5. One-Night-Stand

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Hastig stolperten wir über die gepflasterten Steine durch den gepflegten Vorgarten. Zu Fuß hatte es nicht mehr als zehn Minuten gedauert bis wir bei einem großen, modernen Haus angekommen waren. Viel mehr hatte ich von dessen Äußerlichkeit allerdings nicht mitbekommen, da meine gesamte Aufmerksamkeit Nate galt.

Ihm schien es ähnlich zu ergehen.

Den ganzen Weg hatten wir zurückgelegt, ohne unsere Hände voneinander zu nehmen. Immer wieder verfielen wir in eine atemberaubende Knutscherei, die einen Schlag durch meinen Körper schickte, der sich kribbelnd bis in die Fußspitzen ausbreitete.

Keuchend stolperten wir gegen die raue Hauswand neben der Tür.

„Autsch.", ich zuckte zusammen und rieb mir den Arm, der sich an dem rauen Putz etwas aufgeschürft hatte. Doch genauso schnell wie der Schmerz gekommen war, war er verschwunden und meine Konzentration legte sich abermals auf Nate, vor mir.

Seine harmonische Silhouette trat in dem schummrigen, gelblichen Straßenlicht deutlich hervor.

„Moment, ich suche den Schlüssel.", Nate wühlte in der Hosentasche seines orangenen Overalls bis ein Klimpern verriet, dass er den Schlüssel gefunden haben musste.
Vorsichtig schob er ihn ins Schloss und drehte ihn um die eigene Achse bis sich die Tür einen Spalt öffnete.

Mich durchfuhr ein weiterer Schlag bei der Erkenntnis, dass ich wirklich mit Nate nach Hause gegangen war und drauf und dran war mit ihm zu schlafen.

Mit ihm!

Umso länger ich mir sein Gesicht ansah, umso makelloser wirkte er auf mich. Selbst seine großen, hellgrünen Augen, die von den dunklen Wimpern, wie ein Bild von einem Rahmen, umspannt wurden erschienen mir irreal.

Vermutlich war er in seinem Alltag ein Womanizer durch und durch und konnte sich kaum vor weiblichen Angeboten retten. Ohne Zweifel erschien er mir eigentlich sowieso zwei Nummern zu groß für mich. Dessen schien er sich auch genaustens bewusst zu sein. Zumindest sah sein Selbstbewusstsein nicht danach aus, als wäre es sein erster One-Night-Stand. Im Gegensatz zu mir. Dafür stellte er sich zu geschickt und selbstsicher an.

Normalerweise wäre ich auf so ein oberflächliches Angebot auch nie eingegangen, doch dummerweise machte ihn diese Selbstsicherheit momentan um einhundert Prozent attraktiver, als er ohnehin schon war.

Meine Gedanken sollte mal einer verstehen, wenn ich mir sogar selbst ein Rätsel war.

Doch ich konnte diese Nacht nun echt nicht von mir behaupten die Brave gewesen zu sein. Ich musste mir eingestehen diese Situation ebenso herausprovoziert zu haben wie er, weil ich es gleichermaßen wollte. Zumindest mein Körper. Und momentan war das der einzige Befehl, den ich wahrnahm und dem ich folgen wollte. Triebe waren echt etwas Ungeheuerliches, wenn man mich fragte. Sie zwangen einen zu völlig absurden, irrationalen und unklugen Entscheidungen.

Warnend beugte sich Nate zu mir herunter und legte den Zeigefinger auf seine Lippen, um mir zu bedeuten leise zu sein: „Wir müssen in den ersten Stock. Das Gästezimmer ist mein Zimmer. Folge mir einfach, aber sei leise. Ich glaube die anderen schlafen schon."

„Verstanden.", wisperte ich zurück.

Kurz darauf öffnete er die Haustür und führte mich am Handgelenk in den dunkeln, geräumigen Flur hinein, ehe er die Haustür lautlos schloss.

Das Hineinschleichen hatte etwas Geheimnisvolles und Verbotenes ans sich, was Adrenalin durch meine Venen pumpte und die ganze Sache nicht minder attraktiv machte.

„Komm mit.", leise schlichen wir zu einer Treppe, die vom Flur abging. Durch das Straßenlicht, welches durch die großen, bodentiefen Fenster des Wohnzimmers ins Haus strömte, konnte ich gerade so viel von den Stufen ausmachen, um nicht über meine eigenen Füße zu stolpern.

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