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Die Sonne ist noch nicht komplett untergegangen doch ich bin schon vor einer Stunde aufgewacht und Beobachte den schlafenden Blaine in meinen Armen.

Er sieht so entspannt aus und für kein Geld der Welt würde ich ihn jetzt wecken.

Ich werfe einen Blick zum Fenster, durch die schmale Ritze der Vorhänge scheint ein kleiner Streifen rotes Licht der Abendsonne. Ich hole tief Luft und treffe dann eine Entscheidung.

Wir müssen bald aus der Stadt verschwinden, am besten wäre es, wenn wir es noch heute tun. Doch es fehlt noch etwas wichtiges, was ich jetzt besorgen werde.

Langsam stehe ich auf, mich vorsichtig von Blaine lösend. Er schläft tief und fest, doch trotzdem runzelt er seine Stirn, wie als wäre er verärgert, den Kontakt zu mir zu verlieren. Ich streiche ihm einmal kurz und liebevoll durch seine hellen Haare und ziehe mir dann etwas an.

Leise nehme ich den Schlüssel mit und einen Rucksack und Geld. Ich muss mich beeilen, die Geschäfte sind nicht mehr lange geöffnet.

Ich lasse die Tür vorsichtig hinter mir zuschnappen, ich sollte mich etwas beeilen, nicht dass er aufwacht und in Panik verfällt, weil ich nicht da bin.

Ich laufe im schnellen Schritt die Straße herunter, die letzten goldenen Sonnenstrahlen kitzeln meine Haut, die unter ihnen leicht prickelt. Doch mittlerweile scheinen sie mich kaum noch zu stören, vielleicht kann ich eines Tages wieder raus, ohne Kopfschmerzen zu bekommen.

Kurz werde ich aufgeregt. Wie schön wäre es, mal wieder auf einer grünen, blühenden Wiese zu liegen und am Himmel ziehende Wolken zu beobachten, am besten noch mit Blaine an meiner Seite, auch wenn ich weiß, dass es bei ihm wahrscheinlich noch lange dauern wird, bis er ohne Schmerzen in die Sonne kann.

Ich biege in die noch belebe Einkaufsstraße ab und schaue instinktiv auf den Boden. Es ist lange her dass ich das letzte Mal so unter Menschen war. Ich weiß wohin ich will und als ich endlich den kleinen Elektronikartikelladen erreiche atme ich auf. Die Gerüche benebeln mein Gehirn doch noch zu sehr.

„Guten Abend" grüßt mich ein älterer Herr freundlich und ich nicke ihm zu. Ich bin der Letzte in dem Laden, der bestimmt gleich schließen will.

„Ich suche eine gute Spiegelreflexkamera" teile ich ihm mit und er nickt, mich zu einem Regal führend, in dem mehrere Modelle stehen. ich muss ehrlich sein, ich habe keine Ahnung von Kameras, doch ich weiß, wie sehr Blaine sich freuen wird, egal was für eine er bekommt.

Ich nehme ein paar in die Hände, schaue sie an und probiere ein wenig herum. Der Mann erklärt mir jeweils die Vor- und Nachteile und schließlich entscheide ich mich für eine der besseren.

Als ich den Laden mit meinem Geschenk verlasse, ist es bereits dunkel. Hoffentlich ist Blaine noch nicht wach, ich wache üblicherweise immer zu dem Zeitpunkt auf, an dem es komplett dunkel ist.

Während ich mich auf dem Weg nach Hause befinde, schließen auch die letzten Geschäfte und die letzten Menschen gehen. Nun ist die Straße ausgestorben, ein Anblick der mir nur zu vertraut ist. Endlich komme ich an und schließe die Tür leise auf und horche, ob etwas zu hören ist. Doch noch scheint alles still zu sein.

Leise laufe ich in unser Schlafzimmer, in dem Blaine noch immer im Bett liegt. Doch genau in dem Moment als ich meinen Rucksack auf dem Schreibtisch abstelle, regt er sich das erste Mal und gähnt herzhaft.

Nach einer weiteren Minute öffnet er seine Augen und reibt sie.

„Wo warst du?" fragt er mit verschlafener Stimme

Also hat er es doch gemerkt.

„Einkaufen" ich hebe den Rucksack hoch und stelle ihn wieder ab, um ihn zu öffnen.

„Ich habe dir etwas mitgebracht"

Blaine ist sofort wach und kommt mit einem leisen Kichern auf mich zu.

„Hättest du doch nicht müssen" flüstert er und drückt mir einen Kuss auf die Lippen. Seine Haare sind noch immer zerzaust und er steht hier oberkörperfrei vor mir. Ich muss mich schon ganz schön beherrschen.

„Ich wollte dir aber was mitbringen. Hier" ich gebe ihm den Karton und er nimmt ihn gespannt entgegen. Er wirft mir noch einen Blick zu und öffnet ihn dann langsam, bevor seine Augen sich weiten und sie beginnen zu strahlen.

„Was... Wow" flüstert er leise um mir dann in die Arme zu springen, seine neue Kamera fest umschlossen.

„Danke" flüstert er mit rauer Stimme und ich weiß, dass es ihm unglaublich viel bedeutet. Ich erwidere seine feste Umarmung

„Du weißt was das bedeutet" er grinst mich an und fährt dann fort, seine Kamera zu testen. Ich lache und rolle mit den Augen.

„Natürlich, wir werden so viele Motive wie möglich suchen" ich lächele sanft.

„Du sahst einfach zu ungewohnt aus ohne Kamera"

Er nickt und hebt sie dann, um ein Bild von mir zu schießen

„Ich habe sie auch vermisst" Er schaut liebevoll auf sie herab

„Danke"

Ich schüttele den Kopf und küsse ihn dann noch mal.

„Wir müssen unsere Sachen packen" murmele ich, uns effektiv aus unserem kurzen Glücksmoment reißend.

Doch zu meiner Erleichterung nickt Blaine.

„Können wir überall hin wo wir hin wollen?" fragt er mich mit einem neugierigen Unterton als er erneut auf mich zukommt und seine Arme um meinen Hals legt und ich nicke.

„Eigentlich schon, die Welt steht uns offen. Solange wir keine anderen Vampire nerven" füge ich hinzu und er lacht leise.

„Wie wäre es mit New York?" schlägt er vor und lächelt.

„Gerne, da war ich schon lange nicht mehr" antworte ich und küsse ihn.

Uns steht tatsächlich die Welt offen und was noch besser ist, wir haben alle Zeit der Welt, jeden Ort zu besuchen, den wir sehen wollen. Ich habe zwar schon vieles erlebt und gesehen, doch mit jemanden an meiner Seite, den ich über alles liebe, werden all diese Erlebnisse noch mal schöner, noch mal bunter und noch mal lebenswerter.

Ich schaue zu, wie Blaine sich ein graues Shirt überstreift und dann einen Rucksack aus dem Schrank holt, um dort seine Kamera zu verstauen und noch andere kleine Dinge.

Ich lächele.

Zum ersten Mal seit langem freue ich mich auf meine Zukunft.

Numb (Boy x Boy)Where stories live. Discover now