22 Umgeben von Idioten

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Baumstämme, Sträucher und Blätter verformten sich zu einem Wirrwarr aus Farben, während Yuna durch den Wald hetzte. Selbst der Gesang der Zikaden wurde vom Rauschen des Windes übertönt. Sie hatte schon viel zu viel Zeit verloren. Wenn der Ushi Oni das Aal-Mädchen erwischen würde, wäre die Schere mit dem Wasser für Benjiro bestimmt ebenfalls dahin. Yuna musste gestehen, dass ihr wenig am Schicksal von Emi lag. Andererseits schien sie kein gefährlicher Yōkai zu sein - was vermutlich eine Seltenheit war.

Immer wieder schnupperte sie nach einem Hinweis und korrigierte ihren Kurs, aber Spuren der Verfolgungsjagd konnte sie keine ausmachen. Erst als die Luft salziger schmeckte, dämmerte ihr wohin die beiden unterwegs waren.

»Wenn sie mit der Schere ins Wasser springt, sind wir am Arsch.«

Was du nicht sagst. Verdammter Mist aber auch! Kann denn nicht einmal etwas klappen?

»Ich zucke mit den Schultern.«

Einmal mehr rollte die Jägerin mit den Augen. Hinter dem nächsten Gebüsch tauchte das weite Meer auf. Yuna konnte gerade noch reagieren und sich an einem Ast festhalten, wodurch ihre Beine in die Luft hoch schwangen. Sie liess ihren Blick über das Gebiet unter ihr gleiten. Wahrscheinlich hätte sie den Absturz überlebt, aber von hier oben hatte sie wenigstens eine Chance den Ushi Oni zu finden. Der Wald wurde lichter und zwischen einigen Baumkronen konnte sie den Ushi Oni sehen. Da er noch immer rannte, hatte er Emi wohl noch nicht erwischt. Allerdings war der Abstand zum Wasser auch nicht mehr allzu gross. Yuna lief die Zeit davon.

Sie rannte zurück und wandte sich der Klippe zu.

»Was hast du vor?«

Was denkst du denn?

Ein Seufzen erklang, dann spurtete die Jägerin los. Volles Rohr sprintete sie auf den Abgrund zu. Im letzten Moment stiess sie sich ab und torpedierte sich mit einem gewaltigen Sprung hoch über den Wald. Der Wind riss an ihren Zöpfen, während sie auf den Boden zuraste. Innert weniger Sekunden befand sie sich über ihrem Ziel und bereitete sich auf den Aufprall vor.

Sie kam dem Ushi Oni immer näher. Yuna machte sich bereit ihn mit allem zu treffen was sie hatte. Mit der zusätzlichen Wucht des Sturzes konnte sie ihn hoffentlich unschädlich machen.

Genau in dem Moment machte er einen Schlenker nach rechts – und ihre Hoffnung auf einen erfolgreichen Angriff zunichte. Die Jägerin prallte auf den Boden, wurde hochgeschleudert und knallte dann wieder auf den erdigen Grund. Dabei wirbelte sie eine grosse Menge Staub auf. Sie überschlug sich ein paar Mal, dann stiess sie sich ab, landete auf den Füssen und rutschte noch ein gutes Stück, ehe sie das restliche Momentum aufgebraucht hatte und dem Ushi Oni hinterher jagte.

Mit einem weiten Sprung landete Yuna auf dem Rücken des Ushi Oni und packte ihn an den Hörnern. Emi war nur noch wenige Meter vor ihm. Yuna zerrte an seinen Hörnern. »Schluss jetzt!«

»Sie schon wieder. Langsam werden Sie lästig, Oni.«

»Was auch immer. Lass das Mädchen in Ruhe!«

Der Ushi Oni stoppte und schüttelte sich. »Gehen Sie von mir runter!«

»Gerade wollte ich es mir gemütlich machen.« Yuna schielte zu Emi, die ihren Vorsprung ausbauen konnte.

Er sprang auf und ab, und schüttelte sich. Die Jägerin krallte sich fest und presste ihre Knie zusammen, um besseren Halt zu finden. »Runter von mir!« Der graue Nebel schoss wieder aus seinen Nüstern.

Yuna nahm einen tiefen Atemzug und hielt die Luft an. Langsam verschwanden sie im Nebel.

»Runter!«

Ein japanisches SommermärchenWhere stories live. Discover now