Kapitel 20

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Leise summte Sorcha neben mir, völlig versunken über ihrer Stickarbeit. Auch mir hatte sie einen Rahmen gegeben, vermutlich mit guten Intentionen, um dem Wandern meiner Gedanken Einhalt zu gebieten oder sie zumindest im Zaum zu halten. Doch mir wollte es nicht gelingen in dieser Arbeit aufzugehen, sondern mein Blick schweifte immer wieder zum offenen Fenster, durch das ich gedankenverloren in den Himmel aufsah.

Vor meinem inneren Auge huschten Erinnerungen an die Zeit vorbei, als ich mich mit Diana und meinem Drachen von einer Stiefmutter sowie unseren reizenden Stiefschwestern in ebenso einem Damensalon wie eingekerkert fühlte und gezwungen war der stupiden Arbeit der Stickerei nachzugehen, da mein Vater gerne vor Freunden und Handelspartnern zur Schau stellte, wie kultiviert seine Töchter waren. Nur ab und an war Diana und mir in Anwesenheit unserer übrigen Familie gestattet das Pianoforte oder die Harfe zu spielen und zu singen. Doch in jener Zeit ist mein Herz und mein Geist im Wald umhergestreift, oder auf dem Rücken eines Pferdes Felder und Wiesen entlanggeflogen.

Seufzend wandte ich mich erneut dem verschlungenen Blumenmuster zu, das ich begonnen hatte zu sticken. Nicht nur diese wehmütigen Erinnerungen stutzen meinem Elan die Flügel, sondern auch die drückende Anspannung, die auf der Burg herrschte, während fieberhaft nach einer Lösung für das entstandene Dilemma gesucht wurde.

Nach dem Frühstück hatte sich der Laird mit ein paar Männern in sein Arbeitszimmer zurückgezogen und war bis jetzt nicht mehr gesichtet worden. Unter den Begleitern war auch der unscheinbare Mann mit den intelligenten Augen gewesen, der mir als Mr. Grier vorgestellt wurde, dem Anwalt des Mackinnon Clans.

Am frühen Nachmittag gesellte sich Lairdess Mackinnon zu uns und nicken zum Zeichen des Grußes nur leicht ihren Kopf.

Sie sah noch blasser und erschöpfter aus als am Vortag. Ich bemerkte ein leichtes Schwanken und ein Zittern der Hände, das mir gar nicht gefiel.

Wann hatte die Burgherrin das letzte Mal eine richtige Mahlzeit zu sich genommen oder mehr als ein paar Stunden geschlafen? Gestern hat sie ihr Abendessen kaum angerührt und auch heute früh hatte sie kaum mehr als ein paar Bissen gegessen.

Sanft legte ich meine Hand auf Sorchas Stickarbeit. Sofort hob sie ihren Blick und sah mich fragend an.

Leise flüsterte ich: "Seit wann ist Eure Mutter in diesem Zustand?".

Wehmütig blickte die junge Frau zu Lairdess Mackinnon und seufzte schwer.

"Seit Cameron mit stolzgeschwellter Brust in die Halle marschiert ist und ihr eröffnet hat, dass der Dorfpriester Fiona und ihn am Vorabend getraut hatte und die Ehe noch am selben Nacht vollzogen wurde. Da fing es an und wurde immer schlimmer. Also etwa seit einer Woche", flüsterte Sorcha zurück.

"Ihr würde sicherlich ein wenig Suppe und ein Stück Brot sowie ein Melissentee guttun. Soll ich mich schnell in die Küche begeben und danach fragen?", wollte ich wissen, ließ dabei Lairdess Mackinnon allerdings keine Sekunde aus den Augen. Diese Frau war kurz davor vor körperlicher und geistiger Erschöpfung zusammenzubrechen.

Etwas alarmierter richtete sich Sorcha auf und musterte ihre Mutter mit kritischem Blick.

"Lasst meine Mutter nicht aus den Augen. Ich hole schnell ein Mädchen und lasse nach Tee und etwas zu Essen schicken", sprach sie und eilte aus dem Raum.

Wie angewiesen ließ ich meine Gastgeberin nicht aus den Augen.

Sachte erhob ich mich und legte meine nicht sehr enthusiastisch angegangene Stickarbeit beiseite und trat langsam auf Lairdess Mackinnon zu.

Als ich an ihrem ausladenden Sessel ankam, sah ich ihr fest aber mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen in die Augen und ließ mich auf einem nahestehenden Schemel nieder. Behutsam nahm ich ihre zart wirkende Hand in meine und drückte sie Mut und Trost spendend.

