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„Ach, komm schon

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„Ach, komm schon.... Früher mochtest du Weintrauben doch so gerne! Und das weiße Zeug ist auch keine Wandfarbe, sondern Naturjoghurt. Einen Monat mit Daddy P und schon mutierst du zum Feinschmecker?" Kopfschüttelnd betrachtete ich mein Patenkind, welches emsig dabei war, die ‚weiße Farbe mit den grünen Kugeln' in ihrer Schüssel herumzuschieben. Seit einer Woche ging Kiara nun schon zur Kinderbetreuung - sie hatte im Diner Lokalverbot bekommen, nachdem sie sämtliche Möbel im Büro dort mit Wachsmalkreide mit mehr oder weniger hübschen Bildern versehen und dann in der Küche eine von Pablos Fritteusen in Brand gesteckt hatte.
Anscheinend zündelte unsere kleine Maus gerne...
In Folge dessen waren sämtliche Kerzen und Streichhölzer bei uns Zuhause in einen der hochgelegenen Küchenschränke in die hinterste Ecke verbannt worden.

Nun ja, jedenfalls gefiel es Kiara bei ihren neuen Spielgefährten nicht sonderlich... sie wurde zunehmend bockig und entwickelte interessante Essgewohnheiten... um es einmal vorsichtig auszudrücken.
Dankenswerterweise hatte Val die Schichten von Kathi und mir angepasst, so dass wir abwechselnd arbeiten konnten und die Kurze nur für maximal drei Stunden am Tag bei der Tagesmutter war.
Heute hatte meine Besti die Spätschicht erwischt, während ich versuchte, Kiara dazu zu überreden, Obst und Joghurt zu essen und das obwohl sie ganz klar Vanillepudding wollte.
Ich wollte unbedingt eine halbe Flasche Wein exen und mich dann zum Horizontalsport mit irgendeinem heißen Kerl treffen!
Anscheinend wurden wir beide heute schwer enttäuscht ins Bett gehen müssen.
Kiara versuchte gerade die misstrauisch dreinblickende Katze davon zu überzeugen, dass die Weintrauben eine neue köstliche Art Katzenleckerlis waren und ich beschloss das Bestechung hier und heute angemessen war.
Heimlich holte ich die Oreos aus dem Naschversteck, schob die bereits würgende Mieze vom Teppich auf das Laminat und legte die Packung Kekse in Sicht-, aber nicht in Griffweite vor den kleinen Schlawiner.
„Wie wärs mit einem Deal? Du isst jetzt brav deine Schüssel leer und dann bekommst du vier Oreos zum Nachtisch..."
Kiara legte den Kopf schief und musterte das Bestechungsobjekt. Schließlich einigten wir uns auf fünf Plätzchen und das Märchen „Die wahre Braut" als gute Nachtgeschichte.
Ausgesprochen zufrieden mit den Verhandlungen schaufelte das Mäuschen nun begeistert den Joghurt in ihre Futterluke und ich hatte irgendwie den Eindruck, dass ich just von einer Vierjährigen über den Tisch gezogen worden war.
Derweil hatte Rain ihre Einstellung zu den Weintrauben wortwörtlich auf das Laminat gekübelt und saß mit steifen Rücken am Fenster... sie war für heute durch mit uns!
Nicht einmal als ich das Wort „Hähnchen!" säuselte, zuckte der Stubentiger mit den Ohren. Dass ihr grünes Futter angeboten worden war, empfand die gnädige Dame als die unverzeihlichste aller Beleidigungen.
Ich seufzte leise und schnitt die Hühnerherzen, die ich für Rain bereits gekocht gekauft hatte in kleine Stücke und tat sie in ihren Napf.
Ich wusste ja, dass Fräulein Mieze diese wegspachteln würde, sobald sie sich unbeobachtet fühlte.
Derweil hatte Kiara den Joghurt fertig gelöffelt - in einem Tempo, als gäbe es kein Morgen - und baumelte mit sich und der Welt zufrieden mit ihren kurzen Beinchen, während sie den ersten Oreo Keks aufdrehte und die Creme ableckte. Dann sah sie mit großen Kulleraugen zu mir und piepste: „Duuhuuu... Tante Lessa? Kann ich etwas Milch zu meinen Plätzchen haben? Die sind doch sonst so trocken!"
Ich drehte mich zum Kühlschrank um, damit der kleine Frechdachs mein breites Grinsen nicht sah.
Verflixt und zugenäht... Kiki erinnerte mich an ihre Mutter und ja, ok... auch an mich selbst, als wir noch klein waren und zwar so sehr, dass es fast schon gruselig war. Nur das meine Mama eine leere Bierflasche nach mir geworfen hatte, als ich so dreist gewesen war und nach einem Glas Milch fragte. Das Teil hatte mich an der Schläfe getroffen und glatt ausgeknockt. Als ich wieder wach wurde, war mir zum Sterben elend und ich hatte meiner lieben Erzeugerin auf die schmutzigen Pantoffeln gekotzt. Die Tracht Prügel, die ich daraufhin bekam hatte mein Gehirn fleißig verdrängt. Alles was ich noch wusste war, dass ich drei Wochen High School verpasst und meine lieben Mitschüler sich beim Anblick meiner allmählich verblassenden Hämatome recht unwohl gefühlt hatten. Leider nicht unwohl genug, so dass jemand den CPS angerufen hätte... so weit wollte man sich dann doch nicht in unsere Privatangelegenheiten reindrängen.
Mit einem genervten Kopfschütteln schob ich die ungewollten Erinnerungen wieder dahin zurück, wo sie hingehörten. Die Mistkuh, die mich in diese Welt gebracht hatte, versoff ihr Leben vermutlich immer noch in dem Kaff am Hinterteil der Welt in Minnesota und ich war weit genug von ihrem toxischen Einfluss entfernt.. hier in Sicherheit... gut, so sicher, wie man in New York City halt sein konnte.

