Teil 16

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Teil 16

Ich war noch nie auf einer Beerdigung gewesen und ich wusste auch wieso. Beerdigungen waren schrecklich, mehr als das. Sie gaben einem nochmal den letzten Hinweis darauf, dass das was passierte echt war.

Ich trug eine große schwarze Sonnenbrille, weil ich niemandem den Anblick meiner großen verheulten Augen zumuten wollte. Es war verdammt heiß, obwohl es das garnicht sein sollte. Es sollte regnen und bewölkt sein, doch das Leben war kein Film. Das Leben war ein Kampf, ein Geschenk und ein Fluch.

Der Pfarrer sprach Sätze aus der Bibel, die ich jedoch ausblendete. Als sie Nando's Sarg brachten, blickte ich zu Boden und wollte am liebsten wegrennen. Ich kniff die Augen fest zusammen und schluckte jedes mal den schweren Kloß in meinem Hals herunter. Plötzlich berührte mich eine Hand an der Schulter und ich zuckte auf. Tea sah mich mitfühlend an und drückte mich fester an ihren Körper. Sie und Blake standen jeweils an meiner Seite, während Damian's Eltern auf der anderen Seite, gegenüber von mir standen. Lorena trug ebenfalls eine Sonnenbrille, doch an ihrer Körperhaltung konnte ich ablesen wie sie kaum noch auf Beinen bleiben konnte. Diego stand neben ihr und drückte aufmunternd ihre Hand. Ich bewunderte wie sehr sie sich liebten. Wie sehr er sich um sie kümmerte und wie sehr er sich um sie sorgte. Natürlich hatte ich schon längst bemerkt, dass weder Lorenzo noch Damian hier waren. Ich wusste nicht was ich davon halten sollte. Während ich mich umblickte entdeckte ich noch mehr bekannte Gesichter. Familienmitglieder, Freunde von Nando und sogar Professor Allen, der mich vorhin am Parkplatz abgefangen hatte um mir sein Beileid auszusprechen. Ich wollte nur, dass dieser Tag so schnell wie möglich vorüber ging. Mir war heiß, doch ich zitterte trotzdem. Vor Angst, Trauer und Verzweiflung. Ich hatte keine Ahnung wie es weiter gehen sollte. Es gab weder eine Zukunft noch eine Perspektive für mich. Nachdem ich gestern bei Damian zusammengebrochen war, hatte Blake mich zum Wohnheim gebracht. Die ganze Fahrt über hatte ich geweint wie ein kleines Kind. Ich hatte keine einzige Stunde geschlafen. Blake hatte auf Tea's Bett übernachtet, weil er darauf bestand bei mir zu bleiben. Gestern als ich mit Damian gesprochen hatte, wusste ich es. Ich wusste, dass er mir entglitten war. Seine Augen waren so kühl und fremd geworden. Seine Worte schnitten sich wie eine Klinge in mein Herz. Ich hatte ihn verloren. Er hatte eine Mauer um sich erbaut, durch die ich nicht durchdringen konnte. Ich konnte es einfach nicht. Einerseits weil ich zu schwach war und andererseits, weil mich meine eigenen Mauer daran hinderte.

„Möchte noch jemand etwas sagen?" fragte der Pfarrer und erhielt somit meine Aufmerksamkeit. Anscheinend hatten ein paar Menschen etwas zu Nando gesagt, doch ich bekam nichts um mich herum mit. Ich fragte mich ob Nando in diesem Moment bei uns war. Ob er wohl glücklich war im Himmel und ob er uns beschützte. Ich vermisste ihn schrecklich, Ich wünschte mir in diesem Moment nichts sehnlicher, als bei ihm zu sein und noch einmal seinen kleinen Körper zu umarmen. Aus dem Blickwinkel bemerkte ich, wie sich der Pfarrer fragend in der schwarzen Menschenmenge umsah. Von oben mussten wir aussehen wie ein dunkles Stück Erde, da wir alle  in der Farbe der Nacht gekleidet waren.

„Also möchte sich keiner mehr zu Wort melden?" hakte der Pfarrer nach und wollte gerade fortfahren, als sich jemand zu Wort meldete.

„Doch ich." lallte eine Stimme. Die Menschenmenge teilte sich in der Mitte, als Damian hineinstolperte. Er ließ seine Flasche auf das Gras fallen, so dass der komplette Inhalt auslief. Er schlenderte zum Pfarrer und stolperte mehrmals beinahe über seine eigenen Füße. Eine erdrückende Stille machte sich breit. Gerade als Damian nach dem Mikrofon griff, zog Cole an seinem Ärmel und zerrte ihn weg. Damian hatte eine schwarze Jeans und ein T-Shirt in der gleichen Farbe an. Seine Haare waren zerzaust und sein wirkte Gesicht erschöpft. Er nahm seine Umgebung gar nicht war, da er vollkommen betrunken war.

„Man spinnst du eigentlich?" fauchte Cole leise, doch Damian entwand sich seinem Griff.

„Halt deine Fresse!" antwortete er barsch und sah ihn drohend an. Jetzt kam auch Diego dazwischen und ich konnte die Katastrophe bereits ankommen sehen. Diego verzog angewidert das Gesicht, als er die Alkoholfahne roch.

TimelessHikayelerin yaşadığı yer. Şimdi keşfedin