Kapitel 30

8K 511 60
                                    

Mit müden Gliedern schloss ich die Türe zum improvisierten Krankenlager, in dem Lady Sorcha und ich am Vormittag die Verletzten behandelt hatten. Gerade hatte ich den letzten Krieger für die Nacht versorgt, die alle glücklicherweise in ihren eigenen Betten verbringen konnten und nicht intensiv überwacht werden mussten.

Ich rückte das knarzende Leder meiner Tasche zurecht, in der die Vorräte an Kräutern und sauberem Verbandsmaterial rasant schwanden. Ich würde mir etwas einfallen lassen müssen, um diese vor dem Winter wieder aufzufüllen. Doch das sollten Sorgen für einen anderen Tag sein.

Seufzend begab ich mich zu meinem Gemach, um mich für das Abendmahl herzurichten.

Nicht, dass ich besonderen Wert darauf legte, daran teil zu nehmen. Für heute war das Maß an Drama, das ich ertragen konnte, mehr als gefüllt.

In meinen Schlafräumlichkeiten angekommen, stellte ich die Tasche auf einer Truhe ab und begab mich dann zur Wasserschüssel, die sich auf einem kleinen Tischchen an der Außenwand neben dem Fenster befand und machte mich frisch.

Als ich mich anschließend im Spiegel betrachtete, löste ich seufzend die Nadeln und Bänder aus meinem Haar. Das, was ich da auf meinem Kopf trug, konnte ich nicht mehr guten Gewissens als Frisur bezeichnen.

Langsam ließ ich mich auf dem Stuhl neben dem Waschtischchen nieder und ergriff den Kamm, den ich in einer der Schubladen verstaut hatte.

Leise summend begann ich meine Haare zu entwirren.

Früher, wenn wir einen anstrengenden Tag gehabt hatten oder es meiner Schwester und mir nicht gut ging, hatte sich meine Mutter abends zu uns gesellt und uns sanft die Haare gekämmt. Diese Stunden waren immer Balsam für meine Seele gewesen. Ich erinnerte mich genau an den schweren Kamm mit den weichen Borsten und wie meine Mutter ohne Hast Strähne um Strähne meines Haars bürstete. Dabei überließ sie es uns, ob wir darüber sprechen wollten, was uns beschäftigte.

Oft haben mich ihre liebevolle Führsorge und ihr geduldiges Ausharren dazu gebracht, mich ihr zu öffnen. Und egal wie klein meine Sorgen waren, sie hatte stets ein offenes Ohr.

Anschließend hatte sie sich mit einem Kuss auf meinen Scheitel und den Worten verabschiedet: "Gib dem Tag morgen eine neue Chance, nighean ghaisgeil!"

Ja, ich bemühte mich auch heute noch ihr tapferes Mädchen zu sein und hoffte eines Tages das Privileg zu haben, meiner eigenen Tochter Trost zu spenden und eine ebenso gute Zuhörerin zu sein, wie es meine Mutter gewesen war.

Gedankenverloren flocht ich meine Haare und steckte diese dann im Nacken zusammen.

Als ich mit meinem Aussehen zufrieden war, hielt mich nichts mehr davon ab zum Abendmahl in der großen Halle zu erscheinen.

Seufzend schritt ich vorbei an meinem Bett, in dem ich heute früh einfach hätte bleiben sollen, zur Türe. Mich innerlich wappnend öffnete ich den Einlass zu meinem Gemach, hielt jedoch abrupt in meiner Bewegung inne, als ich eine Gestalt keinen Fuß von mir entfernt stehen sah.

Und blickte direkt auf in Kierans dunkle Augen.

Enorme Erleichterung durchströmte mich bei seinem Anblick.

"Kieran", hauchte ich leise.

"Habt ihr etwa einen anderen erwartet?", fragte er trocken und mit dunkler Stimme.

Mein Verlobter trug seine Haare heute Abend offen, die ihm fast bis auf die Schultern fielen und so aussahen, als hätte er heute viele Male durch sie hindurchgestrichen. Zudem verrieten seine angespannte Haltung und seine dunkle Miene, dass er wohl einen ähnlich strapaziösen Tag gehabt hatte wie ich.

Und auch wenn seine Kleidung sauber und tadellos war, erkannte ich an seinem Unterkiefer eine dunkle Verfärbung.

Dies gab meiner Besorgnis neue Nahrung und ich zog ihn im Gang zur nächsten Lichtquelle, um sein Kinn zu begutachten.

"Da hat Euch jemand gehörig erwischt. Habt Ihr sonst noch Verletzungen?", verlangte ich zu wissen.

Behutsam löste er sich aus meinem Griff und drückte sanft seine Lippen auf meinen Handrücken.

"Mir fehlt nichts, meine Lady", brummte er und musterte mich seinerseits.

"Geht es Euch auch gut? Ihr seht erschöpft aus", fragte Kieran.

Leise glucksend drückte ich seine Hand, die meine immer noch umschlossen hatte und erwidert: "Da wären wir schon zu zweit. Aber ja, mir fehlt soweit nichts, außer ein gutes Abendessen und eine Mütze voll Schlaf. Wie war Euer Tag? Seid Ihr mit den Verhandlungen heute vorangekommen?"

Seufzend fuhr er sich mit seiner freien Hand durch die Haare und blickte mich aus müden Augen an.

"Das, Mylady, ist eine gute Frage. Doch ich fürchte der heutige Tag hat so geendet, wie er angefangen hat. Nämlich mit einem Knall", antwortete Kieran vage.

"Da kann ich Euch nur zustimmen", murmelte ich und dachte unwillkürlich an das Drama im Damensalon.

"Es scheint, dass wir uns so einiges zu erzählen haben", fügte ich an.

Grummelnd nickte mein Verlobter und blickte missmutig in Richtung der großen Halle.

Mit einem tiefen Seufzer schweiften meine Gedanken erneut zu dem bevorstehende Mahl. Immerhin hatte ich einen Leidensgenossen an meiner Seite und musste mich nicht alleine in die Höhle des Löwen begeben.

"Zumindest müssen wir nicht an der hohen Tafel sitzen zwischen all der Anspannung", versuchte ich dem Ganzen etwas Positives abzugewinnen.

"Nein, das ist noch ein Grund mehr nicht in die große Halle zu gehen!", brummte Kieran und blickte mich dann entschlossen an.

"Und das werden wir auch nicht, Lady Allana!", sagte er voller Inbrunst und begann mich in die entgegengesetzte Richtung fortzuziehen.

"Was habt Ihr vor?", japste ich überrascht und versuchte mit seinem beschwingten Gang mitzuhalten.

"Lasst Euch überraschen, meine Lady", grinste mich mein Verlobter an.

---------------------------------------------------------------------

Hallo ihr Lieben,

ich hoffe ihr seid gut in die Woche gekommen!

Diesen Montag gibt es nur ein kleines Kapitel. Die nächsten sind schon geplant, ich bin allerdings noch nicht dazu gekommen sie zu schreiben ^^

Deshalb habe ich beschlossen am Freitag Abend noch ein Kapitel zu posten!

Alles Liebe und einen schönen Abend!

Eure

love_to_read2014

Allana - Das VersprechenWhere stories live. Discover now