu neidisch sein, da ich fortlaufend an die Vorzüge eines Lebens in der Stadt erinnert werde."

Die letzte KriegerinWhere stories live. Discover now