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Der lange, scharfe laut ließ meine Ohren explodieren. Etwas warmes und klebrige tropfte von meinen Ohrmuscheln. Ich lag auf etwas hartem und war in Bewegung, während über mir angeregte Stimmen lauter und leiser wurden. Licht flimmerte schwach hinter meinen Augenlidern. Mein restlicher Körper fühlte sich seltsam taub an. Außer mein Kopf. Dieser tat höllisch weh und das Pochen verstärkte sich jede Sekunde nur noch. Ich versuchte, durch den Nebel und die Schmerzen in meinem Kopf, zu erinnern, was geschehen war. Stattdessen zog mich nur die Dunkelheit langsam wieder zu sich, schlug ihre Klauen um mich und flüsterte mir schmeichelnd zu, einfach wieder in den lockenden Schlaf zurück zu fallen.

'Mia'...'Mia, mein Engel. Hier bin ich.'
...'Mia...Mia....LAUF MIA! DU MUSST LAUFEN MEIN KIND...LAUF...lauf....lauf...' Die Stimme hallte wie ein Echo in meinem Kopf wieder. Erinnerte mich an etwas, an das ich mich nicht erinnern konnte. Wollte. Konnte. Wollte.
'Mia?' Es war so dunkel und kalt. Und dich spendete mir dieses eine Wort augenblicklich Wärme.
'Mama?' 'Liebling, was machst du hier? Es ist doch viel zu dunkel hier. Geh zurück mein Engel. Du musst zurück gehen. Du hast noch Zeit.'
'Zeit? Mama wo bist du?'
'Geh zurück, mon ange. Geh zurück.'

Etwas schlug mit unglaublicher Kraft auf meine Brust ein. Wieder und wieder. So stark, dass mein Körper jedes mal nach dem Schlag abhob und heftig geschüttelt wurde. "Wir haben wieder einen Puls!", drang eine Stimme durch den dichten Nebel in meinen Kopf durch. "Nicht verlieren", hörte ich eine weitere. Bevor ich das Bewußtsein verlor. Diesmal aber ohne diese allumfassende Dunkelheit, die einen komplett in sich aufzog.

Mein Kopf tat nicht mehr weh. Das war das erste, was mir beim erwachen auffiel. Mein Körper tat auch nicht weh. Es tat überhaupt gar nichts weh. Stattdessen lag ich auf einer weichen Wolke, die mich zu tragen schien. Ein Deja vu Gefühl durchzuckte mich, als ich glaubte seinen Geruch zu riechen. Schlagartig riss ich die Augen auf und fuhr hoch. Und tatsächlich! Da lag er! Entspannt, auf einen Ellbogen gestützt hatte er bis eben auf mich hinunter gesehen. Mich beobachtet. Panisch sah ich mich im Zimmer um. Ich konnte mich nicht erinnern, schon wieder getrunken zu haben. Aber ich stellte fest, dass wir gar nicht in dem Zimmer seines Penthouse in Las Vegas waren. Dieses Zimmer wurde von Licht nur so überflutet. Dafür sorgte eine große Fensterfront. Und das Fenster über mir an der Decke. Auch die Inneneinrichtung war hell gehalten. Weiße Wände. Ein beiger Teppich, der den gesamten Boden des Raumes bedeckte. Das Bett stand direkt neben der Fensterfront und besaß weder ein Kopfende, noch ein Fußende. Es schien nur eine einzige, große Matratze zu sein. Gegenüber des "Bettes" war ein großer Plasma Fernseher angebracht, der so Dünn wie ein Papier zu sein schien! Ein offener Bogen Durchgang ließ einen Einblick auf ein Zimmer, das von Kleidung nur so erdrückt wurde. Das war also, was man unter einem begehbaren Kleiderschrank bezeichnete. Was mich allerdings irritierte, waren die vielen Kleider, die ordentlich auf der vordersten Stange hingen. "Trägst du neuerdings Damen Klamotten", fragte ich neugierig in Ethans Richtung. Ein abfälliges Schnauben war alles, was ich als Antwort bekam. Als mir klar wurde, wie nahe wir einander