Kapitel 20

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»Willst du mir nicht endlich erklären, was du damit meintest, ich sei dein Geprägter?« Marlon redete bestimmt schon eine Woche auf Andalie ein, die sich noch immer weigerte, auch nur ein Wort mit ihm zu wechseln.

Immerhin war ihr zerstörerischer Blick, mit dem sie ihn zu Beginn stets gemustert hatte, inzwischen freundlicher geworden.

Das half ihm aber trotzdem nichts, schließlich brachte es ihm keine Antworten.

Dass sie ihn als Geprägten bezeichnet hatte, klang nicht so, als war es einfach nur daher gesagt und konnte überhört werden. Auch Deros hatte ihn ihren Meister genannt. Es machte den Anschein, als trug er eine gewisse Verantwortung. Und darüber wollte er informiert werden.

Doch Andalie war nicht bereit, ihm die entsprechenden Auskünfte zu geben.

Sie lagen wieder gemeinsam am Teich, Andalie ließ ihren Schweif darin baumeln, hatte den Kopf an Marlon geschmiegt und hielt ihre Augen geschlossen. Sie brauchte nicht mehr wachsam zu sein, denn sie wusste, dass er ihr niemals etwas antun würde. Das hatte sie sogar Deros deutlich gemacht.

Marlon hatte dabei festgestellt, wie melodisch ihre Stimme war. So rein wie das Wasser, in dem sie badete. So zierlich wie die blauen Schuppen an den Seiten des Kopfes. So lieblich wie sie selbst, wenn sie friedlich auf der Wiese lag und schlief.

Marlon hatte bereits so viele ihrer Eigenarten entdeckt, ohne überhaupt mit ihr gesprochen zu haben. Ihr entzückendes Gurren, wenn er sie streichelte und die leisen Melodien der Vögel, die sie mitsummte. Ihm gefiel alles, was sie machte. Aber am meisten freute er sich über das seltene Grinsen, das ihr Gesicht hin und wieder umspielte. Dann wirkten sogar die aus dem Maul ragenden Zähne weniger erschreckend.

Anders als vor dem Treffen mit Deros, schien es ihr jetzt Spaß zu machen, ihm nicht zu antworten. Sie bemerkte bestimmt, wie verzweifelt er langsam wurde.

»Du bist auf ihn geprägt?«, hatte Fynn nur verwundert gefragt, als er das einseitige Gespräch mithörte und Andalie hatte genickt. Mehr war nicht aus ihr herauszubekommen. Nur ein fahles Lächeln. Beinahe so, als wollte sie ihm damit sagen, sie solle es ihre Sorge sein lassen.

Doch es betraf nicht nur sie. Wenn er wirklich ein Geprägter war, dann hatte er ein Recht darauf, zu erfahren, was das überhaupt bedeutete.

Das hatte sicher mit der Schuppe zu tun. Seit er sie gefunden hatte, geschahen ständig solche seltsamen, furchteinflößenden und wunderschönen Dinge. Fast so, als sei sie der Auslöser für die ganzen letzten Wochen gewesen. Und wenn Deros die Wahrheit gesagt hatte, war sie der einzige Grund, weshalb es ihm erlaubt war, das Tal zu betreten.

Marlon ließ sich schließlich seufzend in das Gras fallen. »Du bist ziemlich stur, weißt du das?« Er erwartete gar keine Antwort. »Liegt das daran, dass du ein Drache bist, oder bist nur du so dickköpfig?«

Mit einem Schnauben machte sich Andalie bemerkbar und ein Grinsen stand deutlich auf ihr Gesicht geschrieben, auch wenn sie versuchte, Marlon böse anzufunkeln. Er schmunzelte

Er lachte, weil es ihr nicht gelang. »Komm schon, Andalie. Ich hab dir inzwischen nahezu alles über mich erzählt. Wenn du nicht bald in das Gespräch mit einsteigst, werden wir beide schweigen müssen.«

»Schlimm genug, dass du mich verstehen kannst«, sagte sie und kicherte. Sie klang dabei tatsächlich wie ein normales Menschenmädchen und weniger wie ein meterhoher Drache, der ganze Häuser überragte.

Marlon setzte sich gleichermaßen überrascht, wie auch triumphierend auf. »Hat es dir wohl doch nicht auf ewig die Sprache verschlagen. Hallo, ich bin übrigens Marlon«, stellte er sich gekünstelt vor und nickte ihr ebenso theatralisch zu.

Der GezeichneteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt