27. Mutterinstinkte und Vergangenes

9.9K 265 19
                                    

„Hier ist es?", fragte Nate abermals und sah aus dem Autofenster.

Wir hatten vor wenigen Augenblicken auf der gegenüberliegenden Straßenseite vor meinem Elternhaus geparkt. Es war bereits abends und ich war wirklich froh, dass wir endlich angekommen waren. Zwar war die Fahrt nicht so unangenehm wie vermutet. Zumindest hatten wir weniger schweigende Minuten als erwartet, was auch an meinen miserablen Singkünsten und den Highschool Musical Songs lag. Mittlerweile konnte ich allerdings kaum noch sitzen und hatte das Bedürfnis mir die Beine zu vertreten.

Nickend öffnete ich die Autotür und stürzte, wenig elegant, ins Freie. Tief sog ich die frische Abendluft ein, die man mit einem Pullover gerade so ertragen konnte. Sanft wirbelte der spätsommerliche Wind um meine Nasenspitze.

Auch Nate stieg aus dem Auto und trat auf die Straße: „Schick.", resultierte er, während er das kleine, zweistöckige Häuschen meiner Eltern betrachtete.

„Ich weiß, ich weiß. Es ist nicht das größte Grundstück, so wie du es vielleicht von zu Hause gewohnt bist. Aber warte ab bis du drin bist: Es ist super gemütlich.", versuchte ich seinen Blick als Enttäuschung zu deuten. Vermutlich war er, dank seines stinkreichen Arschlochvaters, in einem dreimal so großen Anwesen aufgewachsen.

Ich lief zum Kofferraum, um ihn zu öffnen und meine Tasche heraus holen zu können.

Nate gesellte sich an meine Seite, um mir behilflich zu sein: „Du verstehst das falsch. Das wollte ich damit überhaupt nicht ausdrücken. Ich war nur überrascht, dass ich mir dein Elternhaus genauso vorgestellt hatte."

Mit einer hochgezogenen Augenbraue sah ich zu ihm auf und schulterte meine vollgestopfte Reistasche.

„Nicht, dass ich mir schonmal vorgestellt hätte wie du aufgewachsen bist. Nicht vor heute jedenfalls.", versuchte er sich haspelnd aus der Affäre zu ziehen. Verlegen kratze er sich am Nacken.

„Stalker, sag ich ja.", schmunzelte ich, amüsiert über seine Verlegenheit.

Daraufhin entfloh Nate ein kurzes Lachen, welches seine vorherige Nervosität wie weggeblasen wirken ließ. Ein Schmunuzeln legte sich auf seine Mundwinkel, ehe er seinen Rucksack schulterte, den Kofferraum zuknallte und das Auto schloss.

Gemeinsam liefen wir über die wenig befahrene Straße zum Grundstück meiner Eltern. Wir passierten schweigend den Vorgarten, stiegen die wenigen Stufen zur Haustür hinauf und ich drückte auf den Klingelknopf.

Nate warf ich rasch noch einen lächelnden Blick zu, um ihn zu beruhigen. Irgendwie schien er mir doch sehr nervös vor dem Treffen mit meinen Eltern.

Vermutlich stünde ich vor einem Treffen mit seiner Familie am Rande eines Nervenzusammenbruchs. Bei solchen Dingen war ich prinzipiell ein nervliches Wrack. Man wollte eben einen guten ersten Eindruck hinterlassen, vor allem wenn man eingeladen wurde.

So gesehen hatte er es wirklich noch gut unter Kontrolle.

Wenige Sekunden später wurde uns die Tür geöffnet. Von niemand geringerem als meiner Mutter, die euphorisch die Tür aufriss und mich sofort liebevoll in ihre Arme zog. Kurz schloss ich die Augen und erwiderte die Umarmung fest. Ich hatte meine Mutter wirklich vermisst. Ihr liebevolles Temperament, ihr Lachen und  ihre Fürsorge.

Anschließend lösten wir uns voneinander: „Es ist so schön, dass du endlich wieder da bist mein Schatz.", sie strich mir noch einmal über die Wange und betrachtete mich glücklich: „Ich bin gerade dabei Essen zu kochen, also kommst du genau richtig. Ich denke ein gutes altmodisches Abendessen mit der Familie wird dir nach dem Studentenleben richtig gut tun.", lächelte sie mir liebevoll entgegen.

AttractionWhere stories live. Discover now