Kapitel 8 - Michael

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Zuhause angekommen begrüßte uns fröhlich schnurrend meine Katze. Das letzte Mal, als sie jemanden angegriffen hatte war nun bereits ein paar Wochen her und meine Mutter meinte, dass es wohl daran läge, dass sie alt wurde. Ich hingegen hatte mehr das Gefühl, dass sie einfach nur Lucifers Präsenz spürte (vielleicht konnte sie ihn ja auch sehen?).

"Home sweet home", flötete Lucifer, als er die Treppe förmlich nach oben schwebte. Ich wusste bereits was sein Ziel war: Der Obstkorb. Irgendwie hatte er eine merkwürdige Sucht für Äpfel entwickelt, die er ja nur hier essen konnte. Für mich war es noch immer merkwürdig, weshalb er überhaupt aß. Eigentlich musste er das nämlich nicht, laut ihm konnte er nur einfach der Versuchung eines knackigen Apfels nicht widerstehen. Irgendwie niedlich.

Der Teufel war niedlich. Was zur Hölle?

"Mei!", konnte ich seinen gedämmten Ruf aus der Küche hören, als ich gemächlich die hölzerne Treppe empor stieg, "wo sind-"

"In der Speisekammer!", rief ich ihm entgegen und ich konnte ihn umher laufen hören.

Um ehrlich zu sein, für mich war dies die reinste Idylle. Mir war es mittlerweile egal, dass meine Mutter erst spät Abends zurück kam - eigentlich empfand ich es als großen Vorteil. So konnte ich mich ausgiebig mit Lucifer unterhalten, ohne gleich für verrückt gehalten zu werden.

Und vielleicht war ich ja verrückt. Aber... Wussten verrückte überhaupt, dass sie verrückt sind? War ich ein ausnahme Fall?

Ich betrat die Küche, meine Schultasche hatte ich zuvor wie so oft in den Gang geworfen, und setzte mich müde auf die Theke neben Lucifer, der sich bereits über einen Apfel hergemacht hatte. Das Wochenende stand bevor. Eigentlich war es ja ein Grund zum Feiern, für mich jedoch bedeutete es nur das eine: Es war Zeit, dass Mike wieder hier her zurück kehrte. Das gefiel mir ganz und gar nicht. Ja, sicher. Er kam nur sehr selten hier her, doch ich verachtete ihn so sehr, dass ich bis jetzt häufig dafür gesorgt hatte, bei meinen Freunden zu schlafen, während er hier war.

"Alles in Ordnung?", Lucifer sah mich besorgt von der Seite an. Erschrocken drehte ich mich zu ihm um. Wie automatisch begann ich ein Lächeln vorzutäuschen, doch ließ es bald wieder sinken. Bei ihm hatte es überhaupt keinen Sinn zu lügen.

"Nicht wirklich", ich seufzte, "mein Stiefvater kommt hier her."

"Oh", er sah betroffen zu Boden. Er hatte ihn bis jetzt noch nicht kennen gelernt, da Mike sich zu der Zeit auf irgendeiner Geschäftsreise aufhielt. Allerdings vermutete ich, dass er womöglich meine Mum bloß hinterging. Wenn ich ihr das - oder von den Tagen, an denen sie länger gearbeitete hatte - erzählte, ließ sie mich bloß abblitzen. Wahrscheinlich dachte sie, ich würde einfach versuchen ihre Aufmerksamkeit auf mich zu lenken und ihr ihre neue Liebe nicht gönnen. Ich gönnte es ihr, wirklich.

"Du musst etwas unternehmen", stellte Lu fest und ich sah ihn nur ungläubig an.

"Und was bitte sollte ich tun?"

"Keine Ahnung. Wie handeln Menschen denn? Zur Polizei gehen vielleicht? Oder deine Mutter zur Rede stellen?", er sah mich besorgt an.

"Ich kann nicht zur Polizei. Er würde mich aufhalten", mein Blick lag nun auf meiner Katze, die sich auf dem Küchenteppich zusammen gerollt hatte und friedlich schlief.

"Woher sollte er es denn wissen? Er ist doch kein Hellseher!"

"Irgendwie würde er darauf kommen. Ich weiß es", ich schluckte.

"Blödsinn", murmelte er und legte seinen Arm um mich. Seine Kälte hatte schon lange ihren Schauer Faktor verloren. Alles, das blieb war ein tröstendes Gefühl. "Und wenn er doch versuchen sollte, dir irgendetwas anzutun", flüsterte er, "werde ich dafür Sorgen, dass er es bereut."

What's up, Lucifer?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt