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Der kalte Wind weht mir meine Haare aus dem Gesicht als ich auf das schwarze Wasser des schnell unter mir dahinfließenden Flusses starre.

Leichte Schneeflocken fallen sanft auf die Straße, doch schmelzen nach wenigen Augenblicken wieder. Doch ich bin mir sicher, wenn es weiterschneit, werden sie bald liegen bleiben.

Ich lasse meinen Blick nach oben wandern. Die Straßenlaternen am Ufer des Flusses spiegeln sich im dunklen Wasser, die Reflektionen zucken immer wieder in den Wellen. Meine Haare werden langsam feucht durch die immer noch fallenden Schneeflocken und ich seufze genervt. Ich mag es nicht sonderlich wenn mir Strähnen meiner Haare im Gesicht kleben bleiben.

Nach ein paar Sekunden drehe ich mich schließlich um und verlasse die Brücke. Wird Zeit dass ich was essbares aufspüre. Was aber etwas schwerer werden könnte, da ich mich gerade in einem wenig lebhaften Stadtteil befinde. 

Ich schließe die Augen und konzentriere mich auf meine Umgebung. Zwei Katzen streiten sich in einem Vorgarten und ein Fernseher läuft unglaublich laut. Ich seufze, so kann ich niemanden finden. Außerdem habe ich nicht wirklich Lust jemanden zu jagen. Allgemein fällt es mir schwer mich zu konzentrieren, ich bin leicht gereizt und unruhig. 

Und ich ahne, wer daran Schuld ist.

Leicht grummelnd laufe ich durch die Straßen, ich sollte in belebtere Stadteile kommen, vielleicht finde ich da jemanden. Es geht mir jetzt nicht um den Geschmack oder die Qualität des Blutes, sondern nur darum, dass ich meinen Hunger stille, der nun langsam ein heißes und kratzendes Gefühl in meiner Kehle auslöst. 

Ich knurre leise, doch bleibe mitten auf der Straße stehen, als ein flüchtig bekannter Geruch in meine Nase steigt. Meine Augen weiten sich, was macht er hier?

Ich schließe die Augen und öffne meinen Mund leicht, um den Geruch besser lokalisieren zu können und folge dann der Spur. 

Nach wenigen Minuten finde ich ihn. Er scheint in Eile zu sein, fest in seine Winterjacke eingepackt und kleine Atemwolken von seinem leicht geöffneten Mund steigend. 

Neugierde steigt in mir und ich beschließe ihm zu folgen. Was macht er Nachts hier? Darauf achtend, dass ich im Schatten bleibe, folge ich ihm durch die Straßen. 

Er scheint in seinen Gedanken versunken zu sein, nicht auf die Umgebung und auf die dunklen Straßen achtend. Wenn ich ihm weiter so folge, werde ich noch herausfinden wo er wohnt. Zögernd halte ich inne. 

Will ich das wirklich? Ich interessiere mich ja nicht sonderlich für ihn. Wobei ich mich nicht so benehme, den ganzen Tag hingen meine Gedanken dem blonden Jungen hinterher.

Ich richte meine Aufmerksamkeit wieder auf ihn als er auf einmal stehen bleibt. Ich schaue mich um, wir befinden uns auf der Brücke, auf der ich vor einer Weile auch schon gestanden bin. Er starrt auf das dunkle Wasser, in dem sich das Mondlicht zuckend spiegelt und zieht auf einmal unter seinem Mantel eine Fotokamera hervor. Ich hebe eine Augenbraue. 

Das ist also eines seiner Hobbies? 

Ich beobachte wie er einige Bilder vom Fluss schießt. Ich kann mir nicht vorstellen was seine Aufmerksamkeit erobert haben könnte, doch er hat bestimmt ein geübtes Auge für solche Bilder. 

Nach ein Paar Minuten packt er die Kamera wieder ein und setzt seinen Weg fort, nun schneller laufend als vorher. 

Sein Geruch weht mir wieder einmal in die Nase und ich merke wie meine Reißzähne sich schärfen. Doch er ist der letzte, von dem ich ein Abendessen nehmen möchte. 

Ich sehe wie er in eine Straße biegt und dann bei einem Mehrfamilienhaus ankommt. Hier muss er wohnen. 

Ich reiße mich von seinem Geruch los und laufe in die entgegengesetzte Richtung, noch hungriger als vorher. Wütend auf mich selber schlage ich den Weg zur Bar ein. Vielleicht finde ich dort jemanden, oder ich sitze einfach nur und beobachte Leute. 

Noch nie in meinem langen Vampirdasein hat mich jemand so interessiert wie dieser Junge. Er nimmt meine Gedanken ein, zieht mich zu sich wie ein Magnet. 

Ich schüttele meinen Kopf um meine Gedanken zu ordnen, doch nun kommt viel zusammen. Mein Durst, meine Unaufmerksamkeit und meine Gereiztheit passen überhaupt nicht gut zusammen und ich beiße meine Zähne aufeinander. 

Im nächsten Moment werde ich durch eine neue Präsenz aus meinem Gedankental zurückgeholt. Ich spüre sofort, dass es kein Mensch ist. Ich hebe meinen Blick und durchsuche die kleine Bar auf fremde Menschen und ich werde schnell fündig.

Ein großer, muskulöser Mann mit dunklen Haaren bahnt sich den Weg durch die Menschen zur Bar, ich bin mir sicher er hat mich auch bemerkt, doch er ignoriert mich. Ich bin mir nun sicher dass er ein Vampir ist. Seine blasse Hautfarbe und seine dunkelroten Augen, die im dämmrigen Licht der Bar kaum sichtbar sind, verraten es, ebenso seine kalte Aura.

Ich runzele die Stirn. Ich bin 1973 dem letzten Vampir begegnet, so viele von uns gibt es nun mal nicht. Zudem sind wir auf der ganzen Welt verteilt, also die Chance einem anderen von uns zu begegnen ist sehr gering.

Ich beobachte ihn, er scheint sich seiner Sache sehr sicher zu sein. Ich werde ihn nicht ansprechen, da ich mich sowieso von Leuten fernhalte. Doch ich werde ihn im Auge behalten müssen, wer weiß was er hier macht oder vor hat.

Er redet nun munter mit dem Barkeeper und ich beende meinen Drink. Ich werde draußen auf ihn warten, wenn er mit mir reden will, kann er es dann da machen. Doch wehe, er nimmt mir mein Essen weg, schließlich bin ich schon ein paar Jahre hier.

Ich stehe auf und hinterlasse ein wenig Geld. Mittlerweile kratzt keine Kehle fast unerträglich und mein Blickfeld färbt sich leicht rötlich, ein weiteres sicheres Zeichen meines Hungers. Doch jetzt ist der falsche Moment zu jagen, ich muss aufmerksam bleiben.

Endlich habe ich mich aus der Kneipe gearbeitet und trete an die kalte Nachtluft und wieder denke ich an die eine Person, die nun schon fast selbstverständlich meine Gedanken einnimmt. Ich wünschte, ich wüsste wie er heißt. Ich gehe einige Schritte weiter und lehne mich dann an eine Hauswand.

Mal sehen ob der Fremde mich anspricht, mal sehen ob er mir erklärt, was er in meiner Stadt zu suchen hat. 

Ich warte noch eine Weile, doch er kommt nicht. Dann beginnt der Horizont heller zu werden, die Sonne steigt langsam höher, das blasse, helle Licht hüllt den Himmel in ein sanftes Gelb. Zeit für mich zu gehen. Ich kann mich auch morgen Nacht noch um den Fremden kümmern, ich sollte ihn wiederfinden können.

Schwungvoll stoße ich mich von der Wand ab und beginne meinen Heimweg.    

Numb (Boy x Boy)Where stories live. Discover now