Rasch goss ich das gewünschte Glas Milch ein, stellte es vor meiner zuckersüßen Patentochter ab und drückte ihr einen Kuss auf die seidigen blonden Löckchen.
Strahlend lächelte mich Kiara an und entblößte dabei stolz ihre Zahnlücke - die Zahnfee hatte ihr gestern Nacht dafür einen Dollar unter das Kopfkissen gelegt - und tunkte die beiden Kekshälften ein.
Auf einmal schoss Rain mit einem schrillen Kreischen gut einen Meter in die Höhe und raste mit irrem Blick und ausgefahrenen Krallen im Affenzahn durch die Wohnung. Die Katze sprang auf den Küchentisch, machte einen Buckel und schlich fauchend ein paar Schritte seitlich gewandt auf uns zu... dann folgte ein weiterer Satz, diesmal mit einem halben Salto und die Mieze peste wieder von dannen.
Geschockt und völlig verwirrt sah Kiara dem Pelzvieh nach, dann wanderte ihr Blick zu mir. Diesmal versteckte ich mein Lachen nicht und beantwortete kichernd ihre unausgesprochene Frage: „Das passiert bei so ziemlich allen Katzen. Ich nenne es die verrückten fünf Minuten... in ihren jungen Jahren kommt es häufiger vor, aber selbst alte Miezen ticken hin und wieder noch mal aus. Keine Ahnung warum... lehn dich einfach zurück und amüsiere dich!"

„MIIIAUUUU!"
Kreischend, als hätte sie eine Silvesterrakete im Hintern, raste Rain aus dem Schlafzimmer zurück, nahm haarscharf die Kurve um den Couchtisch herum und sprang aufs Fensterbrett. Dort putzte sie sich schnell und sehr aggressiv und warf uns einen Blick zu, der eine bizarre Mischung aus Drohung und Verzweiflung war. Dann legte sie die Ohren flach und setzte zur zweiten Runde an.
Kiara beobachtete die durchdrehende Mieze voller Interesse und hatte über deren verrückten fünf Minuten völlig vergessen, ihren Keks aus den Milch zu nehmen... was zur Folge hatte, dass der Oreo sich allmählich in seine Bestandteile auflöste.
Nachdem der Stubentiger noch ein paar Bremsstreifen in meinen Teppich gefräst hatte, lag Rain nun gelassen in der Ecke und reckte ihr Hinterbein in die Höhe... jetzt ganz wieder die hoheitsvolle Lady, die sie in Wahrheit war.
Das kleine Mädchen kicherte bei dem Anblick noch einmal und wandte sich dem in der Milch zerfallenden Keks zu.
„Oh... Taaaante Lessaaaa? Duhuuu... Einer von meinen Oreos ist schwimmen gegangen... kann ich bitte einen neuen haben?"
Ach verdammt... ich konnte diesem schmolligen kleinen Schnuckel echt nichts abschlagen! Also ersetzte ich den verloren gegangenen Nachtisch durch einen neuen.

Eine halbe Stunde später putzte Kiara brav ihre Zähne und legte sich in ihrem Einhorn-Pyjama ins Bett. „Bin fertig!" krähte sie und ich rückte mit dem Märchenbuch an. ‚Die wahre Braut' war seit vier Abenden die bevorzugte Bettlektüre und ich verstand auch warum. Es war ein wunderschönes Märchen, bei dem ich mich jedesmal wieder fragte, warum Disney es noch nicht für sich entdeckt hatte. Als die Braut und ihr Prinz wieder glücklich und sich küssend vereint waren, schlummerte die Kleine bereits tief und fest und nach einem Kuss auf ihre Stirn stahl ich mich ins Wohnzimmer, um mein wohlverdientes Glas Weißwein zu pichern. Rain hockte mittlerweile mampfend und vor Begeisterung laut schnurrend mit beiden Vorderpfoten in den zerstückelten Hühnerherzen.
Jepp... hier war auch alles in Ordnung...

Bis es dann nicht mehr war...

Kaum hatte mein Po das Sofa berührt, klopfte es laut und eindringlich an die Tür.
Ach, komm schon!
Echt jetzt?
Hatte Kathi etwa schon wieder ihren Schlüssel vergessen?
Seufzend quälte ich mich in die Höhe und tapste auf Socken, vorsichtig mein Glas gute Laune in einer Hand balancierend zur Tür und öffnete, bereit meine Besti anzupflaumen, weil sie so schrecklich vergesslich war.
Nur dass nicht Kathi vor der Tür stand... Es waren zwei Polizisten... und eine schluchzende Valeria.

Oh, bei allen Göttern... bitte nicht! Bitte, bitte nicht!

Es begann mit einem RingWhere stories live. Discover now