IV.

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Alles bleibt gleich und doch verschieden.
Die Zeit bleibt stehen und wird angetrieben.
Sekunden vergehen immer,
die Zeit ist der Bestimmer.

691.200 Sekunden. 11.520 Minuten. 192 Stunden. Acht Tage. Achte Tage wie Kaugummi, seit mein Leben gegen mich anrannte. Acht Nächte, die die Dunkelheit um mich herum mit grellen Fragen bombadierten. Für die neunte gönnte ich mir eine Pause. Ich sagte mir, dass ich mir eine Chance geben musste. Dass im Leben nicht alles einfach ist.

Jetzt blitzten mir also grelle Lichstreifen entgegen und der Bass vibrierte unter meinen Füßen. Seufzend nahm ich den Strohhalm von meinem Cocktail in den Mund, der sich mittlerweile zu meinem besten Freund entwickelt hat. Verloren umklammerte ich das kühle Glas und versuchte mich endlich zu entspannen.
"Echt cool hier, oder?" Anna beugte sich schon zum zehnten Mal zu mir, um gegen den dröhnenden Lärm anzukommen und wippte dabei im Takt der Musik.

Ich beneidete sie um ihr Unbeschwertheit und hasste mich zugleich dafür. Egal wohin ich ging, ich schleppte immer diesen einen leuchtenden Magnet mit mir herum, der alle abschätzigen Blicke anzog und nur so die grellen Worte um mich herum webte. Hey, ich bin's, Lizz. Die größte Versagern in deinem Umfeld.

Ich rang mir ein Lächeln ab.

"Okay, du hast gewonnen."

Geschlagen hob ich die Hände in die Luft und verdrehte die Augen.

"Es tut gut mal rauszukommen", lieferte ich ihr endlich die Worte, die sie seit zehn Minuten hören wollte und ein Grinsen bereitete sich auf ihrem Gesicht aus. Schnell wandte ich wieder den Blick ab. Geb dir eine Chance. Nur eine. Wenn nicht, hast du es wenigstens versucht, wiederholte ich in Gedanken mein Mantra.

In Wirklichkeit fühlte ich mich aber so leer, als hätten die vergangenen Tage mich ausgesaugt. Als hätten sie mich für die Gegenwart einsam, alleine und unbrauchbar in der Ecke liegen gelassen und für die Zukunft zum flüchten verdammt. Das Mädchen, das vor Kurzem noch neben dem Leben lief, hatte sich innerhalb von einem Wimpernschlag die Beine gebrochen. Lief ich jemals neben dem Leben?

Eine kleine Hand tauchte vor meinem Blickfeld auf und wedelte ungeduldig in der Luft herum. Widerstrebend hob ich den Blick. Ich hatte gerade angefangen die kleinen quadratischen Fließen auf dem Boden zu zählen. Zählen soll einen ja angeblich ablenken, also begann ich Fließen zu zählen. Auf einer Party. Wow, vielleicht war mein persönlicher Untergang doch nicht so entfernt, wie ich dachte.

"Und?", schrie mir Anna mittlerweile so laut ins Ohr, dass ich erschrocken zusammenzuckte und mich ernsthaft um mein Trommelfell zu sorgen begann. Entgeistert sah ich sie an und nahm einen Schluck von meinem Getränk.

Grinsend verschränkte sie die Arme vor der Brust und zog eine Augenbraue hoch. "So, so. Wieso erzählst du mir jetzt also nicht von deinem Verehrer?"

Irritiert kniff ich die Augen zusammen und hielt in meiner Bewegung inne. "Wie bitte?"

Sie nickte verschwörerisch in Richtung Tanzfläche. Jedenfalls vermutete ich das, um uns herum waren hunderte von Menschen, etwas konkreter hätte sie für meinen Geschmack doch werden können.

Also folgte ich seufzend ihrer Kopfbewegung und ließ automatisch meinen Blick über die tanzenden Körper fliegen. Ich war noch nie auf vielen Partys gewesen und meine Augen mussten sich erst an das finstere, neblige Licht gewöhnen. Einige Leute kamen mir bekannt vor, dennoch erweckte niemand meine Aufmerksamkeit. Ich war schon kurz davor aufzugeben, bis ich plötzlich schlitternd vor meinem Ziel zum stehen kam, von dem ich bis zu diesem Zeitpunkt nicht wusste, dass es überhaupt existierte.

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