8 - Und was man weiß, kann man nicht brauchen

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Er begrüßte mich mit einer Umarmung und sofort hatte ich ein richtig gutes Gefühl, was diesen Tag betraf. Nils trug einen Kapuzenpullover, wodurch sein Kreuz breiter als gewöhnlich wirkte.

„Freut mich, dass du gekommen bist", sagte er und ich konnte ihm echt Freude vom Gesicht ablesen.

„Ich kann mir das doch nicht entgehen lassen. Ich habe noch nie einen Schwimmwettbewerb gesehen. Geht es um etwas Wichtiges?"

Nils lachte und schüttelte den Kopf.

„Nein, es ist nur ein internes Internatsturnier, aber ich habe ganz gute Chancen zu gewinnen, denke ich."

„Das will ich auch hoffen", scherzte ich und hoffte, dass er sich dadurch nicht unter Druck gesetzt fühlte.

„Ich werde versuchen deine Erwartungen zu erfüllen."

Ich nickte und wir sahen uns schweigsam an. Er hatte locker die Hände in den Hosentaschen seiner Jeans, während ich mit meiner Haarsträhne spielte.

„Komm, lass uns reingehen."

Er führte mich in die Schwimmhalle, in der die Luft tropisch heiß war. Mir wurde jetzt erst bewusst, dass ich die meiste Zeit wohl ziemlich allein sein würde. Schließlich würde er durchs Becken paddeln und ich ihm von Rand aus dabei zusehen. Als Date ging das heutige Treffen wohl nicht durch.

Nils blieb urplötzlich stehen und ich lief in ihn hinein. Wie vorgestern bei der versteckten Treppe und wieder fing er mich auf.

„Sorry", murmelte ich verlegen. „Hab nicht damit gerechnet, dass du plötzlich stehen bleibst."

Er schmunzelte.

„Naja, ich dachte mir, dass es nicht so günstig ist, wenn du mir in die Umkleide Kabine folgst." Er zeigte auf das Männersymbol über unseren Köpfen. Wir standen direkt vor den Jungsumkleiden.

„Oh."

Peinlich berührt stieg mir die Röte ins Gesicht.

„Geh einfach den Gang bis zum Ende. Dann kommst du bei den Tribünen raus und das ganz ohne nackte Männerärsche sehen zu müssen. Wir sehen uns nachher, okay?"

Also seinen Hinter würde ich schon gerne sehen.

Ich nickte und sah ihm nach, wie er in den Umkleiden verschwand. Die Vorstellung, dass er sich gerade direkt hinter der Wand entkleidete und in eine enge Badehose quetschte, brachte mich zugebenermaßen um den Verstand.

Ich ging den Gang entlang zur Schwimmhalle. Ich wusste, dass das Internat eine eigene hatte, doch ich hatte sie noch nie zuvor betreten. Ich war erstaunt, wie viele Menschen hier als Zuschauer Platz fanden. Mir fiel sofort auf, dass sich jede Menge Grüppchen gebildet hatten. Alle Schüler des Internats schienen ihren Samstagvormittag hier zu verbringen. Ich fühlte mich plötzlich unglaublich verloren zwischen all den Menschen.

Ich suchte mir ein leeres Plätzchen. Niemand schien mich wahrzunehmen. Alle waren in Gespräche vertieft. Viele trugen ihre Hoodies mit der Aufschrift „Schloss Straußberg". Ich saß hier mit einem rot-weiß gepunkteten T-Shirt.

Ich holte mein Buch aus der Tasche und begann zu lesen. Bis Montag musste ich Faust durchgelesen haben und im Moment gab es nichts Besseres zu tun, als ein paar schlaue Worte in mein Gehirn zu prügeln.

O glücklich, wer noch hoffen kann, aus diesem Meer des Irrtums aufzutauchen! Was man nicht weiß, das eben brauchte man. Und was man weiß, kann man nicht brauchen."

Ach Goethe, du altes Haus, warum drückst du dich nicht einfach und deutlich aus?

Plötzlich wurde geklatscht und ich blickte vom Buch auf.

Secret LoveWhere stories live. Discover now