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The Heavens ist wohl einer der exklusivsten Internate der Welt. Es war den Reichen und Schönen vorherbestimmt. Zu Recht, denn Normalos, wie meine Wenigkeit, hatten hier ganz bestimmt nichts zu suchen. Das war einfach nicht unsere Welt. Seufzend strich ich über das von mir eben durchstrichene Kästchen. Mein Wandkalender war nur noch eine einzige rote Fläche, so viele Rote Kreuze zierte es schon.

Einen Monat. Einen Monat befand ich mich schon in dieser Hölle, die sich Schule schimpfte. Eine Schule, auf die ich nur erst draufgekommen war, weil die Regierung es nicht verstand, dass Arm und Reich sich niemals vertragen würden. Nein, stattdessen hielten sie jedes Jahr eine Verlosung ab, um irgendwelche armen Schweine aus der Unterschicht (wie mich) an eine der Fünf besten Internate der Welt zu verteilen und somit den Haien zum Fraß vorzuwerfen.

Steif verließ ich das kahle Schlafzimmer, welches nur ein Bett, einen Schrank und meinen Kalender enthielt, und trat in den eigentlichen Wohnbereich. Eine offene Küche, ein leerstehendes Wohnzimmer mit nur einer Couch und einem kleinen Tisch. Eine schmale Tür führte noch in ein geräumiges Bad. Und, nur falls ihr euch jetzt wundert, ja, jeder Schüler oder Student im The Heavens besaß seine eigene Wohnung. Der Stand der Familie entschied, wie groß diese ausfiel und in welchem Stockwerk man wohnte.

Der "Turm" besaß Einhundertundeins Stockwerke. Er war das Zentrum der Anlage mitten in der Nevada und glich, optisch gesehen, dem Luxushotel Burj al Arab. Eine kleine, nichts Bedeutende Stipendiatin bewohnte natürlich die Wohnung mit gerade mal einem Stern. Es gab insgesamt zehn, aber kaum jemand trug auf seinem Key- Armband zehn Sterne.

Ich zupfte Einen Fusel von meiner Secondhand Bluse und wischte meine feuchten Handflächen an meiner Jeans ab. Wie immer zögerte ich das Verlassen meiner Wohnung bis auf die letzte Minute hinaus. Innerlich betete ich, dass es einer der Tage werden würde, an dem sie mich einfach ignorierten. Denn alles war besser, als wenn sie auf einmal beschlossen, mir doch noch Beachtung zu schenken. Beinah schon reflexartig wanderte meine Hand Richtung Hinterkopf. Ich ertastete die genaue Stelle, um, wie immer, sicher zu gehen, dass dort keine kahle Stelle war. So viele Haare, wie sie mir heraus gerissen hatten. Mein Blick verfinsterte sich. Also schön, Mia. Du schaffst das. Du gehst jetzt da raus und wirst die sechs Stunden hinter dich bringen.

Ich verließ, wenn auch nur zögernd, die Wohnung und schloss mittels meines Key- Armbandes die Tür hinter mir ab. Ohne dieses Armband, ein kleines, technisches Wunderwerk, welches extra für Institutionen wie diese generiert wurde, wäre man hier völlig aufgeschmissen, da wirklich alles damit funktionierte. Das Essen in der Mensa, das Shoppen in der Mall, das Betretendeiner eigenen Wohnung. Dieses Armband war hier deine gesamte Identität. Auf den ersten Blick war es ein einfacher Ring aus Metall, der dein Handgelenkumschloss. Auf den zweiten Blick konnte man, bei mir, einen einzelnen Bronze Stern entdecken, welcher auf die obere Mitte des Bandes eingelassen worden war. Und auf den dritten Blick, wenn man wirklich ganz genau hinsah, konnte man die Elektrischen Schaltkreise erkennen, die sich, wie Adern unter der Haut, durch den Metallring zogen. Dieses Teil war das Äquivalent eines Univeralschlüssels.

Der Scanner neben meiner Tür (Zimmer 015) piept einmal und leuchtete dann schließlich blau auf. Langsam und vor allem achtsam schlich ich den edlen, mit dunklen Teppichen ausgelegten, Flur entlang. Meine Tür befand sich ganz hinten, neben dem Notausgang, im Gang, wofür ich eigentlich ganz dankbar war. So hatte ich einen schnellen Fluchtweg, falls es mal wirklich brenzlig werden sollte. Ich musste drei weitere automatische Türen passieren, bevor ich in der riesigen Eingangshalle ankam.

Das Foyer spiegelte wirklich den ganzen Glanz und die ganze Pracht dieser Anlage wieder. Die Decke schien unendlich, überall war Marmor und spiegelnde Oberflächen. Hinter einer riesigen Rezeption saß Georg, ein totales Ekelpacket, mit einer Vorliebe für deutlich jüngere Mädchen. Schaudernd dachte ich an meinen ersten tag hier zurück. Völlig ungeniert und mit einem Lüsternen Funkeln im Auge hatte er mir auf meine doch ziemlich erhebliche Oberweite gestarrt. Nie zuvor hatte ich mich so für meinen Busen geschämt.

Schachmatt Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt