6

13.6K 558 22
                                    

Zwanzig Minuten und eine von Flüchen getränkte Debatte später, stand ich in einem Raum, der womöglich jedes Frauen Herz hätte höher schlagen lassen. Kleider, Schuhe, Accessoires, wo man nur hinsah. Und eines schöner als das andere. "Guck nicht so finster", seufzte Hades. "Es wird schon nicht so...schlimm werden." Dieser Idiot hatte mich schließlich mit dem Argument herum gekriegt, dass sich das in meinem Fall so wieso nicht mehr vermeiden lassen könnte.
Ich schnaubte. Das hieß aber nicht, dass es mir besonders gefiel. "Verarschen kann ich mich selber." Und kam trotzdem nicht umhin, meine Finger über eines der Wunderschönen Kleider streifen zu lassen. Der Stoff war glatt und kühl und unglaublich weich. "Ich war nie ein Fan von solchen....Veranstaltungen gewesen", sagte ich über meine Schulter hinweg zu Hades. Zu viele schlimme Erinnerungen waren damit verbunden. Mein erster Schulball, zum Beispiel, war die Hölle gewesen. Der Anblick von meiner ehemaligen Besten Freundin und meinem Daten, wie er sie im Gang an der Wand genommen hatte, werde ich wohl nie wirklich vergessen können.
Aber nichts konnte den alljährlichen Spendenball von Mr und Mrs Lane übertreffen. Dort war mir erst wirklich, wirklich klar geworden, welche Kluft es zwischen Arm und Reich gab. Ihr einziger Sohn hatte mich damals eingeladen und ich war mächtig stolz gewesen, dass einer der reichsten und gut aussehendsten Jungs an unserer High School mich zu so einem Event an seiner Seite hatte haben wollen. Vor allem, da allgemein bekannt gewesen war, wie arm meine Familie war. Wie unglaublich Naive ich doch gewesen war. Meine Euphorie hatte sich schnell wieder gelegt, als Adam mich nach nur Zehn Minuten von der Party weggezogen hatte, und mich in ein Schlafzimmer gezerrt hatte, wo schon einige seiner Freunde auf uns gewartet hatten. Halbnackt. Auf einmal waren mir die Blicke der anderen Gästen nur allzu klar geworden. Als wäre ich billiger Abschaum oder so. Ich schüttelte meinen Kopf und streifte somit die Erinnerung ab. Konnte mir aber ein grimmiges, bitteres Lächeln nicht verkneifen, als ich daran zurück dachte, wie ich Adam in die Weichteile getreten und dann, so schnell wie mich meine Beine hatten tragen können, aus der Villa geflüchtet war. Jeder einzelne Gast dort hatte mich für eine dreckige, geldgeile Schlampe gehalten. Weil sie meine Herkunft sofort durchschaut hatten. Und auch heute würde es nicht anders laufen. Ich drehte mich um, um Hades davon zu überzeugen, doch nicht hinzugehen, aber Hades war nicht mehr da. Stattdessen stand ich jetzt drei Frauen gegenüber, die unterschiedlicher nicht sein könnten und sich doch so ähnelten, dass es beinah schon unheimlich war. "Ohhh", schnurrte die eine, dessen Ariell rotes Haar ihr in großen Locken über die Schulter fiel und dessen Kurvenreicher Körper in einem engen, olivgrünen Hosenanzug steckte. "Da sieh mal einer an wer gestern Abend einen FOTC gehabt hatte." Sie verzog ihre, zu ihrer Haarfarbe passenden, Lippen zu einem verschlagenen Lächeln.
