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Ich bereute es, schon direkt nach dem ersten lauten Klatschen. Was zur Hölle war in mich gefahren! Ich hatte ihn geschlagen. Klar, er hatte mich Erniedrigt und mir Gemeinheiten an den Kopf geknallt, aber das bedeutete doch noch lange nicht, dass ich ihn schlagen konnte! Und das auch noch vor aller Augen. Diese winzige kleine Handlung, könnte dafür sorgen, dass es am nächsten Morgen Tote regnete. Nur war es so, dass bei der Erwähnung meiner Mutter ich nicht mehr klar denken konnte. Schlechtester. Zeitpunkt. Überhaupt.
Mein Herz pochte hart gegen meine Brust. Als wollte es einfach hinaus springen. Um von einer Kugel durchbohrt zu werden. Hinter Ethan hatte sich ein Dutzend Männer und Frauen in festlicher Abendgarderobe aufgestellt. Das malerische Bild, von wunderschön gekleideten Männern und Frauen wurde allerdings durch die Pistolen in ihren Händen gestört. Ihren entsicherten Pistolen. Und alle zielten sie auf Ethan. Ich zweifelte keine Sekunde daran, dass es hinter meinen Rücken nicht genau so aussah, Männer und Frauen, die bereit waren für ihren "König" zu töten. Vielleicht würden die Toten ja sogar eher, als später kommen. Ich sagte es ja! Anti-Cinderella. Die Uhr hatte noch nicht mal zwölf geschlagen und schon war der Zauber verflogen. Das kam davon, wenn meine gute Feen nach drei der schrecklichsten Gestalten der Griechischen Mythologie benannt waren. Die Gorgonen Schwestern. Das passierte also, wenn man bei diesem Spiel die Kontrolle verlor. Es endete in einem Blutbad. Und du hast wirklich geglaubt, dass durchstehen zu können! Mein Unterbewusstsein hatte recht. Es hatte ja so verdammt noch mal recht. Das hier war nicht in meiner Kragenweite. Das hier war verdammt noch mal mehrere Nummern zu groß für mich. Aber hatte ich eine andere Wahl?! Hatte ich überhaupt eine?! Ich griff nicht Ethans Handgelenken und versuchte seine Hände von meinen Schultern zu lösen. Leider bewirkte es nur das Gegenteil. "Lass los", zischte ich ihn leise an. Aber seine Augen verrieten mir, dass er noch nicht fertig war. Noch lange nicht. Dass auf ihn gezielt wurde, schien ihn nicht das geringste zu kümmern. Wenn das so weiter ging, würde nicht nur auf uns geschossen werden. Ich atmete zittrig ein und aus, bevor ich den Mut fasste, Ethan in die Augen zu sehen. Beinah hätte ich den Blick wieder gesenkt. Mir wurde auf einen Schlag klar, dass dieser Mann mich ohne mit der Wimper zu zucken töten würde und es vielleicht sogar wirklich in die Tat umsetzen würde, im Laufe des Abends. Ich kannte diesen Ausdruck in seinen Augen. Ich sah ihn bei vielen Nachrichtensendungen, wenn die verurteilten Mörder abgeführt wurden. Sie sahen aus wie normale Menschen, wie der Nachbar von nebenan oder vielleicht der Postbote, der jeden Morgen seine Post vorbeibrachte. Aber eines konnten diese Menschen nicht verändern. Mögen sie sich noch so normal in ihrem Umfeld verhalten. Und zwar ihre Augen. Kalt und absolut skrupellos. Erst nach ein paar Anläufen, fand ich meine Stimme wieder. "Hör zu, hier sind zu viele Zeugen. Lass uns also zurückziehen und das unter uns klären." Ich konnte nicht verhindern, dass er das Zittern in meiner Stimme hörte. Aber ich stand aufrecht und versuchte seinem Blick nicht auszuweichen. Wobei du kläglich versagst! Dich hat aber keiner gefragt. Dämliches Unterbewusstsein.
"Also was ist jetzt", murmelte ich. Mit gesenkten Blick, kicherte die idiotische Stimme wieder. Erfolglos versuchte ich sie zu ignorieren. Langsam lockerte Ethan seinen Griff und ich atmete erleichtert auf. Er senkte in Zeitlupentempo seine Hände und sein Blick brannte dabei die ganze Zeit auf mir. "Lass uns-" Weiter kam ich nicht. Ethan beugte sich blitzschnell vor, streifte mit seinen Lippen meine Wange und flüsterte: "Morgen. Morgen werden wir für eine Audienz zu euch kommen." Sein Tonfall war kalt und wies eine Spur Sarkasmus auf, als er das Wort Audienz förmlich ausspuckte. Er richtete sich wieder au, machte auf dem Absatz kehrt und schritt zu seiner gaffenden Begleitung. Die auf ihn zielenden Waffen ignorierte er einfach. Grob zerrte er sie am Arm hinter sich her und langsam hörte ich, wie die Männer und Frauen hinter mir ihrerseits die Waffen einsteckten und, einen großen Bogen um mich machend, ihrem König folgten. Ich bekam das alles nur am Rande mit, da mein Blick an Ethans Gesicht festhing. Wie er sie ansah. Sie mit seinen Blicken auszog. Ein komisches Ziehen kam von meiner Herzgegend aus, was sich mehr als Unangenehm anfühlte. Ein lautes Räuspert holte mich ins hier und jetzt zurück. Mirra hatte mir sanft eine Hand auf den Arm gelegt und sah mich amüsiert und leicht besorgt an. "Könntet ihr vielleicht euren Männern sagen, sie mögen doch bitte diese Hässlichen Dinger runter nehmen." Sie rümpfen königlich die Nase und warf Hades einen affektierten Blick zu. Verwirrt sah ich zu der Gruppe hinüber, die tatsächlich noch mit ihren Waffen auf Ethans Männer zielten, die den Raum doch schon längst verlassen hatten. Stirnrunzelnd bedachte ich Hades meinerseits mit einem fragenden, leicht besorgten Blick zu. Der erwiderten ihn mit einer stummen Botschaft an mich. Die Leute, die hinter oder neben Hades standen, hatten alle ihre Augen auf mich gerichtet. Abschätzend, aber auch respektvoll. Als wüssten sie nicht, wie sie mich einordnen sollten. Das waren sie also. Mein innerer Kreis. Oder Teile davon. Und sie warteten auf mein Kommando. Ein weiteres unangenehmes Gefühl breitete sich in mir aus. Diese Leute würden für mich töten. Ob ich es wollte oder nicht. Um Mirra nicht noch mehr Grund zur Aufregung zu geben nickte ich ihnen kurz zu und unisono steckten sie alle ihre Waffen weg. "Du meine Güte! So viel Drama um nichts und wieder nichts." Mirra rollte mit den Augen. "Das tut mir sehr leid", murmelte ich leise in ihre Richtung.
Ich sah sie von der Seite an.
Mirra gab einen sichtlich überraschten Laut von sich. "Also das passiert mir wohl zum ersten mal." Fragend neigte ich den Kopf. Auf ihrer Party wäre es gerade beinah zu einer Schießerei gekommen und doch wirkte sie gefasst und wenig überrascht. Jetzt sah sie allerdings so aus, als hätte ich ihr erzählt, ich wäre in Wirklichkeit ein Kobold, der am Ende eines Regenbogens lebt und mein bester Freund wäre ein geflügeltes Einhorn. "Entschuldigung?" Sie warf den Kopf zurück und lachte schallend.
"Wir sollten dann auch gehen." Hades war hinter mich getreten und ich konnte die bevorstehende Schelte jetzt schon spüren. Sein Körper vibrierte förmlich vor Zorn. Ohne eine Antwort meinerseits abzuwarten, dirigierte mich Hades aus dem Raum. Ich konnte noch ein letztes "Schönen Abend noch" rufen, bevor sich die Türen wieder hinter uns schlossen. "Herr im Himmel, Mia!", zischte Hades nachdem wir die Stufen erklommen waren und such die zweite Tür sich hinter uns schloss. Diesmal wartete allerdings kein Führer auf uns, der uns mit der Lampe den Weg erleuchtet hätte. Hades schien die Dunkelheit allerdings nichts auszumachen und er marschierte einfach weiter. Mich immer noch vor sich her dirigierend. "Was zum Teufel war das?! Dramatischer ging es wohl nicht!"
"Ja, dass ist es wohl. Ein Drama. Du weißt schon, die, die immer am Nachmittag laufen und die sich einsame Hausfrauen immer anschauen. Und ich bin leider unfreiwillig die unglückliche Besetzung der Hauptperson!" Ich stieß einen leisen Fluch aus, als mein nackter Knöchel sich an irgendwas spitzen ritzte. "Mia! Das hier ist doch nicht irgendeine kitschige Show! Das ist blutiger ernst!!!" Ich hatte das Gefühl, dass nach jedem Satz gleich mehrere Ausrufezeichen standen. "Meinst du das weiß ich nicht? Ist ja nicht so, dass gerade ein Dutzend Waffen auf mich gezielt wurden", gab ich kleinlaut zurück.
"Daran ist allein deine groteske Männerwahl schuld. Aber früher oder später wäre das ohnehin passiert und es wird gewiss nicht nur dabei bleiben."
"Also, wenn du das unter wieder aufbauen verstehst, sehe ich schwarz für deine Zukunft." Die Dunkelheit lichtete sich und ich konnte im schwachen Mondlicht konnte ich die weiße Limousine ausmachen. Hades blieb abrupt stehen und da er immer noch meine Schulter festhielt wurde ich automatisch an seine Brust geschleudert. "Ich bin ein toller Aufmunterer!" Kam es entrüstet über mir. "Ich will dich nur nicht jetzt schon in einem Leichensack sehen müssen." Ein Bild von mir, reglos und in einem dieser Säcke verpackt schob sich vor mich. "Wenn es soweit kommt", sagte ich rund heraus, "musst du mir versprechen, dass es ein roter Sack sein soll."
"Das ist doch lächerlich", war alles, was er dazu sagte. In der darauf dauernden kurzen Stille spannte sich Hades ganzer Körper plötzlich von 0 auf 100 an. Ich wollte noch fragen, was er auf einmal hatte, als er mich schon herum schleuderte und sich schützend vor mich und das dann explodierende Auto stellte. Ein grell Orangener Blitz ging auf einmal hoch und das Donnern einer Explosion ließ meine Ohren klingeln. Ein Teil der Autotür flog Haarscharf an meinem Kopf vorbei und weitere flogen über meinen Kopf hinweg. Die Druckwelle riss uns zu Boden und mein Kopf schlug hart auf den Boden auf. Das letzte was ich war nahm, war etwas warmes, was auf mein Gesicht tropfte und wie Hades über mir immer schwerer wurde.

Schachmatt Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt