Kapitel 1

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"Gib das sofort wieder her!"

"Nein, das hat Vati mir geschenkt!"

"Du doofe Kuh, das ist meins, ich weiß es genau! Du hast deines nur verloren oder dreckig gemacht und willst mir jetzt meins wegnehmen!"

Angespannt rieb ich mir die Schläfen, als ich beim Betreten unseres Hauses das Gezanke meiner beiden reizenden Stiefschwestern, Lilliana und Rose, hörte.

Ich hatte weder die Zeit noch das Nervenkostüm mich mit diesen beiden Furien zu befassen.

Dianes übrige Habseligkeiten mussten noch in ihr neues Zuhause verschickt werden, ich hatte noch meine eigene Habe reisefertig zu machen und nebenbei führte ich noch einen ganzen Haushalt und musste letzte Vorbereitungen für meine eigenen Abreise in drei Tagen treffen.

Wenn ich nur wüsste wohin mit meiner freien Zeit!

Doch ich kannte meine beiden Blagen von Stiefschwestern, die zwar liebliche Namen hatten, von ihrer Persönlichkeit allerdings das genaue Gegenteil waren.

Die zwei kannten da kein Maß und Ziel. Sie würden so lange weiterstreiten, bis entweder beide in Tränen ausbrachen oder sie verlegten sich darauf das Eigentum der jeweils anderen zu verwüsten.

Und jede der eben erwähnten Möglichkeiten konnte eine ganze Weile dauern und würde nur an den Nerven aller zerren, sowie aufwendige Aufräumarbeiten nach sich ziehen.

Also besser gleich eingreifen.

Zügig schritt ich in den ersten Stock hinauf, um dem Ganzen eine Ende zu bereiten.

Auf meinem Weg kam mir Maggie entgegen, eines unserer Dienstmädchen, die mich mit einem gequälten Lächeln grüßte.

"Hallo Maggie, wie lange geht das schon vonstatten?", erkundigte ich mich.

"Noch nicht sehr lange, aber ein Glück, dass Ihr wieder da seid, Mylady! Wie geht es dem Jungen der Millers?"

"Besser! Er erholt sich gut, das Fieber ist mittlerweile ganz verschwunden und ich bin zuversichtlich, dass er bald wieder der kleine Tunichtgut ist, denn wir alle kennen!", informierte ich sie.

Die Millers waren eine Familie im Dorf, das keine zehn Minuten von unserem Anwesen entfernt lag. Der älteste Sohn, Thomas Junior, war vor drei Woche schwer an Grippe erkrankt und hatte zu meiner Beunruhigung über einen längeren Zeitraum sehr hoch gefiebert.

Meine Mutter hatte mich, bis zu ihrem Tod vor fünf Jahren, als Heilerin ausgebildet und ihr Wissen mit mir geteilt. Ein Wissen, welches von Generation zu Generation, von der Mutter an die Töchter weitergegeben wurde.

Deswegen fungierte ich neben meinen anderen Tätigkeiten, zusammen mit einer Frau aus dem Dorf namens Hetty - kurz für Henrietta - als Heilerin für die Leute in der Umgebung.

Leider konnte ich dieser Aufgabe nicht in Vollzeit nachgehen. Doch um das Erbe meiner Mutter nicht verkümmern zu lassen, half ich Hetty bei schwierigen Fällen oder wenn sie zu beschäftigt war und andernorts dringend Hilfe gebraucht wurde.

Ein besonders schriller Schrei aus dem oberen Stockwerk verdeutlichte jedoch die Dringlichkeit, mit der meine Fähigkeiten als Streitschlichter gebraucht wurden.

Kurz verabschiedete ich mich noch von Maggie und eilte zum Ursprung des Tumults, um den Grund ihrer derzeitigen Meinungsverschiedenheit herauszufinden.

'Na dann wollen wir mal', dachte ich und schob, geistig schon im Arbeitsmodus, die Ärmel meines Kleides hoch.

Ich erblickte Lilliana und Rose, wie sie kreischend und mit Beleidigungen um sich werfend, eine Art Tauziehen mit einem wirklich wunderschönen Ballkleid veranstalteten.

Allana - Das VersprechenWhere stories live. Discover now