43. Zerschmettertes Herz

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„Ich weiß nicht.", frustriert pustete ich eine Strähne aus meinem Gesicht, die irgendwie direkt vor meine Nase gefallen war und mich schon die gesamte Zeit störte.

Ich ließ mich rücklings auf meine Matratze fallen, indessen ich das Telefon weiterhin am Ohr hielt.

„Was weißt du nicht? Weißt du vielleicht nicht, ob du ihn liebst?", entglitt es Chiara mit einer spielerischen Selbstverständlichkeit: „Louana Garcia, ich kann dich diesbezüglich gern nochmal höchstpersönlich aufklären, weil ich nämlich deine beste Freundin bin und dich besser kenne als du dich selbst: Du bist sowas von definitiv in Nate verschossen."

Chiara hatte vorhin eigentlich angerufen, um sich nach meinem Wohlbefinden zu erkunden. Vor allem nach dem riskanten Vorhaben meinerseits.
Seitdem ich diesen Plan gegen Nates Vater verfolgt hatte, hatten wir uns tatsächlich nur selten zu Gesicht bekommen. Mal davon abgesehen, dass die letzten Wochen ohnehin eine chaotische Zeit waren, so dass ein Mädchengespräch unter Freundinnen längst überflüssig war.

Mittlerweile war es eine Woche her, dass wir Nates Vater in seine Schranken gewiesen hatten.

Eine ganze Woche, in der sich die Verbindung zwischen Nate und mir immer selbstverständlicher, leichter und echter anfühlte. Eine Woche, in der wir —obwohl es mir kaum als möglich erschien— noch enger zusammengewachsen waren. Wir hatten uns nahezu jeden Tag gesehen, Zeit miteinander verbracht, gelacht, gesprochen, hatten uns geküsst und berührt. Er raubte mir einfach den Verstand.

Alles, was wir erlebten, fühlte sich so unheimlich wundervoll an, dass es mir mittlerweile wirklich Angst bereitete, sobald ich nur eine Sekunde daran dachte, dass das irgendwann vorbei sein könnte oder gar nicht erst echt wäre.

Immer, wenn wir uns trafen sprachen wir über alles möglich, hatten unfassbar tolle Gespräch, die ich mit niemandem sonst in dieser Intensität führen konnte. Doch unter all den Themen war ausgerechnet eine Sache nicht zur Sprache gekommen: Unsere ‚Beziehung' zueinander wurde nicht ein Mal thematisiert. Nichtmal ansatzweise.

Und ich hatte furchtbare Angst vor diesem Gespräch, dem ich mich früher oder später stellen müsste. Wir konnten schließlich nicht Ewigkeiten so weiter machen.

Mittlerweile fühlte sich der Umgang mit Nate an wie eine echte Beziehung. Doch war sie das auch? Führten wir eine Beziehung? Denn besprochen hatten wir es noch nichts dergleichen.

Zudem hatten wir uns bis dato mit öffentlichen Zuneigungen zurückgehalten, was mich nur noch mehr verwirrte. Als wäre es ein gut geschütztes Geheimnis, dass wir in dieser Art Verbindung zueinander standen. Anfangs hatte das vermutlich den Nervenkitzel gesteigert und sich gut angefühlt etwas zu haben, was nur uns gehörte. Doch mit der Zeit wurde das alles mehr irritierend als angenehm.

„Ich weiß.", pflichtete ich Chiara bei. Es war das erste Mal, dass ich in ihrer Gegenwart nicht mal versuchte es zu leugnen. Dass ich die Gefühle für Nate offen zugab und es aussprach. Irgendwie ein ziemlich gutes, sowie beängstigendes Gefühl. „Ich mag ihn sehr."

„Ha!", quietschte Chiara vergnügt: „Ich wusste es. Ich wusste von Anfang an, dass da mehr mit Nate gehen wird."

Augenrollend ließ ich meinen Kopf in die weichen Kissen auf meinem Bett fallen: „Das Problem ist: Wir verbringen zwar unheimlich viel Zeit miteinander, aber irgendwie kam es noch nie zur Sprache, was das zwischen uns ist. Ich habe ehrlicherweise keine Ahnung wie er darüber denkt. Oft denke ich, dass er dasselbe fühlen muss, so wie er mich behandelt. Andererseits ist er, was seine Gefühle angeht, schon recht verschlossen, was ich ihm allerdings nicht mal übel nehmen kann. Schließlich geht es mir genauso. Argh.", frustriert grummelte ich in mich hinein. Es war eine wirklich unfassbar aussichtslose Situation, in der ich mich befand. Die letzten Wochen waren so ereignisreich und chaotisch, dass ich den Moment wohl irgendwie verpasst hatte, unseren Status klar zu definieren.

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