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D E N letzten Brief, den ich seit einer ganzen Weile aus Box Nummer sieben holte, war ein schmaler Streifen. Kein richtiger Brief, sondern ein Stück, das jemand seinem Block entrissen hatte. Die Schrift sah ich zum ersten Mal. Möglich, dass sie zu Nummer zwei gehörte, der einfach nur aufgebracht war. Diesen kurzen Satz könnte jeder schreiben. Er war ausschließlich in Großbuchstaben verfasst. Die Person hatte mehrere Male mit einem schwarzen Kugelschreiber dieselben Linien gemalt. Sie traf diese nicht zu Hundertprozent, weshalb das Papier nicht dünner wurde, sondern sich der Buchstabe nur ausweitete. Ein paar der Striche verliefen nicht mal in der richtigen Richtung. Sie waren willkürlich angefertigt. Am Ende des Satzes hatte die Person einen Punkt gesetzt, der so fest aufgedrückt war, dass sich ein Loch ins Papier gebohrt hatte.

 Am Ende des Satzes hatte die Person einen Punkt gesetzt, der so fest aufgedrückt war, dass sich ein Loch ins Papier gebohrt hatte

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Mehr stand dort nicht. Der Schnipsel lag auf meiner Kommode. Wer immer das geschrieben hatte, ich verstand es. Seit Wochen versuchte ich dem Kummerkasten etwas mitzuteilen, doch ich konnte nicht. Nicht, ohne mich zu verraten.

Im Fernsehen hatte gerade Kylie ihren großen Auftritt. Ihre perfekten langen, braunen Haare waren vom Regen durchnässt. Die Haut war makellos und wurde lediglich durch ihre tropfende schwarze Augenschminke verunstaltet. Die ganze Staffel hatte sie sich der Gefühle, die sie Lucas gegenüber empfand, verschlossen. Und das nicht ohne Grund. Er war ein toxischer Badboy mit allerlei Problemen. Drogen standen ganz oben auf der Liste, aber ich schätze, es spielte keine Rolle, denn Kylies und seine Liebe überwog alles. Seelenverwandte überstanden jeden Sturm, signalisierte mir das Ende.

Die roten Fahnen, die von Lucas ausgingen, sah jeder gesunde Mensch aus drei Kilometer Entfernung. Das Happy End, was er benötigte, war eine Entzugsklinik und keine Lovestory. In der Realität hätte man schon längst Hals über Kopf das Weite gesucht. Spätestens in dem Moment, wo er sie angeschrien und grob gegen die Wand gedrückt hatte, bekäme er meinen Stinkefinger. Sorry, aber niemand überzeugte mich, dass eine Liebe existierte, die groß genug war, um das zu entschuldigen. Von den Achtmilliarden Menschen auf der Welt schaffte man es doch mehr als einen zu vergöttern.

Es klopfte an der Tür und Dina streckte den Kopf hinein. »Kommst du mit in die Uni?« Seit dem Semesterstart hatte sie dazugelernt. Mittlerweile übertrieb sie es aber. Wenn ich in den letzten Tagen keinen Bock auf Uni hatte, änderte sich das so schnell nicht. Vielleicht sollte ich so wie alle anderen erst am Ende, kurz vor den Klausuren, die Veranstaltungen besuchen.

Box Nr. 7Where stories live. Discover now