"Nicht zu übersehen! Sieh nur, wie wackelig sie auf den Beinen ist." Das kam von einer die (ach du scheiße) Barbies Schwester hätte sein können. Langes, glattes Blondes Haar, Himmelblaue Augen und ein pinkes Latex Kleid. Die Ähnlichkeit war wirklich gravierend. Ob sie sich wohl beleidigt fühlen würde, wenn ich um ein Foto bat? Aber die letzte von ihnen, war wohl die eindrucksvollste. Sie trug ein bauschiges, original aussehendes Kleid aus dem Viktorianischen England! Mit Sonnenschirm und dazu passenden Hut. Ich konnte darunter nur ein paar Lila Haarsträhnen ausmachen. Sie war hinter den Größen der anderen beiden Frauen zuerst nicht zu sehen gewesen (kein Wunder, Arielle und Barbie trugen mörderische Absätze, sonst müssten sie ungefähr gleichgroß sein). "Sag, wie viele Orgasmen hattest du?", richtete sie ehrlich interessiert das Wort an mich. Als mir klar wurde, worüber sie so frei redeten, wurde mein Gesicht auf Anhieb tief rot. Was alle drei zum Lachen brachten. "FOTC", schnurrte die Rothaarige wieder. "Fuck of the century", kicherte Barbies Schwester. Ich sah an mir herab. Kniff ich tatsächlich die Beine zusammen. Gut, wund war ich immer noch. Aber der Schmerz führte mir nur vor wieder Augen, was Ethan alles mit mir gemacht hatte. Ich konnte nicht abstreiten, dass ich ihn noch überall auf mir spüren konnte. Die dritte schlang sich ein Maßband vom Hals und kam nun auf mich zu, während ich immer weiter zurück ging. Ich hatte jetzt gerade ganz andere Probleme, als Ethan. Dummerweise waren hinter mir nur die Kleiderstangen und kein Ausgang. Ich schluckte. "Äh...wo ist Hades?" Barbie kicherte erneut und die kleine Lady schüttelte den Kopf. "Männer verboten." Sie zeigte auf etwas über mir und tatsächlich war da ein Schild, wo das Wort "Mann" Rot durchgestrichen war. "Jedenfalls solange hier eine Frau beim umziehen ist und jetzt halt still." Sie schlang mir das Band um die Taille. "Da muss ein Irrtum vorliegen", stotterte ich, "ich möchte gerne nochmal mit Hades sprechen."
Die Rothaarige hatte die Augen zusammen gekniffen. "Ich glaube nicht, dass der sich noch mal hier rein trauen sollte." Erst jetzt bemerkte ich, dass sie missbiligend auf meine nackten Füße starrte. "Das war nicht seine Schuld", piepste ich. Barbie war nun an meiner anderen Seite und untersuchte mein Haar. "Die sind aber weich", seufzte sie entzückt.
"Und erst diese Augen", murmelte die kleine Lady. "Ich habe noch nie so ein intensives, dunkles und gleichzeitig warmes Braun gesehen." Ich fühlte mich sichtlich unangenehm unter ihrer genauen Musterung.
Die Rothaarige trat vor und klatschte einmal in die Hände. "Schwestern, Hades hat uns genau eine Stunde Zeit gegeben. Also heißt es, ran ans Werk!"
Schwestern? Aber natürlich. Diese Ähnlichkeit. Die gleichen blauen Augen und Gesichtszüge. Bei dieser unglaublichen Ähnlichkeit, konnten sie nur Drillinge sein. Und als sie sich auch noch wieder alle drei vor mir in einer Reihe aufstellten, fragte ich mich, wie ich das hatte übersehen können. Wahrscheinlich durch ihre krassen, unterschiedlichen Aufmachungen. "Ach und bevor wir es vergessen", sagten alle drei Synchron. "Wir sind die Gorgonen Schwestern." Meine restliche Gesichtsfarbe entwich mir, denn ich hatte Griechische Mythologie in der neunten Klasse durchgekommen und wusste, wer die Gorgonen waren. Wo hatte mich Hades hier nur alleine gelassen! "Irgendwie verwandt mit Hades?", presste ich heraus, nur um mich von meiner langsam aufsteigenden Panik abzulenken. "Ja", sagten sie wieder Synchron und kicherten. Gar nicht unheimlich. Überhaupt nicht. "Er ist unser kleiner Bruder", flötete die Rothaarige und packte mich am Handgelenk. Barbie schnappte sich das andere und kleine Lady ging voraus. "Hört mal, dass ist wirklich ein ganz blödes Missverständnis. Ich möchte gar nicht da hin, ich...ich habe mich umentschieden, ich..." Aber ich wurde gnadenlos mitgeschleppt. Die Familienähnlichkeit war nicht zu übersehen.

Schachmatt Where stories live. Discover now