Prolog

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Die Sonne brannte auf die Fischer hinunter, welche gerade dabei waren ihr Fangnetz mit dem Kran aufs Land hinüber zu befördern. Einmal mehr war ihr Fang bestenfalls als karg zu bezeichnen, also machten sie sich wie schon länger gar nicht mehr die Mühe ihren Fang auf See zu sortieren.

Hisaya bediente den alten Kran, der auf dem Schiff fest verankert war. Diese Aufgabe fiel immer ihm zu, da er der geschickteste Kranführer im Dorf war. Unter dem Deck röhrte der Dieselmotor lautstark, um die Maschine mit Energie zu versorgen.

»Okay. Noch ein Stück nach links!«, rief Yōji, der an Land stand und überwachte, dass der Fang nicht aus Versehen wieder im Wasser landete.

Hisaya steuerte den Kran, als plötzlich das Netz stark nach vorne schwenkte.

»Ich sagte links!«, brüllte Yōji.

»Das war nicht ich! Das Schiff hat sich bewegt!«

»Unsinn! Wir sind im Hafen! Du hast bloss...« Yōji verstummte, da das Boot vor ihm höher stieg und Wasser auf den Pier schwappte. »Was...?«

Weiter draussen blubberte der Ozean lautstark. Verwundert sammelten sich die Fischer und starrten aufs Meer hinaus. »Yōkai...«, murmelten einige. Plötzlich schoss eine Fontäne in den Himmel und ein blaues Ungetüm stieg aus dem Wasser hoch. Mächtige Hörner standen von seinem Schädel ab. Der Körper war lange, ähnlich einer Schlange, doch er besass auch Gliedmassen. »Drache!« - »Wani!« Die Menschen wichen ängstlich zurück. Fast alle glaubten an Yōkai, aber noch nie hatte jemand einen gesehen. Ganz besonders keinen Wasserdrachen.

Sturzbäche prasselten auf die Meeresoberfläche. Der Wani starrte auf das Fischerdorf, welches vor ihm lag. »Menschen!«, dröhnte seine Stimme zum Land herüber. Sie war dermassen tief, dass die Vibration die Zähne der Fischer klappern liess und bis in die Knochen zu spüren war. Er hob seinen linken Arm, dann schleuderte er etwas auf das Dorf. Etwas Blaues war kurz zu erkennen, dann krachte das Objekt in ein kleines Lagerhaus, welches unter der Wucht zerschmettert wurde. Holzsplitter wirbelten in alle Richtungen und hagelten auf die verängstigte Bevölkerung nieder. »Hier habt ihr euren Attentäter wieder!« Der Wasserdrache durchpflügte den Ozean und näherte sich dem Pier. »Ich bin sehr ungehalten! Diese Anmassung wird euch teuer zu stehen kommen!«

Verwirrung, Angst und Panik erfüllten die Herzen der Menschen und sie stolperten und schwafelten wild durcheinander.

Mitten in dem ganzen Chaos stand Ayumi, die mit geweiteten Augen das Monstrum anstarrte. »Verdammte Scheisse«, hauchte sie mit zittriger Stimme. Dann endlich konnte sie sich losreissen und sah zum zertrümmerten Lagerhaus hinüber. Unter den Trümmern lugten ein Arm und blaue Haare hervor. »Yuna-chan!«

»Beweg dich endlich! Wir müssen weiterkämpfen!«

Ein leises Stöhnen drang aus dem Mund des Mädchens unter den Trümmern. Ich muss mich nur kurz ausruhen. Ich bin völlig fertig.

»Ich will dich nur ungern drängen, aber der Mistkerl hat uns direkt ins Dorf geschleudert!«

Okay.

Yuna biss die Zähne zusammen und begann sich vom Boden hochzustemmen. Einige zerbrochene Bretter rutschten voneinander und polterten auf den Boden. Die Jägerin richtete sich langsam auf, wobei ihr Blick auf das Holzschwert fiel, welches neben ihr lag. Sie umschloss den Griff mit ihrer rechten Hand und hob es hoch, dann schwang sie die Klinge auf ihre Schulter.

»Hast du einen Plan?«

Nicht wirklich. Und du?

»Ich bin für Vorschläge offen.«

Mist. Die Jägerin betrachtete den Wani, der kurz davor war den Hafen zu erreichen. Wie sind wir bloss in diesen Schlamassel geraten?

»Es war einmal ein langweiliger Urlaub am Meer...«

He he. Genau.

Ein japanisches SommermärchenWhere stories live. Discover now