Kapitel 9

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Die Schmiede wirkte Marlon auf einmal so fremd. Nach allem, was passiert war, zu dem Ort zurückzukehren, den er als Heimat kannte, war ein eigenartiges Gefühl. Anders als die größten Teile Dronars war die Schmiede heil geblieben. Es herrschte eine rege Unordnung, aufgrund der Erschütterungen, die durch den Drachen hervorgerufen wurden.

Olaf ließ sich auf einen Hocker fallen und atmete auf. Ihn hatte das Erlebnis körperlich scheinbar sehr mitgenommen. Er war schon lange Zeit nicht mehr so weit in das Dorf hinein gegangen. Seine sonst so starken Gesichtszüge waren ein wenig eingefallen. Ihm schien die Begegnung mit dem Drachen mehr abverlangt zu haben, als man ihm auf den ersten Blick ansah.

Selbst wenn das Geschehene noch tief saß, schwirrte Marlon ständig ein anderer Gedanke im Kopf herum. Etwas, das Olaf gesagt hatte, als er dem Biest gegenüberstand.

Er lehnte sich gegen die alte Werkbank und überlegte, wie er das Thema am besten ansprechen sollte. Ihm war unwohl dabei, dieses Gespräch mit Olaf zu führen. Doch trotz der Umstände wollte er endlich die Wahrheit erfahren, die ihm sein Lehrmeister offenbar jahrelang verschwiegen hatte.

»Du sagtest dem Drachen, er soll mich nicht auch noch töten. Was meintest du damit? Es hat was mit meinem Vater zu tun, hab ich recht?«, stellte er fest und beobachtete Olafs Reaktion genau.

Kurz zog er seine Augenbrauen hoch, schaute anschließend auf den Boden. Er ließ sich kaum etwas anmerken. Marlon war unsicher, wie er das Verhalten deuten sollte. Klar war, dass ihm die Frage unangenehm war.

»Ich dachte, er wäre bei einem Feuer umgekommen«, redete Marlon weiter, als keine Antwort von Olaf kam. Es fiel ihm schwer, darüber zu reden, wenngleich er sich nicht an seinen Vater erinnerte. Er wusste nichts mehr von dem, was damals passiert war. Dennoch war es ein beklemmendes Gefühl, immerhin sprach er über ihn, als sei er ein Fremder.

Olaf nickte zaghaft, dann schüttelte er den Kopf. Er sah aus, als rang er mit sich selbst, wie viel er Marlon erzählen sollte. Aber diesmal würde dieser sich nicht mit einer beliebigen Geschichte zufriedengeben.

»Ist nicht gleich, was geschehen ist?«, fragte Olaf aufgewühlt. »Hauptsache du bist hier und lebst. Schau dir das Chaos an. Sollten lieber aufräumen. Hilf mir das Zeug aufzuheben.« Der alte Schmied hievte sich tatsächlich auf und begann aufzuräumen, nur um dem Gespräch aus dem Weg zu gehen. So leicht wollte Marlon allerdings nicht aufgeben. Sein gesamtes Leben hatte er geglaubt, sein Vater wäre bei einem Brand umgekommen. Nun zeigte sich zufällig, dass dem wahrscheinlich anders gewesen war. Es war nicht einfach, darüber hinwegzusehen. Vor allem, wenn sein Tod mit dem Drachen zu tun hatte. Von diesen Wesen hatte Olaf ihm nämlich auch kaum etwas erzählt. Es musste einen Zusammenhang geben.

»Wie ist mein Vater gestorben, Olaf? Du weißt es doch, wieso willst du es mir nicht sagen?« Er half ihm, die Unordnung wegzuräumen, verharrte aber vehement darauf, zu erfahren, was damals geschehen war. Er war es leid, als wohl einziger Mensch in ganz Dronar rein gar nichts über ihn zu wissen.

»Der hat dein Interesse nicht verdient, Junge. War nicht für dich da, als du ihn brauchtest. Deine Neugier ist also unangebracht. Wenn er noch leben würde, würdest ihn dennoch nicht deinen Vater nennen.« Olafs Stimme klang wütend, sein Gesicht allerdings blieb weich und erschöpft.

Unter normalen Umständen hätte Marlon mit der Fragerei aufgehört. Er merkte, wenn es seinem Lehrmeister zu viel wurde, und richtete sich danach. Aber diesmal blieb er hartnäckig. »Ich habe das Recht, es zu erfahren! Ob er es wert war oder nicht, darüber kann ich selbst urteilen.« Inzwischen war er gereizt. Er hatte Olaf stets geglaubt, wenn er ihm erzählte, was passiert war. Doch nun zweifelte er zum ersten Mal an der Geschichte.

Der GezeichneteWhere stories live. Discover now