waren, rückte ich unauffällig ein Stück von ihm weg. Die letzten Szenen des Abends brachen Bruchstückhaft an die Oberfläche meines, zurzeit, ziemlich demolierten, Gehirns. Ich sah leider nur kurze Ausschnitte. Und was war danach passiert? "Wo sind wir hier?", fragte ich mehr mich selbst, als ihn. "Das weißt du nicht?" Erstaunt hob er eine Augenbraue. "Ich habe dir doch gesagt, dass ich zu dir kommen werde." Fragend ließ ich den Blick noch einmal durch das Zimmer streifen. Zu mir kommen? Waren wir etwa im the Heavens? Ethan hatte die Augen zu schmalen Schlitzen verengt und ich konnte förmlich sehen, wie es in seinem Kopf arbeitete. "Sag mal...hast du mich beobachtet?" Mir fiel seine Position auf und das er gerade noch über meinem schlafenden Körper aufgeragt hatte. Ehe er zu einer Antwort ansetzten konnte, war ich bereits aufgesprungen und blieb vor dem großen Fenster stehen. Die Vorhänge waren aufgezogen und gaben einen perfekten Panoramablick auf das the Heavens! Aber es gab nur einen Ort, von wo man solch einen Anblick genießen konnte. Ich sah runter auf den Ring, der sich sogar noch enger anfühlte als....Ich runzelte die Stirn. "Wie bist du hier rein gekommen? Wo ist Hades?" Seine Worte von gestern sickerten langsam zu mir durch. Wie durch flüssiges Karamell zogen sie sich einzeln aus meinem Gedächtnis. Was war nur los, dass ich mich nur vereinzelt erinnern konnte?! "Durch die Tür, Mia, wie denn sonst." Seine Stimme war plötzlich so nah, dass ich mich erschrocken umdrehte. Er stand nun direkt hinter mir, ragte über mir auf. Er war ein, zwei Köpfe größer als ich und viel breiter. Im krassen Gegensatz zu ihm fühlte ich mich klein und zerbrechlich. Das Knistern zwischen uns war wieder da. Jedes einzelne Haar auf meinen Armen richtete sich auf. Meine Atmung beschleunigte sich leicht. Ethans Augen wurden dunkler, seine Nase blähte sich. So standen wir da. Eine Sekunde, zwei Sekunden, drei Sekunden. Bis die Spannung nicht mehr auszuhalten war. Er packte mich, hob mich hoch als wöge ich nichts und schleuderte mich aufs Bett. Er legte sich mit seinem ganzen Gewicht auf mich und stürzte sich wie ein hungriger Wolf auf meine Lippen. Ich wollte ihn von mir wegdrücken, aber stattdessen presste ich nur meinen Körper enger an seinen. Krallte meine Hand in sein Haar. "Du riechst göttlich", sagte er heißer, während er seine Nase in mein Haar vergrub und dann anfing, meinen Hals entlang bis zu meinen Schlüsselbein mit Küssen zu übersehen. Die Tatsache, dass ich nur ein dünnes Nachthemd trug, drang nur allzu bewusst in meine Gedanken. Bevor auch die sich verabschiedeten und von einem roten Nebel verschluckt wurden. "Mademoiselle? Sind sie wach?" Das laute klopfen hinter den großen Weißen Türen ließ mich plötzlich innehalten. Ethan schien es nicht gehört zu haben, denn dieser wanderte mit seiner Hand gerade aufwärts meinen Oberschenkel entlang. Ich realisierte die Situation, in die ich mich schon wieder bugsiert hatte und hätte mich am liebsten gehohrfeigt. Oder mich gleich aus dem Fenster gestürzt. Wenn er seine Hand noch ein paar Millimeter nach oben schob, war ich verloren. Ich musste handeln. Und zwar schnell. Wieder das Klopfen. "Einen Moment Bitte!", rief ich laut genug in Ethans Ohr, dass er zurück zuckte. Ich nutzte meine Chance, krabbelte rückwärts von ihm weg und flog plötzlich rücklings vom Bett. Mist, mist, mist! "Mademoiselle?"
