~ 9 ~

13.9K 978 80
                                    

Mit einem Gähnen streckt sich Blaine um seine müden Muskeln aufzulockern. Ich werfe ihm einen missbilligenden Blick zu, doch davon lässt er sich nicht einschüchtern.

Wir sitzen jetzt nun schon seit mehreren Stunden in der Bar gegenüber vom Tatort, der sich nun auch beruhigt hatte und nun nur noch von der einsamen, bleich leutenden Straßenlaterne erhellt wurde. Einige zähe Polizisten suchen und sichern immer noch Spuren.

Ich wollte mich eigentlich selber auf die Suche nach dem Täter machen, da ich ja bereits wusste, wer es war, doch mit Blaine an meinen Fersen, würde ich nicht weit kommen. Dementsprechend war ich nicht sonderlich gut gelaunt, dazu kam auch noch mein Durst, der sich langsam kaum noch verdrängen ließ.

Mit einem Seufzen stehe ich auf, um dem Kellner das Geld zu geben und mich dann endlich auf den Nachhauseweg zu machen. Wie erwartet höre ich einige Sekunden später das Kratzen Blaines' Stuhls und er folgt mir in die stille Nacht hinaus. Der Himmel ist übersät von abertausenden Sternen, zwischen die sich immer wieder Wolken schieben. Der blasse, volle Mond erleuchtet die Straßen in einem fahlen, silbrigen Licht.

Blaine beobachtet wie sein Atem kleine Wölkchen formt, bevor er mich anschaut.

„Und was machst du jetzt?" fragt er aufmerksam.

„Ich gehe heim." grummele ich meine Antwort. „Und du kannst nicht mit, wenigstens da kannst du mir meine Privatsphäre lassen" füge ich hinzu, in dem Versuch, Blaine ein schlechtes Gewissen zu bereiten.

Doch stattdessen schmollt er nur, nickt aber dann.

„Okay, dann mache ich mich auch auf den Weg nach Hause." er schaut in die Richtung, in die er laufen muss und schluckt kurz. Der Weg ist lang, dunkel und ziemlich verlassen. Ich seufze mit einem Augenrollen, doch mein Entschluss ist schon gefasst.

„Ich begleite dich" verkünde ich und ich meine, Blaine erröten zu sehen, was er aber schnell in seinem Schal verstecken kann.

Seltsamer Junge.

„Danke" kommt es leise aus seinem Schal hervor und er schaut mich verlegen an. Ich nicke nur und laufe dann mit ihm los, doch überlasse ihm die Führung. Er muss ja nicht unbedingt wissen, dass ich weiß, wo er wohnt.

Die ersten Minuten laufen wir schweigend nebeneinander, doch es ist keine unangenehme Stille. Jeder hängt seinen eigenen Gedanken hinterher.

"Wie alt bist du eigentlich?" fragt Blaine nach einer Weile

"Zwanzig" antworte ich. Nur die halbe Wahrheit. Er muss auch nicht wissen, dass ich über 360 Jahre alt bin.

Darauf antwortet er nichts und wir setzen unseren Weg wieder in Stille fort. Diese Stille, sie begleitet mich schon immer. Nie hatte ich jemanden zum Reden, da ich mich immer distanziert habe.

Doch schon jetzt merke ich, wie ich mich an Blaines Frohnatur gewöhne. Wie ich beginne, seine Stimme kennen zu lernen.

Auch wenn er mich immer noch irritiert, auch wenn es für mich eine riesige umstellung ist, mittlerweile könnte ich mir mein Leben nicht mehr vorstellen, ohne einen ständig Freude und Glück versprühenden Blaine neben mir.

Und da dieser Gedanke so ungewohnt ist, macht er mich unsicher. Solche Gedanken hatte ich noch nie. Und diese Gefühle erst recht nicht. So als ob Blaine mir etwas bedeuten würde.

"So." Blaine reißt mich aus meinen verwirten, panischen Gedankentälern. "Wir sind da." er deutet auf das Haus hinter ihm. "Danke nochmal" er lächelt, doch ich kann sehen dass er friert.

Die Schneeflocken beginnen wieder zu fallen.

"Bitte" mumele ich leise.

"Ist dir nicht kalt?" fragt Blaine mit einem erstaunten Blick auf meine dünne Jacke und ich schüttele den Kopf. Kalt war mir schon lange nicht mehr.

Blaine schaut in den nun wolkenbedeckten Nachthimmel. Die Wolken haben einen schmutzigen Grauton, durch das Licht der Straßenlaternen wie in Orange getupft. Ich räuspere mich kurz.

"Treffen wir uns morgen wieder?" fragt Blaine. Ich spüre dass er diese Frage schon lange stellen wollte. Wahrscheinlich war er deswegen auch so still vorher.

Ich nicke und beobachte wie sich ein kleines Lächeln auf seine Lippen schiebt.

"Wieder an der Kneipe, in der wir heute waren?" ich will ihm ja schließlich nicht zu viel über mich verraten.

"Okay" flüstert er leise. "Also dann..." er wendet sich zum Gehen und hebt kurz die Hand in einen Abschiedsgruß.

Kurz kommt es mir vor, als stünde Mats vor mir, sich endgültig verabschiedend, doch ich werde sofort wieder aus diesem Moment geholt. Ich winke ihm ebenfalls kurz zu.

Ich bleibe noch and er Stelle stehen, bis ich sehe wie das Verandalicht des Hauses angeht und wieder ausgeht, das Zeichen dass Blaine nun drinnen ist.

In dem Moment als ich mich ebenfalls auf meinen Heimweg machen will, lässt mich eine Stimme innehalten.

"Der Junge scheint ziemlich vernarrt in dich zu sein" sie trieft vor Hinterhältigkeit und Kälte. Und wenn ich das sage, dann muss es stimmen.

Ich drehe mich um, um vor dem Vampir zu stehen, den ich gerade sehr gerne würgen würde. Oder in den eiskalten Fluss werfen. Nicht dass es was bringen würde.

Er grinst. Seine Reißzähne sind geschärft und versetzen mich automatisch in Alarmbereitschaft. Ich ducke mich leicht, bereit ihn jederzeit anzuspringen, doch er lacht nur leise.

"Na na. Nicht so schnell" er verschränkt die Arme vor seiner Brust. "Ich will dich doch nicht angreifen" er kichert leise.

"Was willst du?" frage ich unbeeindruckt zurück.

"Die Menschen beginnen, nach anderen Dingen zu suchen, als einen gewöhnlichen Mord" er lacht. "Ich habe einige neugierige Reporter gesehen, die schon anfangen, wilde Theorien über Mutanten zu spinnen"

Ich knirsche mit den Zähnen. Das war sein Plan.

"Und was bringt dir das ganze?" frage ich weiter und er zuckt mit seinen Schultern

"Spaß. Mir ist eh zu langweilig." 

Ich werfe ihm einen drohenden Blick zu.

"Dann tob dich woanders aus. Nicht hier" zische ich.

Er wirft mir einen amüsierten Blick zu und dann schaut er sich Blaines Zuhause an.

"Diesen kleinen Menschen da scheinst du zu mögen"

Meine Augen weiten sich als ich den gefährlichen Glanz in seinen dunkelroten Augen erkennen kann.

Mit einem leisen Lachen verschwindet er dann blitzschnell, doch ich bin wie versteinert.

Er wil doch nicht etwa Blaine jagen oder in Gefahr bringen?



Numb (Boy x Boy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt