Kapitel 2

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Sie stand ganz in schwarz gekleidet auf einem Friedhof. In einer Hand hielt sie eine dunkelrote Rose und in der anderen einen goldenen Pfeil. Regina stand nur wenige Meter von einem Grabstein entfernt. Vorsichtig näherte sie sich dem Grab. Davor blieb sie stehen und ließ sich langsam auf die Knie sinken. Sanft strich sie mit den Fingern über die Inschrift des Grabesteins.

Regina versuchte die Tränen zu unterdrücken und wischte sich mit der behandschuhten Hand unbeholfen über ihr Gesicht, wobei sie ihre Schminke verwischte. Großartig, dachte sie, jetzt bin ich nicht nur verzweifelt, sondern auch noch hässlich.

Der Schriftzug verschwamm vor ihren Augen, als noch mehr Tränen über ihr Gesicht liefen und auf den gefrorenen Boden fielen. Regina versuchte erst gar nicht sie wegzuwischen.

Ihr Finger umklammerten die Rose fester, als sie laut aufschluchzte. Wenn sie jetzt keine Handschuhe angehabt hätte, hätten die Dornen ihre ganze Hand zerstochen. Zum Glück bin ich hier allein, dachte die Dunkelhaarige, es wäre eine Schande, wenn man mich so sehen würde. Die böse Königin spottete über sich selbst. Wie tief die Liebe einen sinken lässt.

Im nächsten Moment hasste sich Regina für diesen Gedanken. Sie hatte es nur Robin zu verdanken, dass sie noch lebte. Obwohl ich jetzt lieber tot wäre, fügte sie in Gedanken bitter hinzu. Dann müsste sie immerhin diesen Schmerz nicht ertragen.

Regina dachte an die Worte von Snow bei der Beerdigung zurück. „Es ist in Ordnung, dass es weh tut. Es ist sogar gut, dass es das tut. Das zeigt dir, dass es echt war. Lass den Schmerz zu, Regina. Irgendwann wird es dir besser gehen. Du kannst dich glücklich schätzen, ihn gekannt zu haben. Nicht jeder Mensch hat das Glück zu lieben und geliebt zu werden". Der Gedanke an diese Worte ließ Regina erneut aufschluchzen. Sie wusste tief in ihrem Inneren, dass Snow Recht hatte und ihre Worte zum Trost gemeint waren, aber trotzdem war eine gewisse Ironie dahinter, die von Snow nicht beabsichtigt war.

Sie hatte ihre Liebe noch. Ihr Seelenverwandter war bei ihr. Sie kannte den Schmerz nicht, wenn man seine Liebe verliert. Sie hatte ihr perfektes Leben. Einen Ehepartner, eine Tochter und bereits einen Enkel. Ob sie überhaupt wusste, was Schmerz war. Wie es sich anfühlt, wenn einen eine qualvolle, dunkle Welle überrollt, die über einem zusammenbricht und dort diese Stimme ist, die  immer wieder sagt, dass es deine Schuld gewesen ist.

Die Dunkelhaarige schüttelte den Kopf, als könnte sie dadurch die Schuldgefühle vertreiben, die sich in ihr Bewusstsein fraßen und sich dort ausbreiteten wie dunkler Nebel.

Vorsichtig löste sie ihre Finger, die krampfhaft die Rose umklammerten und legte sie behutsam auf die Steinplatte vor dem Grabstein. Einen Moment lang verharrte sie, dann legte sie vorsichtig den goldenen Pfeil auf den Stein. Der Pfeil repräsentierte all das, was Robin immer für sie symbolisiert hatte. Zum einen zeigte er sein früheres Leben als Dieb und seine Fähigkeit mit Pfeil und Bogen umzugehen. Der Pfeil stellte auch da, mit welcher Präzision er es immer wieder geschafft hatte, sie direkt ins Herz zu treffen. Die Vergoldung stand für seinen Glanz, seinen Mut, seine Aufrichtigkeit und seine unerschütterliche Liebe, die niemals verrostet war. Eine Liebe, die so stark und aufrichtig war, dass er für sie gestorben war.

Ein kalter Windzug brachte Regina zurück in die Realität. Ein Blick gen Himmel verriet ihr, dass es bereits abends war. Die Königin wusste, dass es eigentlich Zeit war zu gehen, bevor es gänzlich dunkel wird, aber ihr Körper war nicht in der Lage, sich zu bewegen. Sie konnte und wollte den Friedhof nicht verlassen. Nicht bevor sie sich richtig verabschiedet hatte.

Regina hatte es immer belächelt, wenn Menschen auf Friedhöfen mit ihren verstorbenen Liebsten sprachen, aber seitdem hatte sich viel verändert. Sie hatte sich verändert und Robin hatte einen großen Teil zu dieser Veränderung beigetragen. Irgendwie hatte Regina das Gefühl, sie sei es ihm schuldig, sich zu entschuldigen und alle diese Dinge zu sagen, die sie ihm nicht mehr mitteilen konnte.

Mission Happy End - Outlawqueen FanfiktionWhere stories live. Discover now