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W R I T E on Paper war ein Laden aus einer anderen Zeit. In Anbetracht dessen, was sie dort verkauften, Briefpapier, das heutzutage kaum jemand mehr nutzte, passte es wohl. Die Steinwände waren weiß und rau wie Pergament. An der kompletten Vorderfront wanden sich lila Kletterpflanzen. Sie verdeckten zum Teil die vergoldete Aufschrift des Ladennamens. Vor dem Laden standen, wie versprochen, pinke Klapptische und Stühle. Ein älteres Ehepaar, das definitiv nicht unseren Kurs besuchte, nahm einen der Tische in Anspruch. Sie unterhielten sich nur.

Im Eingangsbereich schossen vier Säulen, die die Fenster einrahmten, empor. Sie waren in demselben Farbton wie das Ladenschild gehalten – türkis mit goldenen Highlights. Mir waren das hier zu viele Blumen. Ich mochte die kahle und tote Stimmung im Winter. Dem Wachsen von Dingen konnte ich nichts abgewinnen. Vermutlich, weil ich es selbst nicht auf die Reihe bekam. Bei mir starben alle Pflanzen.

Beim Eintreten in den Laden erklang eine alte Glocke, die direkt über der Tür hing. Die Steinmauer zog sich hier drinnen fort. Dafür, dass Write on Paper von außen so unscheinbar wirkte, war er von innen geräumig. Als Eyecatcher diente der Ladentisch in der Mitte. Über fünfundzwanzig braune Schubladen im altertümlichen Design bargen die unterschiedlichsten Sorten an Briefpapier. Darüber gab es Washi Tape, Stempel und Sticker.

Um Herrn Thiels Bekannten zu gefallen, hatte ich mir extra nichts zum Schreiben mitgenommen. Wenn ich mir hier allerdings die Preise ansah, würde ich das nicht regelmäßig machen können. Zugegeben, die Sachen waren hochwertig und wunderschön. Ich liebäugelte mit einem goldenen Kugelschreiber. Er war bedruckt mit den Worten: for sad letters. Passte zumindest perfekt zu dem Kummerkastenprojekt. Ich nahm ihn mir aus der Halterung.

Ich zog eins der Briefpapiere heraus. Der Duft nach frischem Papier stieg mir in die Nase und erinnerte mich daran, warum es auch eine gewisse Tragik hatte, dass Nachrichten immer weiter digitalisiert wurden. Und das Gefühl, etwas Haptisches umzublättern, fehlte ebenso. Die persönliche Note der Schrift ging verloren, da sie nur Arial oder Times New Roman verwendeten.

Das Motiv zeigte einen blumigen Rahmen. Nicht alle Blumen hatten sich geöffnet, aber ein paar blühten in einem kräftigen Rot. Das vergilbte Papier war von schwachen Mustern geprägt. Wenn man es ins Licht hielt, könnte man meinen, dass es bereits beschrieben wurde. Da es mich sofort ansprach, nahm ich mir einen Block heraus. Mehr benötigte ich nicht, aber plötzlich siegte mein Sinn für Ästhetik und ich beäugte einen Stempel. Der Griff war hölzern und als ich ihn umdrehte, offenbarte sich mir ein Adler. Ich suchte weiter und fand irgendwann sogar das Motiv unserer Uni.

»Das ist ein Wachssiegelstempel.« Die Stimme des Verkäufers ließ mich zusammenzucken. Unter seinem Schnurrbart zeichnete sich ein freundliches Lächeln ab. Er hielt mir eine goldene Wurst entgegen, die scheinbar aus Wachs bestand.

»Ich bin wegen des Kummerkastens hier«, erklärte ich ihm.

Lächelnd deutete er auf etwas, das hinter ihm sein sollte. An der Wand stand der besagte Postkasten. Er sah anders aus, als das Bild, das Herr Thiel uns gezeigt hatte. Er war nicht so neumodisch und passte zum altertümlichen Stil des Ladens. Das Messing ergoss sich, als träge der Briefkasten eine Krone. Das Wort Briefe war vergoldet, ebenso die Nummern.

Box Nr. 7Where stories live. Discover now