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Ok, ok, ok

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Ok, ok, ok ... den blöden Ring hinter der Toilette des Diners so ganz aus Versehen zu verlieren, war jetzt nicht die brillanteste Idee des Jahres gewesen.
Hin und wieder neigte ich leider zu Kurzschlusshandlungen, das will ich gerne zu geben und jahaa ... diese beißen mir auch jedes Mal irgendwie in den Arsch! Ich hatte schlicht und ergreifend Panik bekommen, als ich das Ding in der Hand hatte.
Zuvor war es eher eine Androhung gewesen; ich wusste, dass ich diesen arroganten Scheißkerl irgendwann heiraten musste, aber in diesem Moment wurde es auf einmal zu einer bitteren Realität.
Eine, die schon sehr, sehr bald eintreffen würde und ich gab es ja zu, ich hatte echt Angst!
Dass Maxim das Diner auf den Kopf stellen würde, konnte ich ja nicht ahnen.
Oder vielleicht doch ... tief in mir drin hatte ich wahrscheinlich gewusst, dass dieser Bratwa-Kerl einiges auf sich nehmen würde, um den Familienring zurückzubekommen.
Aber, ich meine ...
Ach, Schei ... benkleister noch mal, nein ... ich konnte mir das beim besten Willen nicht schönreden.
Ich hatte es echt verbockt.
Und mein schlechtes Gewissen hielt mich derart fest im Griff, sodass in der Nacht an Schlaf nicht wirklich zu denken gewesen war. Das kurze Nickerchen nach dem Frühstück hatte auch nicht dazu beigetragen, dass ich mich besser fühlte.
Seufzend stand ich also wieder auf und duschte mich schnell. Auch wenn mich alle für ein verwöhntes Püppchen hielten, welcher alles hinterhergetragen wurde, bevorzugte ich im Privaten dann doch eher schlichtes und kein opulentes stundenlanges Bad mit Rosenblättern und Badeperlen ... fast schon wütend föhnte und bürstete ich mir die Haare und schminkte mich.
Sollte ich ohne entsprechendes Aussehen das Haus verlassen, würde meine Mutter vermutlich einen Herzinfarkt bekommen und mein Vater ... ja, der würde das als wandelnden Affront gegen sich ansehen ... schaudernd versuchte ich die Erinnerungen abzustreifen ...
Erinnerungen an mein zwölfjähriges Ich, das gerade munter in die Pubertät gekommen war und angefangen hatte einen massiven Trotzkopf zu entwickeln.
Nun ... diesen hatte mir mein ach so liebender Vater ziemlich schnell wieder ausgetrieben. Er hatte mich in eines der speziellen, nennen wir es mal Zimmer im Keller gesperrt und dort drei Tage und Nächte hungern und dursten lassen. Derweil saßen seine Männer in dem Aufenthaltsraum nebenan und erzählten sich, was sie gerne so alles mit widerspenstigen Frauen und Mädchen anstellten.
Ich hatte heute noch Albträume, wenn ich an diese Zeit zurückdachte. Als ich endlich ein zitterndes, panikerfüllten Wrack war, ließ Vater mich ins Wohnzimmer schleifen und erklärte mir, sollte ich jemals wieder aufbegehren, würde dasselbe meiner kleinen Schwester angetan werden.
Mit dem Unterschied, dass es dann nicht nur Worte waren, mit denen seine Männer Alpträume hervorrufen würden.
Und Helena liebte ich mehr als alles auf der Welt.
Kaum einer außerhalb der Familie wusste von ihr.
Helena hatte das geistige Niveau einer Achtjährigen ... gefangen im Körper einer Erwachsenen. Sie war immer glücklich und liebte die Welt und alle darin mit einer Inbrunst, die mir manchmal Angst machte. Um meine kleine Schwester zu beschützen, würde ich die Stadt niederbrennen.
Also gehorchte ich stets.
Mal ganz abgesehen davon, dass Vaters Arm und vor allem seine Verbindungen weit reichten und eine Flucht so ziemlich aussichtslos war.

