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S C H O N als ich die vier Gläser selbstgemachte Erdbeermarmelade auf unserer Anrichte stehen sah, graute es mir. An der Garderobe hing ein vertrauter dunkelblauer Parker mit Fell an der Kapuze. Generell war es ein Modell, das jeder Fünfte auf der Straße tragen konnte, wären am unteren Jackenrand nicht die zwei Bänder. Es gab nur eine Person, die diese so oft verknotet hatte, dass aus zwei Fäden eine Einheit wurde. Und dann die Schuhe. In unserer WG existierte keine Regel, dass diese ausgezogen wurden. Gewisse Menschen bestanden allerdings trotzdem darauf. Jene, die dieselben beigen Stilettos besaßen, wie sie jetzt im Flur standen.

Spätestens das honigsüße Gelächter aus der Küche verriet mir, welcher unangekündigte Gast sich ins Haus geschlichen hatte. Dina, die Verräterin, hatte sie scheinbar mit offenen Armen empfangen. Die Stimmen der beiden vermischten sich. Die helle Klangfarbe meiner Mutter stand im Kontrast zu Dinas rauem Organ. Ich überlegte, wieder umzukehren und mich davon zu schleichen. Aus Erfahrung ahnte ich jedoch, dass sie mich zwangsläufig immer fand, wenn sie es darauf anlegte.

Meine Knie erweichten wie Wackelpudding, als ich die beiden mit einem Glas Johannisbeerschorle am Esstisch sitzen sah. Sie steckten die Köpfe zusammen und Dina lachte gerade über etwas, das Mama erzählt hatte. »Willst du mich veräppeln?« Es wunderte mich nicht, dass sie meiner Mitbewohnerin bereits das Du angeboten hatte. »Das hätte ich nie gedacht!«

Mama nickte eindringlich. »Kinder machen viele Dinge, die wir Erwachsene nicht mehr–«

Dina unterbrach Mama, als sie mich in der Türschwelle sah. »Lennja! Du hast mir ja gar nicht erzählt, dass du so eine herzliche Mutter hast.«

Statt mir ihre Lobeshymnen anzuhören, fiel mein Blick auf die Einkaufskiste links neben dem Eingang. Wir besaßen zwar eine, aber die war nicht aufklappbar und blickdicht. Sie war geleert worden. Dass sie zuvor mit allerlei Kostbarkeiten gefüllt war, verriet mir die neue Packung Zimtchips auf unserem Regalbrett. Ich wette, wenn ich den Kühlschrank öffnete, fand ich dort weitere Lebensmittel vor. Innerlich seufzte ich auf.

»Hey«, murmelte ich. Sie erwiderte die Begrüßung und lächelte. Leider geling es mir nicht, zu interpretieren, ob sie mich einfach so besuchte oder ob ich einen schwerwiegenden Fehler fabriziert hatte. In der Öffentlichkeit wahrte sie immer ihr Gesicht.

»Deine Mum hat uns netterweise etwas zu essen mitgebracht«, informierte mich Dina über das Offensichtliche. Ich biss mir auf die Unterlippe, um nicht die Beherrschung zu verlieren. Es ärgerte mich, dass sie unsere Abmachung vergessen hatte. Mama wollte mir Freiraum geben, und die Chance, mein eigenes Ding durchzuziehen.

»Euer Kühlschrank war so gut wie leer«, gab sie von sich, wie eine Rechtfertigung für ihr Verhalten. Ich bezweifelte, dass sie vorher nachgeschaut hatte und erst dann die Einkaufskiste aus dem Auto geholt hatte. Sie traute es mir nicht zu, regelmäßig ans Einkaufen zu denken. Dabei planten wir das genau durch. Dina wäre morgen Abend losgefahren. »Jetzt könnt ihr die Zeit dafür zum Lernen nutzen.«

Box Nr. 7Where stories live. Discover now