26 Wie infiltriert man einen Palast am Meeresgrund?

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»Was?!«

In einer unnatürlichen Verrenkung richtete der Aal sich auf und wedelte mit den Brustflossen. »Schon gut. Das ist nicht schlimm!«

»Wie kann das nicht schlimm sein?« Yunas Finger knackten, als sie ihre Hände zu Fäusten ballte. »Wie in aller Welt wolltest du das mit Tama schaffen?«

»Er... ich... ich machte mir keine Gedanken darüber«, stammelte Emi. »Er wirkte so überzeugt. Schliesslich ist Tama-sama ein grosser Krieger an der Oberfläche.«

»Jetzt hör mir ganz genau zu. Tama ist nur ein kleiner, dummer Junge mit einer viel zu grossen Fantasie! Mit ihm wärst du nicht einmal bis hierher gelangt, denn er hätte sich schon längst in die Hosen gemacht.«

Emi stiess sich vom Boden ab und zog einen Kreis. »Tama-sama ist furchtlos! Er stellte sich sogar dem Ushi Oni!«

»Er rannte nur nicht weg, weil er vor Angst gelähmt war!« Yuna verschränkte die Arme vor ihrer Brust und seufzte. »Ist ja auch egal. Irgendwie krieg ich das schon hin.« Mit zusammengekniffenen Augen starrte sie zur Stadt. »Weisst du wenigstens wo die Wachposten sind?«

»Wachposten?«

»Jemand, der verhindert, dass jeder einfach in die Stadt latscht?«

»Das gibt es nicht. Oder gab es nicht.« Der Aal betrachtete den grimmigen Gesichtsausdruck der Jägerin. »Jeder ist willkommen. Ich meine, es ist nicht so, als würde man keine Mühen auf sich nehmen, um hierher zu gelangen.«

Yuna rieb ihr Kinn. »Wohl wahr...«

»Und ich weiss immerhin wo der Palast ist!«

»Und die Ningyo werden uns nicht attackieren, wenn wir uns durch die Stadt bewegen?«, fragte Yuna.

»Öhm... wahrscheinlich schon, aber...«

»Toll. Das ist super.« Das Mädchen liess sich auf ihren Po fallen und strich sich durch die Haare. »Ein verdammter Albtraum.«

»Keine Sorge. Ich führe uns problemlos zum Palast«, versicherte ihr Emi.

»Und wie willst du das anstellen, Blindschleiche?«

»Du bist wirklich schwer zu ertragen, Masuda-san!«

»Gleichfalls.« Weitere Luftbläschen blubberten vor Yunas Nase. Sie spähte weiter die Stadt aus, aber alles war verzogen und verschwommen.

»Aale haben einen ausgezeichneten Geruchssinn. Ich werde uns an allen Bewohnern vorbeischlängeln.«

Die Jägerin blickte herüber. Sie konnte unmöglich ablesen, ob Emi schauspielerte, oder ob sie tatsächlich überzeugt von ihren Fähigkeiten war. »Schön«, sagte sie und erhob sich. »Dann führ mich zum Palast.«

»Gut. Folge mir.« Der Aal tauchte Kopf voran über die Klippe ab.


Yuna hockte sich auf den Vorsprung und sah in die Stadt hinunter. Immer wieder blitzten zwischen den Häusern Schuppen auf, die das Licht der Anemonen reflektierten. Sie drehte den Kopf nach links, wo Emi in ihrer Aal-Gestalt lag.

Sie schielte hinüber. »Ging ganz gut, oder?«

»Ja. Ich geb es ungern zu, aber du hast das sehr gut gemacht.« Die Jägerin unterdrückte den Impuls ihre Hand auf den Kopf des Aals zu legen und ihn zu tätscheln. »Ich mein, abgesehen davon, als du dich auf diesen Krebs gestürzt hast und die Aufmerksamkeit der Ningyo auf dich gezogen hast.«

»Tut mir leid. Diese Sorte ist wirklich sehr lecker und ich habe ewig keinen mehr gegessen.«

»Schon gut. Ich konnte die Ablenkung effektiv nutzen.« Kurzerhand war Yuna einfach an dem ganzen Trubel vorbei geschwommen – direkt zum Palast, der im Zentrum der Stadt aufragte. Kurz darauf tauchte Emi bei ihr auf.

Ein japanisches SommermärchenWhere stories live. Discover now