Unschlüssigkeit

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Un·schlüs·sig·keit
  Substantiv, feminin [die]
     1. das Unschlüssigsein (1); Unentschlossenheit, Zweifel
     2. das Unschlüssigsein (2); etwas nicht Folgerichtiges, logischer Bruch


Luhan atmete ein letztes Mal tief durch, bevor er vortrat und den von Markisen überdachten roten Teppich betrat, der zur Feier des Tages vor Sehuns Wohnhaus ausgerollt worden war und geradewegs in die Kunstgalerie seiner Mutter führte, welche sich im Erdgeschoss befand.

Kaum war er eingetreten und hatte einem der Garderobiers seinen Mantel und Schal überreicht, wurde er von der - gerade im Vergleich zu ihrem Sohn - nahezu winzigen Frau erblickt und mit Küsschen rechts und links begrüßt. »Luhan«, rief sie erfreut aus. »Wie schön, dich zu sehen, es ist ewig her.« Beherzt tätschelte sie die Wange des Brünetten.

Luhan blinzelte. Entweder hatte Sehun ihr tatsächlich nichts von ihrer Trennung erzählt, oder sie hatte es schlichtweg vergessen, jedenfalls konnte sie, so freundlich, wie sie zu ihm war, keinen besonderen Groll gegen ihn hegen.
»Freut mich auch, Sie wiederzusehen«, antwortete er höflich und setzte eines seiner perfekten Lächeln auf.

»Amüsier dich gut, ja? Und falls dir eines der Bilder gefällt, komm direkt zu mir, ich mache dir einen Sonderpreis.« Sie zwinkerte, lachte glockenklar und wandte sich zum Gehen. »Sehun sollte hier irgendwo herumlaufen, falls du ihn suchst.«
Luhan nickte schnell und beobachtete, wie Sehuns Mutter in der Menge verschwand.

Der Brünette schob die Schultern zurück, hob das Kinn an und schritt souverän durch die Kunsthalle; zumindest solange, bis er Sehun sah, der ein paar Meter weiter mit einem mittelalten Mann mit Hornbrille und maßgeschneidertem Anzug sprach.
Schnell tat Luhan so, als würde er sich voller Konzentration ein Bild ansehen und solange er es so scheinen ließ, als ob, war es doch gleichgültig, dass er einfach kein Motiv in den wirren Pinselstrichen auszumachen vermochte.

Und so war es zwar Sehun, der letztlich Luhan ansprach, allerdings verhalf das dem Kleineren nicht wirklich zu einem Triumph, weil die Tatsache, dass er überhaupt da war, dadurch nicht weniger verfänglich wurde.

»Hast du mich so sehr vermisst?« Luhan konnte das freche Grinsen in Sehuns Stimme hören und rollte mit den Augen. Er würde es in hundert Jahren nicht freiwillig zugeben, aber Fakt war, dass sie sich das erste Mal, seitdem er und Sehun zusammengekommen waren, länger als zwei Tage am Stück nicht gesehen hatten und wenn er ehrlich war, war das tatsächlich ein komisches Gefühl.

Trotzdem schnaubte Luhan abfällig und hatte ein spöttisches Gesicht aufgesetzt, als er sich zu Sehun umdrehte. »Nicht im Geringsten.«
Der Andere hob belustigt und unbeeindruckt eine Augenbraue. »Ach so?«, fragte er. »Also bist du hier, um ein Gemälde zu kaufen.« Sehuns Ton barg völligen Unglauben und nichts das Luhan hätte erwidern können, hätte ihn umgestimmt.

»Ich war zufällig in der Gegend«, bot Luhan an und brachte Sehun damit tatsächlich zum Lachen, dann schüttelte er gnadenlos den Kopf.
»Nein«, widersprach er. »Zufällig läufst du nicht in einem weißen Hemd herum.« Daraufhin beugte sich Sehun vor, kam Luhan gefährlich nah. »Und du legst auch nicht zufällig Black Opium auf.« Und tatsächlich hatte der Kleinere sich wohlweislich mit dem Parfum besprüht, bevor er das Haus verlassen hatte. Weil Black Opium an Luhan auf Sehun wirkte, wie ein Aphrodisiakum.

Luhan räusperte sich und wandte den Blick ab, die Stirn in Falten gelegt und die Ohren rötlich verfärbt. »Schön, dann bin ich eben deinetwegen hier«, lenkte er zwangsläufig ein und funkelte Sehun böse an. »Aber ich habe dich nicht vermisst!«
Der Jüngere richtete sich wieder auf und steckte die Hände in die Hosentaschen. Mit einem verschmitzten, schiefen Grinsen auf den Lippen nickte er. »Was immer du sagst, Hannie.«

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