"Alles in Ordnung! Bin gleich fertig."
"Da wartet ein Mann auf sie, Mademoiselle." Ich zog beide Augenbrauen hoch. "Wirklich? Und wo ist er gerade?", fragte ich gedehnt. "Im Salon, Mademoiselle."
"Im Salon?" Ich stockte. "Wer sind sie überhaupt?" Ich hatte zwar eine wage Vorstellung wo ich war, aber ich konnte mich an keine Frau in meinem Leben erinnern, welche einen stark ausgeprägten französischen Akzent besaß und so formvollendet mit mir sprach. "Ich bin Katrin, Mademoiselle. Ihr Dienstmädchen. Und sie sollten sich beeilen, der Herr wartete schon seit einer Weile." Dann entfernten sich Schritte von der Tür weg und verlangen irgendwo....irgendwo. Ich hatte keine Ahnung, wie es hier es aussah. Vorsichtig lugte ich über die Bettkante und erschrak, weil sich Ethan auf dem Bett ausgestreckt hatte und ich beinah mit seinem Kopf zusammen stieß. Sein Blick verbrannte mich. "Solltest du nicht im Salon sein", fragte ich im gleichen Moment wo er sagte: "Du warst heute Nacht allein." Ich verstand erst nicht, was er genau meinte, aber nach einem kurzen Flashback an gestern Abend röteten sich meine Wangen vor Empörung und Wut. Möglichst Hoheitsvoll stand ich auf (verheddert mich aber total in die Decke, die mit mir abgerutscht war) starrte nach einem kurzen Kampf mit besagter Decke auf ihn nieder und sagte Kühl (es klang eher nach einer Mischung aus pipsen und Stimmbruch!) "Ich denke, du solltest jetzt gehen und schön brav im Salon weiter warten!"
"Warum sollte ich?", fragte Angesprochener, drehte sich auf den Rücken und verschenkte die Arme hinter dem Kopf. "Nun, weil das hier allen Anschein nach meine Wohnung ist", belehrte ich ihn und wartete darauf, dass er Anstalten machte zu gehen. Tat er aber nicht. "Allen Anschein?" Er hob eine Augenbraue und erneut wollte ich mir einfach nur eine Reinhauen. "D...das...das ist meine Wohnung und du hast verdammt noch mal nicht in meinem Zimmer zu sein!" Sein Blick wurde mir zu intensiv, also zeigte ich ein letztes Mal auf die Tür und tauchte dann wieder hinter dem Bett ab. Zu meiner aller größten Überraschung, hörte Ethan auf mich. Das leise Klicken der Tür veranlasste mich wieder über die Bettkante zu spähen uns ein verlassenes Zimmer vorzufinden. Erleichtert stand ich auf und suchte erstmal nach einem Morgenmantel. Ich fühlte mich unwohl in diesem...nichts. Hatte man mich den gleich in so ein Nachthemd stecken....BOOOOM.
Der Laut hallte so laut in meinen Ohren nach, dass ich mich flach auf den Boden schmiss. Ich fasste nach meinem schmerzenden Kopf und kniff verzweifelt die Augen zusammen. Mein Finger mit dem Ring fing plötzlich an zu brennen. Hades. HADES! Ein Bild des Über mir liegenden Hades schoss durch meinen Kopf. Und Blut. Viel Blut. Taumelnd kam ich auf die Beine. Panisch suchte ich das Zimmer nach meinem Handy ab. Mein Handy? Wo war mein Handy! Als erstes riss alle Schubladen auf, schaute unter dem Bett nach und schließlich auf dem Bett. Es war nicht da! "Hades! Oh gott." Ich griff nach dem ersten besten was ich zu fassen bekam (ein schwarzer seiden Kimono), schmiss es mir über und riss die Türen auf. Und rannte prompt gegen eine harte Wand.

Schachmatt Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt