Teil 10

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Ever

Die Kellnerin beäugte Blake und stellte ihm lächelnd sein Getränk als erstes hin. Tea und ich warfen uns grinsend blicke zu. Blake sah wirklich gut aus, so gut, dass es eigentlich schon klar sein sollte, dass er schwul ist. Sie verschwand nachdem sie Teas und meine Bestellung abgesetzt hatte und wackelte ein wenig zu sehr mit den Hüften.
"Immer wieder das gleiche." seufzte Blake und verdrehte genervt die Augen, obwohl seine Mundwinkel nach oben zuckten.
"Vielleicht solltest du aufhören so gut auszusehen?"
"Ja vielleicht. Wenn das bloß so einfach wäre" erwiderte er und schmiss drei Zuckerwürfel in seinen Kaffee. Grinsend trank ich einen Schluck aus meinem Milchkaffee. Mein Rachen war so trocken gewesen, was ich erst jetzt bemerkte. Glücklicherweise hatte ich bislang in keinen Spiegel gesehen, denn ich wollte wirklich nicht wissen wie ich aussah. Tea rührte ihren Kakaou um und entfernte mit ekelergendem Gesichtsausdruck die Haut, die sich auf der Oberfläche gebildet hatte.
"Also erzählt was gibt es neues? Hab ich irgendwas verpasst?"
Blake schien so als ob er nur auf diese Frage gewartet hätte. Er rieb sich schadenfroh die Hände und machte bereit los zu legen, in dem er sich aufrecht hinsetzte.
"Oh ja! Ich verstehe Studenten nicht die freiwillig zu Hause studieren ich meine bei Damian und bei dir ist es was anderes aber..."
Er hielt inne und schüttelte den Kopf.
"Wie auch immer. Melia hat sich ihre Haare blond gefärbt! Gott Ever du kannst dir nicht vorstellen wie Scheiße das aussieht, vorallem weil ihr Ansatz nachgewachsen ist."
Ich musste erstmal überlegen wer Melia überhaupt war, doch dann fiel es mir wieder ein. Mein Magen zog sich leicht zusammen, was lächerlich war, da ich nichts zu befürchten hatte. Mir kam es vor, als wäre mein Leben vor ein paar Wochen eine Ewigkeit her. Ich hatte völlig vergessen, das Personen wie Melia überhaupt existierten. Klar wusste ich, dass Damian nie wieder was mit ihr haben würde, doch trotzdem mochte ich den bloßen Gedanken an sie nicht. Denn sie war hübsch, keine Frage. Mit ihren grünen Augen und der Statur, die einem Victoria's Secret Model ähnelte, sah ich daneben aus wie ein kleiner dicker Kloß. Schließlich war ich nicht die dünnste, ich war einfach nur normal. Durchschnittlich, wenn überhaupt. Das alles sind Gedanken, die ich niemals laut sprechen würde.
"Außerdem ging das Gerücht rum sie sei Schwanger und jetzt rate mal von wem?"
Ich zuckte ahnungslos mit den Schultern. Ich kannte nicht sonderlich viele Namen.
"Das weiß sie eben auch nicht. Stell dir das mal vor Ever! Sie hatte mit so vielen Typen was, dass sie nicht weiß wer der Vater sein könnte. Falls dieses Gerücht stimmt natürlich."
"Natürlich stimmt es. Komm schon. Ich wette mit euch sie will das Kind abtreiben lassen oder gibt es zur Adoption frei." mischte sie Tea ein und wickelte sich einer ihrer Haarsträhnen um den Finger. Grinsend sah ich zwischen meinen Freunden hin und her. Auch wenn mich der Tratsch nicht interessierte, war es eine erfrischende Abwechslung. Alles fühlte sich so normal an, dass man meinen könnte die Welt wäre rosig. Doch das war sie nunmal nicht. Und auch wenn Blake und Tea mich unterhalten konnten, spukte die Realität in meinem Hinterkopf herum.
"Erde an Ever. Willst du vielleicht auch mal was dazu sagen?" Blake winkte mit seiner Hand vor meinem Gesicht herum. Ich blinzelte ein paar mal und strich lose Haare hinters Ohr.
"Das ist alles ziemlich verrückt. Aber erzählt mal von euch. Wie läuft es denn mit euren Lovers?" fragte ich sie und lehnte mich im Stuhl zurück. Diese Frage war perfekt, denn allein an Blake's Körperhaltung wusste ich, dass er reden sich bereit macht um wie ein Wasserfall loszureden. Auch Tea bemerkte dies, denn sie lehnte sich wie ich in ihrem Stuhl zurück und umfasste mit ihren kleinen Finger ihre Kakaoutasse fester.
"Austen hat mich letztens seinen Eltern vorgestellt."
Tea bückte sich zu meinem Ohr vor.
"Ich höre die gesamte Geschichte zum bestimmt hundertsten mal." flüsterte sie augenrollend. Ich kicherte, worauf Blake mir einen scharfen Blck zu warf.
"Ever jetzt hör mir zu, ich werde dir die Geschichte nicht noch einmal erzählen. Das ist deine einzige Chance."
"Komm schon Blake spielen wir uns nichts vor, du wirst die Geschichte sicherlich nicht nur einmal erzählen." erwiderte ich und konnte einfach nicht aufhören zu lachen. Er stöhnte genervt auf und strich sich sein blondes Haar zurecht.
"Wo waren wir stehen geblieben...ach ja Austen's Eltern."
Tea schielte grinsend in meine Richtung, worauf ich ihren Blick unaufällig erwiderte.
"Austen hat eine kleine Schwester Namens Veronica und die ist sowas von nervig. Ohne Witz Ever du hättest sehen müssen wie sie mich gemustert hat. Sie hatte diesen richtigen Bitch Blick drauf. Wenigstens waren seine Eltern super lieb, wir waren zusammen golfen und..."
Blake schilderte mir jeden Streit denn sie hatten und auch einige intime Momente erzählte er so genau, dass ich mir manchmal die Ohren zuhalten und trällern musste. Tea rutschte schon die ganze Zeit unruhig auf ihrem Stuhl herum, und ich wusste, dass ihr etwas auf dem Herzen lag. Sie biss sich ununterbrochen auf der Unterlippe herum, so dass sich bereits Spuren ihrer Lippe drauf gebildet hatten. Ich stellte meine Tasse etwas zu laut auf dem Tisch ab. Blake verstummte und sah mich mit weit aufgerissenen Augen an.
"Okay Tea, was ist los. Die ganze Zeit schon bist du völlig durch den Wind."
Blake wusste es. Er wusste ganz genau was Sache war.
"Leute was verschweigt ihr mir?"
"Ever ich muss mit dir reden." rückte sie, nach einer weile des schweigens aus. Blake drehte Däumchen und sah zu Boden. Tea schluckte den Kloß in ihrem Hals herunter und holte hörbar Luft. Einen Moment lang hatte ich wirklich angst. Ich malte mir die verrücktesten Dinge aus. War irgendwas mit meinen Eltern passiert oder ging es um Damian? War irgendwas mit ihr passiert?
"Cole und ich wollen zusammen ziehen."
Mein Kinnlade fiel nach unten, so dass mein Mund weit offen stand. Ja, ich war geschockt, aber im positiven Sinne.
"Aber das ist doch toll!" antwortete ich begeistert, doch sie blickte unsicher rein.
"Nein. Ich meine, du musst dir wahrscheinlich eine neue Mitbewohnerin suchen und ich weiß nicht ob das so gut ist."
Auch wenn sie es nicht aussprach, wusste ich genau was sie dachte. Sie meinte die Zeit danach. Nachdem das alles hier eine Ende hat und es nicht mehr nötig sein wird dieses Krankenhaus zu besuchen.
"Ich komme schon klar. Wir werden uns ja trotzdem noch sehen."
"Hey vielleicht kannst du ja mit Damian zusammen ziehen?" schlägt Blake vor und blickte vom Fußboden ab. Ich schüttelte den Kopf.
"Nein das geht nicht. Lorenzo wird nächstes Jahr anfangen zu studieren und es wäre glaub ich besser, wenn er bei seinem Bruder wohnen würde."
"Wieso das?" hakte Tea nach.
"Weil er etwas schwierig ist und nicht so gut mit der ganzen Lage umgehen kann. Er hat sich komplett verändert und zwar in keine gute Richtung."
Tea und Blake blickten so verzweifelt drein, wie ich mich fühlte. Ich war nicht sauer auf Tea, aber ich wusste, dass sie sich sorgen um mich machte. Zwar konnte ich nicht wissen wie ich mich fühlen würde wenn die ganze Sache hier vorbei wäre, aber ich würde stark bleiben. Ich musste einfach und wenn nicht für mich, dann für Damian. Allein dieser Gedanke half mir.
"Tea glaub mir, du brauchst nichts zu befürchten." beruhigte ich sie und legte meine Hände auf ihre. Ich sah zu Blake.
"Und du auch nicht. Ihr braucht euch keine Sorgen um mich zu machen. Mir geht es gut."
So ganz überzeugend klang ich nicht, aber wie denn auch? Das letzte was ich wollte war jedoch, dass meine Freunde sich deswegen runterziehen ließen.
"Wie gehst du so damit um? Also mit der ganzen Sache?" fragte Blake leise und ich war mir sicher, dass ihm diese Frage schon seitdem wir uns hier her gesetzt hatten durch den Kopf ging. Die Stille machte mich verrückt, weshalb ich den Mund öffnete um etwas zu sagen, doch ich brachte kein Wort heraus. Achselzuckend ließ ich das schweigen über mich ergehen.
"Ich weiß nicht, wisst ihr es ist ziemlich schwierig. Einerseits bin ich total fertig, aber ich will es nicht so zeigen wegen Damian. Ich will für ihn da sein."
"Shawty du bist doch für ihn da. Du bist zu ihm gezogen und verbringst jeden Tag mit ihm. Glaub mir, er weiß das zu schätzen. Trotzdem kannst du nicht einfach die ganze Zeit stark sein und keine Gefühle zulassen."
Ich ließ mir Blakes Wörter noch einmal durch den Kopf gehen, ehe ich antwortete.
"Aber wenn er sieht, dass es mir nahe geht, wird es ihn noch weiter runterziehen. Deswegen glaubt mir, ich mache schon das richtige."
Ich bemerkte wie unüberzeugend und traurig meine Stimme klang. Die Gesichtsausdrücke meiner Freunde sagten das gleiche aus. Ich nahm meine Tasse und führte sie an meine Lippen, um meine Verzweiflung zu verstecken. Tränen traten in meine Augen und ich konnte sie kaum noch zurück halten.
"Entschuldigt mich kurz. Ich muss auf die Toilette." murmelte ich und sah auf den Boden, damit Tea und Blake nicht meine glasigen Augen bemerkten.

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