Als ich die Treppe hinabeilte, trat meine Mutter einem wahren Ungetüm von in weißer Seide gebundenen Ordner aus dem feudalen Wohnzimmer und rief: „Sarina? Komm, mein Kind. Ich möchte, dass du dir etwas ansiehst. Jetzt komm schon! Ich habe nicht viel Zeit und so viele Dinge zu planen! SARINA, jetzt!"
Ich verdrehte meine Augen und folgte ihr auf dem Fuße und bewunderte dabei, wie diese Frau im halb besoffenen Zustand schnurgerade auf zwölf Zentimeter High Heels durchs Foyer schwebte.
Ich war heute mit nur knapp der Hälfte davon unterwegs - alles über zehn Zentimeter war die reinste Folter in meinen Augen - und ignorierte gewissenspflichtig das angewiderte Schnauben meiner Mutter, welche genau die gegenteilige Meinung vertrat und meine „flachen" Victoria Beckham Stiefeletten mit Abscheu betrachtete.
Kaum dass ich den Raum betreten hatte, wünschte ich mich spontan ans andere Ende der Welt.
Blumenarrangements in Rot, Weiß und Rosa, wohin ich auch blickte ...
Kotz! Würg!
Da würde ich ja lieber mit Frodo zum Schicksalsberg wandern - jepp, riesiger und sehr geheimer Herr der Ringe Fan - als dass ich mir jetzt das hier antun wollte!
Blumen waren noch nie so meins, vor allem die riesigen Baccara Rosen, die den Raum mit ihrem opulenten Duft schwängerten, empfand ich als maßlos übertrieben.
„Sari! Schau doch! Sind die nicht wunderschön?"
Helena stürmte auf mich zu und rammte mir eine rosafarbene Blüte regelrecht ins linke Auge. Nur mit Mühe rettete ich meine Sehkraft, umarmte meine kleine Schwester stattdessen und küsste sie liebevoll auf den Scheitel.
„Sehr schön, Schätzchen. Deine Lieblingsfarbe. Möchtest du dein Kleid für meine Hochzeit auch in Rosa haben?"
Eifrig nickte Helena und tanzte summend durch den Raum davon. Meine Mutter verdrehte die Augen und murmelte hämisch: „Als könnte dieser Nichtsnutz zur Hochzeit kommen. Das würde ja unseren guten Namen zutiefst beschämen!"
Ich musterte das gigantische Gesteck aus roten und weißen Rosen vor mir und überlegte, ob schon mal jemand mit Blumen erschlagen worden war, oder ob meine geschätzte Mutter als Versuchskarnickel herhalten konnte. „Sarina? SARINA! Hörst du mir eigentlich zu?" Verwirrt kehrte ich aus meinen gewalttätigen Tagträumen zurück und merkte, dass ich seit geraumer Zeit die Blümchen anmeditiert hatte. „Was war?", fragte ich sehr originell und Mama Dearest knallte wütend den Ordner auf den Tisch.
„Schön! Ich muss dir auch nicht helfen! Es ist schließlich nicht meine Hochzeit. Alle meine Arbeit ist dir wohl nicht gut genug ..."
Ich schaltete ab.
Meine Mutter chanelte just alle Stunden ihres Drama-Schauspielkurses, den sie in ihrer Highschool Zeit belegt hatte, und diese Darbietung konnte erfahrungsgemäß eine ganze Weile dauern.
Sie würde rumkrakelen, jammern, mich als schlimmste Tochter der Weltgeschichte bezeichnete und wenn sie so richtig aufdrehte, würde sie sich auch noch die sechshundert Dollar Frisur zerzausen.
Selbst Helena wusste, dass Mama nicht unterbrochen werden durfte, wenn sie ihre zehn Minuten hatte, setzte sich neben mich und spielte mit der rosafarbenen Blüte.

„Was ich alles für dich geopfert habe ..."

Ich zupfte ein Blütenblatt von der Rose und blies es meinem Schwesterchen ins Gesicht, was sie leise kichern ließ.

„Undankbar! Einfach nur traurig, dass ich mit so viel Grausamkeit geschlagen wurde ..."

Ich unterdrückte ein Gähnen. Gott, eines musste ich ihr allerdings lassen. Mutter hatte echt Ausdauer! Allerdings fehlte bislang noch ihr Lieblingsausruf ...

„Ich hätte Schauspielerin werden können, stattdessen muss ich mich mit euch undankbaren Verschwendungen von Sauerstoff und Platz herumschlagen!"

Nope!
Da war er ja.
Helena ließ traurig den Kopf sinken und ich beeilte mich, die Wogen ihr zuliebe zu glätten. „Es tut mir leid, Mama. Du hast ja recht. Die Blumen sind wunderschön und du hast alles perfekt ausgesucht! Ohne dich würde ich das doch nie so hinbekommen. Kannst du mir vielleicht auch beim Kleid helfen?"
HA!
Nimm das, Drama-Schauspielkurs!
Besänftigt nickte meine Mutter und deutete auf das Ensemble aus Rot und Weiß, mit welchem ich sie kurz vorher noch hatte erschlagen wollen und zwitscherte: „Das dort gefällt mir am besten! Und Kleider shoppen werden wir morgen früh. Der Termin ist um zehn bei Bergdorfs und Sons. Sei pünktlich! Und jetzt fährst du zu Maxim, bittest dort auf Knien um Verzeihung und komm gefälligst mit dem Ring am Finger wieder zurück. Das Kleid muss schließlich darauf abgestimmt werden!"
Mit einem Wedeln der Hand war ich entlassen und ich verabschiedete mich mit einem Kuss von Helena, dann eilte ich hinaus.
Es auf die lange Bank zu schieben, würde eh nichts bringen. Wenn ich daran dachte, dass ich jetzt vor dem eingebildeten Fatzke auf den Knien herumrutschen und mich für das Verlieren seines ach so kostbaren Ringes entschuldigen musste, kam mir spontan mein Frühstücksjoghurt wieder hoch.
Vor allem, weil ich befürchtete, dass meine Mutter mir das Schmuckstück mit Sekundenkleber an den Finger betonieren würde, wenn sie den protzigen Diamanten erstmal zu Gesicht bekommen hatte.
Später würde ich einmal im Mexican Delight vorbeischauen. Vielleicht konnte ich ja doch noch irgendwie helfen, etwas von dem Chaos, welches ich verschuldet hatte zu beseitigen...

Es begann mit einem RingWhere stories live. Discover now