VII.

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Komm, lass dich gehen,
lass uns leuchten wie Sterne
und dunkle Tage umarmen.
Komm, lass dich gehen,
leuchten mit Freundlichkeit,
Warmherzigkeit,
und Liebe.
An dunklen, als auch hellen Tagen,
für immer leuchten.
Für eine kleine Unendlichkeit,
wie ein Stern im Universum, in Erinnerungen
Licht spenden.


Fassungslos starrte ich auf mein Handy. Unfähig mich zu bewegen. Was hatte ich mir dabei gedacht diesem Jungen voller Geheimnissen meine Adresse zu geben? Mit einem Blick auf meine Handyuhr stellte ich fest , dass ich noch eine Stunde Zeit hatte, bis er mich abholen kam. Verdammt. Ich sah an mir herunter, sprang auf und rannte in mein kleines Zimmer.

Ich war komplett verrückt geworden. Was hatte ich mir nur dabei gedacht? Panisch sah ich mich im Spiegel an, mein Herz klopfte unaufhörlich. Ich trug eine schlichte schwarze Jeans und einen weiten, roten Pulli. Meine schulterlangen, braunen Haare waren völlig zerzaust und hingen in Strähnen aus meinem Pferdeschwanz. Ich sah schrecklich aus. 

Nachdem ich die Überreste meiner verschmierten Wimperntusche beseitigt, meine Haare von Knoten befreit hatte, sodass sie mir halbwegs passabel über die Schulter fielen, überlegte ich, wie ich mich retten konnte. Tausend Gedanken rasten durch meinen Kopf. Was sollte ich anziehen? Oh mann, dachte ich. Ich wusste nicht einmal, wohin wir gehen würden, wie kalt es werden würde, wie lange wir wegbleiben wollten und um Himmels Willen: wie sollte ich meine Haare machen? und dann dachte ich: Wie sollte ich das Ganze überhaupt überstehen?

Mein Herz protestierte. Auf so viel Unbekanntes war es ganz und gar nicht eingestellt. Erneut schaute ich in den Spiegel. Sah dem Mädchen in die Augen. Moment. Ich atmete ein und ich atmete aus. Das hier war kein Date, sagte ich mir. Kein Jon. Nur ein dunkelhäutiger Junge und ich. Auf der Suche nach Sternen. Frische Luft durchströmte meine Lungen und ich beruhigte mich ein wenig. Das hier war ganz normal. So etwas machten normale Menschen. Ich war normal. Er war normal. Wir verabredeten uns. Der Sterne Willen.

Ich kam zu dem Entschluss, dass ich mich für nichts und niemanden schick machen musste. Ich musste mir gefallen. 

Außerdem war das Jo. Jo, ein normaler, dunkelhäutiger Junge, der mich schon viel schlimmer gesehen hatte. Ich brauchte mich nicht zu verstellen. Also suchte ich schnell meinen Geldbeutel, steckte ihn in eine kleine Tasche und stopfte nebenbei noch Taschentücher, eine kleine Flasche und meinen Schlüssel dazu. Sterne, ich komme!

Ich hatte noch zwanzig Minuten Zeit und beschloss nach draußen zu gehen und an der frischen Luft auf ihn zu warten. Genug Zeit, um mich seelisch auf ihn vorzubereiten. Mit einem letzten Blick in den Spiegel, ging ich aus meiner Wohnung, das stickige Treppenhaus hinunter, öffnete die Eingangstür und kalte Luft strömte mir entgegen. Ich atmete ein. Mein Herz blieb ruhig.

Schnell schloss ich die Tür hinter mir und drehte mich in Gedanken versunken um und wie aus dem Nichts, da stand er. Ein Meter von mir entfernt. Und da stand ich, völlig überrumpelt, die Hand reflexartig an den Hals gepresst, vor Nervosität machte mein Magen Purzelbäume. Mein Herz kreischte auf.

Wie eingefroren blieb ich auf den Treppenstufen stehen, die Augen auf ihn gerichtet, auf meine Hände und gleichzeitig hilfesuchend auf den Boden geheftet. Hilfe, war das Einzige, was mir durch den Kopf ging. Hilfe, im Sinne von: Ich glaube, ich gehe lieber doch wieder hoch. Nett, dass du gekommen bist. Man sieht sich!

Ich hatte mich auf eine zwanzig minütige Auseinandersetzung mit sämtlichen Horrorszenarien eingestellt und jetzt stand er hier, entschlossen und zerstückelte meine Pläne. Die Impro-Nummer wollte ich ursprünglich soweit wie möglich hinauszögern und jetzt, keine zehn Sekunden später, stand er vor mir und ich hier, ohne Worte. Völlig unvorbereitet. HILFE.

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