Acht

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Ich kenne sie nicht.
Und doch weiß ich so vieles über sie.

Ich habe sie nie getroffen.
Und doch ist es, als würde sie mich jeden Tag begleiten.

Ich lese nur ihre Nachrichten.
Und doch höre ich sie sprechen.

Ich stehe nicht vor ihr.
Und doch sehe ich, wie sie wild gestikuliert. 

Ich kreuze nie ihren Weg.
Und doch erinnere ich mich an den Duft ihres Parfüms.

Ich erzähle ihr ständig von einer neuen Schnapsidee.
Und doch unterstützt sie mich bei allen.

Ich greife nie nach ihrer Hand.
Und doch hilft sie mir jeder Zeit.

Ich habe ihr noch nie Gesellschaft geleistet.
Und doch fühlt es sich an, als wäre sie mir nah.

Ich erwarte es nicht von ihr.
Und doch bringt sie mich plötzlich zum Lachen.

Ich wohne nicht bei ihr in der Nachbarschaft.
Und doch kann ich sagen, wer ihr manchmal entgegenkommt.

Ich sage ihr, dass ich unscheinbar bin.
Und doch lassen mich ihre Komplimente aufblühen.

Ich suche sie nie auf.
Und doch inspiriert sie mich.

Ich schütte sie mit unnötigen Informationen zu.
Und doch behält sie konstant die Nerven.

Ich gehe nicht mit ihr einkaufen.
Und doch weiß ich, was sie trägt.

Ich sehe nur die Hälfte ihres Satzes.
Und doch vollende ich ihren Gedankengang.

Ich liege nicht in ihrem Bett.
Und doch träumt sie von der gleichen Person.

Ich vollbringe nichts Großes.
Und doch sagt sie, sie sei stolz auf mich.

Ich war nie in ihrer Stadt.
Und doch kenne ich die Geschäfte, in die sie geht.

Ich frage, womit sie ihre Zeit vertreiben wird.
Und doch fällt mir vorher ein, was sie am liebsten macht.

Ich begleite sie nicht.
Und doch bin ich über ihre Unternehmungen informiert.

Ich habe nicht ihren Musikgeschmack.
Und doch verstehe ich, was sie an ihrem so begeistert.

Ich schaue nicht in ihre glänzenden Augen.
Und doch freut es mich, sie glücklich zu wissen.

Ich habe sie nie getroffen.
Und doch kenne ich sie.

GEDANKENFÄDENWhere stories live. Discover now