Sie verfolgte jeder meiner Bewegungen mit müden aber neugierigen Augen.

"Wenn es Euch recht ist, Lairdess, hätte ich eine Frage an Euch."

Kurz blitzte Misstrauen und Unmut auf, bevor ich unbeirrt fortfuhr: "Würdet Ihr mir von den Schönheiten Schottlands erzählen? Auch wenn dies die Heimat meiner Mutter war, bin ich zum ersten Mal in diesem Land und habe nur das Wenige gesehen, das sich auf unserem Weg vor meinen Augen erstreckt hat. Euer Gemahl hat mir erzählt, dass Ihr auf der Isle of Sky geboren wurdet und aufgewachsen seid."

Es tat mir im Herzen weh, die liebenswerte und sanftmütige Frau aus Laird Mackinnons Beschreibungen unter der Situation so leiden zu sehen.

Bei der Erwähnung ihres Geburtsortes hob sich der Schleier der Trauer etwas von den Augen der Lairdess und Ihr Gesichtsausdruck wirkte weniger gepeinigt.

Einige Momente verstrichen bevor sie antwortete: "Es ist meiner Meinung nach der Schönste Fleck Schottlands."

"Hmmm, weiß Euer Mann, dass Ihr dieser Ansicht seid? Er ist der festen Überzeugung, dass dies hier nicht nur der schönste Ort in ganz Schottland ist, sondern der ganzen Welt", versuchte ich sie weiter aus ihrem niedergeschlagenen Zustand herauszuholen.

Ihre Mundwinkel hoben sich weiter und sie ließ ein leises schnauben aus: "Ja, mein lieber, sturer Ehemann erzählt dies jedem, der es hören will. Wir sind uns in all den Jahren unserer Ehe nicht einig geworden. Ach Lady Allana, die raue Landschaft der Isle of Sky geformt von den Naturgewalten und umgeben von der salzigen Meeresluft... In den schroffen Felsen hing oft der Nebel, aber es war alles immer so grün und frisch und rein. Auch wenn es an mehr Tagen regnete als mir lieb war und das Wetter launischer war als eine Frau in ihrer Schwangerschaft, für mich ist und bleibt dieses Fleckchen Erde der schönste Ort überhaupt."

"Ich war bis jetzt nur ein einziges Mal an der Küste und konnte das Meer sehen. Seitdem bin ich fasziniert von dieser beeindruckenden Kraft, die diesem Gewässer innewohnt. Vermisst Ihr es?"

Mit blitzenden Augen betrachtete sie mich. "Das Meer ist nur eine Stunde zu Pferd von der Burg entfernt".

Überrascht und für ein paar Sekunden sprachlos starrte ich die Lairdess an.

Diese schien sich köstlich über mein Erstaunen und meinen Gesichtsausdruck zu amüsieren und sie brachte sogar ein leises Glucksen über Ihre Lippen, auch wenn die Traurigkeit nie ganz aus ihren Augen wich.

Da betrat Sorcha wieder mit besorgter Miene den Raum. Doch beim Anblick ihrer Mutter entspannten sich Ihre Züge etwas und sie gesellte sich zu uns.

Kurz darauf kam auch schon die Stärkung für Lady Mackinnon. Während leichter Konversation voller Erzählungen von Familienausflügen ans Meer, Unterricht im Bogenschießen - bei dem alles schleunigst in Deckung ging sobald Sorcha sich auch nur dem Übungsfeld näherte - und gemütlichen Wintertagen, die in der großen Halle verbracht wurden, verputzte die Burgherrin ihre Mahlzeit und sah nicht mehr so beunruhigend blass aus.

Ein leises Klopfen riss uns aus unserem Gespräch und wir verfolgten wie ein junger Bursche nach der Aufforderung der Lairdess die Tür öffnete, jedoch keinen Fuß über die Schwelle setzte.

Sich räuspernd fing er an zu sprechen: "Lairdess, Lady Allana, der Laird möchte Euch sprechen und erwartet Euch in seinem Arbeitszimmer." 

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Huhu ihr Lieben,

ich hoffe ihr hattet bis jetzt eine schöne Woche!

Wir haben erst Mittwoch und ich fühle mich jetzt schon reif fürs Wochenende.

Habt einen schönen Abend und bis zum nächsten Mal

Eure love_to_read2014

Allana - Das VersprechenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt