07 Gekochtes Essen und überkochende Gemüter

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Yuna knüllte die leere PET-Flasche zusammen und warf sie zielgenau in die Tasche, welche sie mitgeschleppt hatten. Inzwischen waren Rei und Ayumi ins Meer gegangen, um zu baden und bespritzten einander lachend mit Wasser. Sie warf einen flüchtigen Blick zu ihren Nachbarn. Tama schien ein Nickerchen zu machen, während Yui ihr den Rücken zugewandt hatte und wahrscheinlich noch immer in ihrem Buch las. Sie wollte ihre Schwester nicht anschnauzen, aber die Yōkai-Geschichten gingen ihr wirklich unter die Haut. Sie wusste einfach zu viel. Sollte Tama wirklich einem begegnet sein, musste sie noch wachsamer sein. Sie musste erfahren, womit sie es zu tun haben könnte.

»Pst... Yui«, zischte sie.

Die Locken der Blondine zuckten und sie schielte über die Schulter. »Hm?«

»Erzähl mir von dieser Unagi Hime.«

»Nein.« Sie wandte sich wieder ihrem Buch zu.

Ein genervter Seufzer verliess den Mund der Oberschülerin. »Zick jetzt nicht 'rum. Erzähl mir davon.«

»Du hast sehr klar gemacht, dass es dich nicht interessiert.« Gelassen blätterte Yui eine Seite weiter. Sie hörte, wie Tama sich bewegte und musterte ihn kurz. Er war so klug gewesen, dass er ein Badetuch unter sich ausgebreitet hatte, doch nun umschlang es seinen Körper wie eine Decke und er lag mit der Wange auf dem heissen Stein. Da er den Mädchen seinen Rücken zugewandt hatte, konnten sie nicht sehen, dass er die Augen geöffnet hatte und erwartungsvoll lauschte.

»Tut mir leid, okay? Jetzt erzähl schon. Was macht sie?«, bettelte Yuna.

Die Mittelschülerin wandte sich ihrer Schwester zu und blätterte zurück. »Es ist nicht sicher, ob es eine ist.«

»Was soll das heissen? Du hast damit angefangen.«

Yui nickte. »Schon, aber es war einfach das Erste, das mir eingefallen ist. Es gibt verschiedene Wächter für Teiche.«

Nach einem kurzen Grunzen fragte Yuna: »Es gibt Wächter für Teiche?«

»Ja. Aale, Spinnen und Krebse können zu Wächtern für Teiche werden.« Sie blätterte noch ein paar Seiten. »Wahrscheinlich können auch Frösche oder Schildkröten zu Wächtern werden.«

»Und was bewachen die?« Zur Antwort bekam die Ältere ein Schulterzucken. »Erzähl von der Unagi Hime.«

»Sie lebt auf dem Grund des Teiches und webt dort Kleidung.« Yuna unterdrückte ein Prusten und erntete von Yui einen tadelnden Blick.

»Tut mir leid.«

»Gut. Es kommt vor, dass ein Wächter herausgefordert wird. Weil Aale nicht besonders kämpferisch sind, versuchen sie einen Kämpfer für sich zu gewinnen. In der Geschichte in diesem Buch verwandelt der Aal sich in eine hübsche Frau, um einen Krieger zu rekrutieren.«

»Ein männlicher, oder ein weiblicher Aal?«

Die Textpassage nochmals überfliegend, antwortete die Mittelschülerin: »Darauf wird hier nicht eingegangen. Sie bringt ihn dazu, dass er gegen den Spinnenwächter antreten will, doch dann macht er einen Rückzieher. Als er am nächsten Tag zum Teich kommt, findet er den abgetrennten Kopf des Aals. Aus lauter Schuldgefühlen wird er wahnsinnig und ertränkt sich im Teich.«

»Wow. Was für eine bescheuerte Geschichte.« Yuna sah an Yui vorbei zu Tama. »Erzähl sie bloss nicht dem Kleinen, sonst kommt er noch auf komische Ideen.«

Die Blonde musterte den Knaben ebenfalls. »Er ist nicht wirklich kriegerisch. Vielleicht bei seinen Videospielen, aber sonst...«

»Ja.« Beide Mädchen lachten.

Ein japanisches SommermärchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt