13 - Ohne Vorwarnung

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„Wo hast du denn heute deine Gesichtsmaske gelassen?", ertönte es, als ich eine Käseplatte absetzte.

Ich sah auf und blickte in die Fratze einer Blondine, deren Brüste durch einen Push-UP bis zum Ultimo hochgedrückt wurden.

„Die Frage ist eher, wo du deinen Anstand gelassen hast?", entgegnete ich und war wohl darauf bedacht ein freundliches Gesicht zu bewahren.

Sie lachte künstlich und sah zu ihrer besten Freundin, die neben ihr stand und genau fünf Salatblätter auf dem Teller hatte.

„Als ob du etwas von Anstand weißt. Du hast das Sprechen wahrscheinlich auch von ner Kuh gelernt."

Ich rollte meine Augen und griff nach der Wurstplatte. Von dieser blöden Kuh würde ich mich weder provozieren noch den Tag verderben lassen.

„MUH!", machte ich in ihre Richtung und verschwand dann in die Küche. In der Spiegelung einer Glasscheibe sah ich noch ihr entsetztes Gesicht. Es konnte mir egal sein, was sie über mich dachte.

Ich fühlte mich gut, denn ich war nach der Arbeit wieder mit Nils verabredet. Eine bessere Motivation gab es nicht die Arbeit zu überstehen.

Beim Essen hatte ich ihn nur kurz gesehen. Er hatte sich gerade an dem Schweinebraten bedient, als wir kurzen Augenkontakt hatten. Wir beide versuchten uns unauffällig anzulächeln. Dann hatte er das letzte Stück Fleisch genommen und ich ging mit dem Behälter nach hinten in die Küche. Als ich ihn abstellte, bemerkte ich einen kleinen Zettel an der Unterseite. Jemand hatte ihn mit Klebeband befestigt. Ich zog ihn ab und faltete ihn auf. Ich befürchtete eine Mobbingattacke von meiner neu gewonnenen Rivalin, doch dann ich sein Herzchen.

„Freu mich, dich nachher zu sehen!"

Ich lächelte glücklich in mich hinein und steckte mir den Zettel in die Hosentasche. Ich hätte vor ein paar Wochen nicht einmal gedacht, dass es überhaupt solche Jungs gab und plötzlich hatte ich so einen als Freund. Das war wirklich unglaublich.

Der Zettel war noch immer in meiner Hosentasche, als ich mich eine Stunde später bei Nils mit einem Kuss bedankte.

„Ich wollte dir heute das geheime Bibliothekszimmer zeigen", offenbarte er mir unsere Abendplanung.

Es wäre besser, wenn ich heute nicht zu spät nach Hause kam. Mama fragte immer öfter, was ich denn an den Abenden machte. Zwar hatte ich jedes Mal eine Ausrede parat, doch ich hatte nicht das Gefühl, dass sie mir glaubte.

„Gerne", sagte ich trotzdem und nahm somit viel potenziellen Ärger auf mich.

Händchenhaltend gingen wir in das Gebäude. Es war kaum jemand hier, der uns Beachtung schenken konnte. In der Bibliothek saßen vereinzelt ein paar Schüler, die ihren Nasen in dicke Wälzer gesteckt hatten. Niemand nahm uns war. Wir schlenderten zwischen den Bücherregalen entlang und versuchten aus Rücksicht möglichst leise zu sein. Dann blieb Nils vor einem Regal stehen, das genauso wie alle anderen aussah.

„Erinnerst du dich daran, was ich dir über den Grafen erzählt habe, der das Schloss in Auftrag gegeben hat?", flüsterte er.

„Er steht auf Geheimgänge."

„Genau. Und auf versteckte Räume", ergänzte er.

Dann zog er ein Buch aus dem Regal und steckte seine Hand in die entstandene Lücke. Ich sah nicht genau, was er dort tat, aber plötzlich schwang das Bücherregal träge nach vorne.

Erschrocken wich ich zurück und hielt mir meine Hand aufs Herz.

„Oh Gott! Du musst mich doch vorwarnen!"

Secret LoveWhere stories live. Discover now